Kapitel 45

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Niemand geringeres als Cole Enders steht nun vor mir.
Ich habe zwar gesagt, dass ich ihn am liebsten nie wieder sehen will, aber ein kleiner Teil von mir springt vor Freude in die Luft. Natürlich nur in meinem Kopf.

"Hey.." kommt es leise aus seiner Richtung.
Ich erwidere seine Begrüßung genau so leise, wenn nicht sogar leiser als er.
Still folgen meine Augen seinen Bewegungen, während er sich auf den Stuhl neben meinem Bett setzt.

Einige Zeit herrscht Stille zwischen uns. Keiner weiß so richtig, was er sagen soll.

Da fällt mir ein... Warum ist er überhaupt hier? Sollte er mich nicht lieber hassen und nie wieder sehen wollen? Hat man ihm gesagt, dass ich eine Fehlgeburt hatte?

"Saphira?"
Sofort schaue ich auf. Ich muss wohl meinen Kopf beim Nachdenken nach unten gedreht haben, sodass ich auf die Decke starre, die über meinem Körper ausgebreitet ist.
"Ja?" Krächze ich.
Gerade möchte er ansetzen, weiter zu reden, da ertönt ein leises klopfen und die Tür wird geöffnet. Zum Vorschein kommt Herr Schmidt. In der einen ein Tablett, vermutlich das Frühstück, und in der anderen eine kleine Schachtel.
"Hier das versprochene Frühstück. Oh. Sie haben ja schon Besuch. Wie schön. Dann will ich auch nicht länger stören und komme in einer halben Stunde nochmal für eine Untersuchung." Während seiner Ansprache hat er das Tablett auf meinen Schoß gelegt, mir die Packung mit drauf gelegt, nochmal schnell hinterher geschoben, dass ich die Tablette darin nach dem Essen einnehmen soll, welche gegen Schmerzen ist und ist auch schon wieder aus der Tür verschwunden. Natürlich nicht ohne ein Augenzwinkern... Ähm.... Ok?

Kurz ist wieder Stille. Zuerst betrachte ich mein Frühstück. Eine Suppe? Gut, ist wahrscheinlich besser so. Und zum Glück eine kleine Portion. Das werde ich ja wohl noch schaffen... Wenn ich Hunger habe...
"Saphira?"
Wieder schaue ich hoch. Cole schaut mich an.
"Ja?" OK... Ich kann meine Stimme echt nicht mehr hören. Schnell trinke ich einen Schluck Wasser aus dem Glas, welches auf dem Tablett steht.
"Wie geht es dir?" Fragt Cole nach einem Moment der Stille.
Das ist eine schwere Frage... Wie geht es mir denn?
"Es ging mir schon mal besser." Dabei Versuche ich wenigstens ein kleines Lächeln zustande zu bringen. Auch wenn ich das Gefühl habe, dass es mir nicht so richtig gelingt.

"Und wie sieht es mit deinen Verletzungen aus? Die Ärzte wollten mir keine Auskunft geben." Jetzt klingt er ein wenig besorgt.
"Nun..." Soll ich es ihm sagen? Es wäre wohl besser, wenn ich ihm von der Fehlgeburt nichts sage... Zum mindest fürs erste.
"Sobald ich mich genug erholt habe, werde ich wohl ein paar Monate in Reha müssen. Die Kugel, die sich in mein Bein verirrt hat, hat wohl einiges an Schaden zurück gelassen. Ansonsten sind es einige Kratzer und blaue Flecken."
"Den Bandagen nach zu urteilen sind das aber alles andere als Kratzer." Und er hat mich erwischt.
"Kratzer stimmt schon... Ein paar habe ich tatsächlich. Aber du hast Recht. Hier und da habe ich auch ein paar Schnittwunden." Gebe ich nun zu.
Diesmal nickt er nur.

"Wo ist Jayden?" Frage ich nach einem weiteren Moment der Stille.
"Bei meiner Mutter. Auch wenn es alles andere als einfach war, ihn da zu lassen, weil er dich unbedingt sehen wollte." Lächelt er.
Auch ich muss Lächeln. Ich kann mir gut vorstellen, wie schwer es gewesen sein muss, Jayden davon davon zu überzeugen, nicht mitzukommen.
Da scheint ihm wohl einzufallen, dass er vielleicht noch was erledigen muss, denn er schaut schnell auf die Uhr an seinem Handgelenk.
"Mist. Schon kurz nach 10. Tut mir leid Saphira. Ich hab gleich ein wichtiges Meeting, welches ich leider nicht verschieben konnte. Ich werde auf jeden Fall bald wieder kommen. Du solltest erst mal was essen, bevor der Arzt wieder kommt."
Seltsamerweise gibt er mir noch einen Kuss auf die Wange und ist schneller draußen, als ich überhaupt begreifen kann, was hier gerade überhaupt los ist.
Ähm.... OK.... Das ist gerade passiert...

Aber er hat Recht. Ich sollte eine Kleinigkeit essen. Also fange ich an, meine Suppe zu löffeln.
Wie als hätte Herr Schmidt nur darauf gewartet, kommt er nach einem klopfen gefolgt von zwei Krankenschwestern zur Tür rein, sobald ich den Löffel in die leere Suppenschüssel gelegt und die Tablette mir dem restlichen Wasser eingenommen habe.

"Oh? Der Besuch schon weg?" Fragt er.
Zur Antwort nicke ich.
"Dann brauchen wir ihn ja nicht raus zu schicken und können uns direkt der Untersuchung widmen."

Eine Stunde später: ich wurde hier gepiekst, da angefühlt, mir einem kleinen Hämmerchen oder wie die Dinger heißen, wurden meine Reflexe in den Beinen überprüft, dann nochmal ein Röntgenbild von ihnen gemacht. Meine Wunden neu bandagiert und dabei direkt geschaut, ob sie auch verheilen.
Kurz gesagt: es war eine qual...

"Also dann Frau Greendale.. für den Moment haben wir alles überprüft. Keine Wunde hat sich soweit entzündet. Haben Sie denn noch fragen?"
"Wie lange schätzen Sie, wird meine Genesung dauern? Wie schnell kann ich entlassen werden?"
"Das sind sehr schwer zu beantwortende Fragen. Wie lange eine vollständige Genesung dauert, hängt immer von der jeweiligen Person ab. Wenn meine Schätzungen richtig liegen, könnten Sie einschließlich Reha in 7 Monaten genesen sein. Sicher bin ich mir da aber nicht. Wie gesagt, es hängt von der einzelnen Person ab. Entlassen könnten wir Sie frühstens in vielleicht einer Woche. Bis dahin sind einige Wunden verheilt. Natürlich raten wir von einer so frühen Entlassung nach so einem Geschehen ab. Dies sind aber nur grobe theoretische Schätzungen."
Verstehens nicke ich.
"Können wir denn sonst noch was für Sie tun?"
Verneinend schüttel ich den Kopf
"Dann werden wir uns nun zurück ziehen. Wenn irgendwas sein sollte, können Sie gerne den Knopf links neben Ihrem Bett nutzen." Und schon sind er und die Schwestern mitsamt dem leeren Tablett weg.

Endlich Ruhe...

Bis zum nächsten klopfen zum mindest. Ich muss wohl weggetreten sein, denn es klopft wieder an der Tür und eine Krankenschwester mit einem neuen Tablett rein.
"Hier ist Ihr Mittagessen."
Bevor sie verschwinden kann, Frage ich sie nach der Uhrzeit.
"Es ist 13:34"
Ich bedanke mich noch bei ihr und schon ist sie wieder aus der Tür verschwunden.

Wieder schaue ich auf mein Essen. Genau wie vor ein paar Stunden habe ich auch jetzt eine Suppe bekommen. Diesmal liegt jedoch ein Brötchen dabei und zum Nachtisch wurde mir dem Geruch nach zu urteilen eine kleine Schüssel Schokopudding gegeben.

Beim Essen denke ich über das nach, was passiert ist... Meine Eltern bekommen endlich ihre gerechte Strafe. Genau wie Marcel.
Aber wie sieht es mit mir aus? Wäre es nicht besser, wenn ich aus dem Leben all jener verschwinde, denen ich all das leid in den letzten Wochen angetan habe? Keine von ihnen hat es verdient, das mitgemacht zu haben. Und doch sind sie wegen mir in Gefahr geraten.

Sobald mein Körper stark genug ist, werde ich das Krankenhaus verlassen und aus dem Leben aller verschwinden. Dann wird ihr weiteres Leben nicht mehr gefährdet sein.

Ja... So mache ich es.

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