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Kim schlief noch als ich am nächsten Morgen aufwachte, aber tatsächlich war es wieder einmal relativ früh, weshalb es mich nicht wunderte. Außerdem hatte sie es sich verdient. Es war gestern die Wahrheit gewesen: nach einem Wettkampf war ich immer fix und fertig gewesen.

Leise lief ich nach draußen auf den Balkon, um Kim nicht zu wecken. Dort lehnte ich mich nach Vorne und stützte meine Arme auf dem Geländer ab. Meinen Blick ließ ich über das Wasser streifen. Die Sonne ging gerade auf und färbte den Himmel hinter dem See rot. Auch die Wasseroberfläche spiegelte das rote Licht. Es war traumhaft schön. Wenn Oli hier wäre, würde er sofort ein Foto davon machen. Dessen war ich mir sicher. Stattdessen holte ich mein Handy aus dem Zimmer und schoss selbst ein Foto, um es Oli zu schicken. Es fing die Realität nicht im Entferntesten ein, aber es sah, zugegebenermaßen, trotzdem schön aus.

Es dauerte nicht lange bis Oli raus trat, natürlich mit seiner Kamera.

„Guten Morgen.", begrüßte er mich, aber hob direkt die Kamera hoch und begann den Moment einzufangen.

„Ich hab dich wohl inspiriert!", stellte ich amüsiert fest.

„Dieses Spektakel konnte ich mir doch nicht entgehen lassen! Das war viel zu verlockend!"

„Ich würde dir zu einem Kaffee anbieten, aber ich will Kim nicht wecken..."

Bei diesen Worten lachte Oli laut auf. Dabei legte er die Kamera weg und schaute belustigt zu mir. „Sorry, du kannst es ja nicht wissen, schließlich hast du sie gestern erst kennengelernt, aber glaub mir, so leicht bekommst du sie nicht wach! Das versichere ich dir! Du könntest dort drinnen ein Konzert geben und Kim würde seelenruhig weiterschlafen! Also im Ernst: ich kenne keinen mit einem so tiefen Schlaf! Wenn sie wirklich müde ist, beziehungsweise schlafen will, dann kannst du sie nicht wecken!"

„Na gut.", erwiderte ich lachend. „Willst du einen Kaffee?"

„Liebend gerne, danke!"

Ich nickte ihm zu und ging zurück ins Zimmer, um zwei Kaffee zuzubereiten. Ich hatte die Milch in Kims Kühlschrank gestellt. Später müsste ich dran denken sie zu fragen, ob das in Ordnung war, aber abgesehen davon, dass ich mir nicht vorstellen konnte, dass sie damit ein Problem haben würde, war die Milch ja nicht einmal für mich, sondern für ihren Freund. Kim schlief tatsächlich einfach weiter.

Zurück auf den Balkon, musste ich feststellen, dass Robin auch rausgekommen war. Er hatte nur schwarze Shorts an, was mich an die Tatsache erinnerte, dass ich selbst auch nur ein T-Shirt trug. Seufzend sah ich ihn an und mit der Erinnerung an mein Versprechen mir selbst gegenüber, sagte ich: „Ich hoffe du trinkst deinen Kaffee schwarz. Mehr bekommst du von mir nicht." Damit reichte ich ihn die Tasse, die eigentlich für mich gedacht war und Oli bekam die zweite.

Robin war zuerst zu überrascht, um zu reagieren, doch nach wenigen Sekunden lächelte er mich an und nahm die Tasse. „Ja, ich trinke ihn schwarz. Vielen Dank!"

Augenverdrehend kehrte ich um und machte mir selbst einen neuen Kaffee. Währenddessen zog ich mir noch eine Hose an. Bei Oli war mir das egal gewesen, aber Robins Blicke konnte ich jetzt wirklich nicht gebrauchen, wenn ich doch versuchte zu lernen seine Anwesenheit zu tolerieren, ohne mich aufzuregen.

„Wieso bist du heute so nett und schenkst auch mir die Freude eines morgendlichen Kaffees?", fragte Robin als ich wieder nach draußen kam.

Bevor ich zur Antwort ansetzte, nahm ich endlich meinen ersten Schluck. „Weil ich mir und Kim versprochen habe, mich zu bessern und versuchen möchte mit ihr befreundet zu sein. Um das zu ermöglichen, muss ich auch euch beide in meine Pläne einbeziehen. Bei Oli ist das ja kein Problem und was dich angeht... nun... Mit dir muss ich einfach irgendwie klarkommen, also bekommst du einen Kaffee als Zeichen meines guten Willens, aber verwechsle das nicht mit Freundschaft, denn dazu wird es nicht kommen. Niemals. Sie es einfach als Friedensangebot."

„Mir war gar nicht klar, dass wir im Krieg sind!" Er grinste. „Und was die Sache mit der Freundschaft betrifft: das werden wir ja noch sehen! Ich bin überzeugt davon, dass du mir früher oder später verfallen wirst!"

Zum gefühlt millionsten Mal seit ich Robin kannte, verdrehte ich die Augen und zweifelte ein Wenig daran, ob ich das alles wirklich durchziehen konnte.

Keine Ahnung, wie lange wir dastanden, aber ich stellte fest, dass solange Robin schwieg, seine Anwesenheit gar nicht so schlimm war. Schade, dass er nicht für immer Schweigen würde. So ein Schweigegelöbnis von ihm hätte schon etwas.

„Wir sollten heute irgendwas unternehmen, um zu feiern, dass Kimmi wieder hier ist!", schlug Robin vor und beendete damit die schöne Stille. „Wir könnten zu den Höhlen!"

„Zu welchen Höhlen?", fragte ich und drehte mich zu ihm um. Sie standen zwar auf einem anderen Balkon, doch sie waren so nah, dass es keinen Unterschied gemacht hätte.

„Oh, das ist eine klasse Idee!", rief Oli und nicke begeistert. „Die Höhlen sind knapp eine Stunde von hier entfernt. Durch den Wald. Wir wissen nicht genau, welchen Ursprung sie haben, aber wir haben sie in unserem ersten Jahr hier entdeckt und sonst kennt sie eigentlich keiner. Wäre also toll, wenn du es nicht rumerzählen würdest, damit sie nicht von jedem benutzt wird... Auf jeden Fall gelangt man durch sie zu einer kleinen Bucht. Also die ist wirklich nicht groß, aber dafür echt schön und friedlich."
„Und damit es so bleibt, haben wir keinem davon erzählt. Also zumindest bisher...", fügte Robin hinzu.

„Ich schweige wie ein Grab!"

„Das tust du, zu unserem Leidwesen, wirklich.", stellte er fest.

Ich verdrehte die Augen, aber ging ansonsten nicht darauf ein. Würde ich das schaffen? Ich musste es versuchen. Für Kim und Oli. Für Manu. Für mich.

Gähnend kam Kim aus dem Zimmer. „Wieso seid ihr denn schon alle wach?"

„Die Frage ist wohl eher, warum du schon wach bist.", korrigierte Robin sie. „Du schläfst doch sonst viel länger und geweckt haben wir dich ja wohl kaum!"

Sie zuckte mit den Schultern und gähnte erneut, als ihr Blick auf die, mittlerweile leeren, Tassen in unseren Händen fiel. Ihre Augen weiteten sich ungläubig.

„Kaffee?", fragte ich lächelnd.

„Woher-"

„Elle hat eine Kaffeemaschine.", erklärte Oli bevor sie ihre Frage fertig formulieren konnte.

„Ist das dein Ernst?" Ihre Augen wurden noch größer.

Ich lachte auf. „So hat bisher jeder reagiert. Wie willst du ihn denn?"

„Mit etwas Milch und wenig Zucker!"

Greatest Love but Greatest FearWo Geschichten leben. Entdecke jetzt