Kapitel 46

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Seit ich im Krankenhaus nach meiner Panikattacke aufgewacht bin, sind nun schon 6 Tage vergangen.
Die meisten Wunden sind Gott sei Dank gut verheilt. Nur eine tiefere Schnittwunde wird eine Narbe hinterlassen, sobald sie verheilt ist.
Meine ersten Gehversuche vor 2 Tagen durfte ich im Wasser üben.
So kann ich meine Beine bewegen, ohne Gewicht auf sie zu stemmen.
Körperlich geht es mir also von Tag zu Tag besser.

Kommen wir nun zu meinen Freunden. Kate, Kai und Tom haben mich in der Zeit 3 Mal besucht. Bei ihrem letzten Besuch habe ich dann erfahren, dass sie ein paar Sitzungen mit Psychologen hatten, um das Geschehene zu verarbeiten. Auch haben sie mir davon erzählt, wie die Medien meine Eltern auseinander genommen haben und dann mehrere „Opfer" ebenfalls hervor traten, um ihre Geschichten über die beiden zu erzählen.
Sobald diese ernsten Themen abgearbeitet waren, redeten wir über meine Fortschritte und belanglose Sachen wie das Wetter. Hin und wieder haben wir auch Spiele gespielt, um die Zeit zu vertreiben. Aber nur leichte, damit auch Kai mitmachen konnte, wie Memory oder „Ich sehe was was du nicht siehst", wobei das immer schnell endete, weil es kaum was in meinem Zimmer gab.

Cole kam mich seit dem Morgen nicht mehr besuchen. Gehört habe ich auch nichts von ihm. Weder von ihm noch sonst jemandem aus seiner Familie. Es ist vielleicht auch besser so. Sie werden mich schon bald komplett vergessen haben. Besonders Jayden. In seinem Alter ist es leicht zu vergessen.

Gestern war die Polizei nochmal bei mir um ein weiteres Mal meine Aussage einzuholen. Warum auch immer und hat mir im Anschluss erzählt, dass meine „Mutter" sich im Gefängnis erhängt haben soll. Andere wären vielleicht traurig und hätten auch geweint, aber ich habe ehrlich gesagt nichts dabei gefühlt. Weder Trauer, noch Freude. Es fühlte sich einfach an, als ob mir gesagt wurde, dass sich eine wildfremde Person das Leben genommen hätte. Das ist, was sie für mich ist. Eine fremde.

Doktor Schmidt und Doktor Nomand haben beide bestätigt, dass ich morgen entlassen werden kann. Zwar im Rollstuhl und mit einem versprechen, dass ich zu meinen Reha Terminen da bin, aber nach dem Frühstück kann ich endlich nach Hause.

Dafür habe ich schon alles vorbereitet. Ich habe Kate gebeten mir ein Handy zu besorgen, damit ich alles regeln kann.
Sie hat mir zum Glück meine wichtigsten Sachen schon vorbei gebracht. Dank des Handy konnte ich einige Anrufe tätigen. Sobald ich morgen entlassen werde, braucht sich also niemand mehr um mich zu sorgen. Es tut zwar weh, aber der Schmerz, sie alle verlassen zu haben wird bestimmt mit der Zeit verfliegen.

Keiner weiß von meiner Entlassung morgen. Und das ist auch gut so. Abschiede fallen mir eben einfach zu schwer. Deswegen werde ich ihnen morgen auch nur eine SMS schicken, in der ich mich für alles bedanke.

Ein klopfen reißt mich aus meinen Gedanken.
"Guten Abend Frau Greendale." Begrüßt mich Doktor Nomand freundlich.
"Guten Abend Herr Nomand. Wie geht es Ihnen? Hat Ihre Schicht gerade erst angefangen?" Lächle ich zurück.
"Mir geht es gut. Danke der Nachfrage. Meine Schicht hat tatsächlich erst kürzlich begonnen. Aber wie geht es denn Ihnen?"
"Mir geht es prima. Besonders weil ich morgen entlassen werden kann. Diese weißen Wände sind einfach nichts für mich."
Verstehend nickt er.
"Das hört sich doch toll an. Was macht das Bein? Schon Fortschritte in der Reha gemacht?"
"Ich weiß nicht, ob man es einen Fortschritt nennen kann, aber ich kann von Tag zu Tag einen Schritt mehr im Wasser gehen."
"Das hört man doch gerne. Und lieber jeden Tag einen Schritt mehr, als es direkt zu überstürzen und den ganzen Heilungsprozess zunichte zu machen. Es sind nicht die großen, sondern kleinen Dinge, die zählen."
Hach jaaaa.... Eine dieser berühmten Ärzte-Weisheiten.... Wer kennt sie nicht?...

"Da haben Sie Recht. Außerdem bin ich ja noch am Anfang meiner Reha."
"Eben."
Er schaut sich noch kurz die Unterlagen an, die an der Wand hängen, überprüft zur Sicherheit nochmal meinen Puls und die Reaktion meiner Beine. Zum Schluss notiert er noch ein paar weitere Sachen in den Unterlagen und dreht sich wieder zu mir um.
"Soooo. Es schaut immer besser aus. Von mir aus können Sie auf jeden Fall morgen entlassen werden. Nach Ihrer Untersuchung morgen früh bei Doktor Schmidt können Sie gerne gehen. natürlich nur, wenn die Werte auch stimmen. Aber ich bin mir ziemlich sicher, dass auch morgen alles in Ordnung sein wird."
"Vielen Dank"
"Dann empfehle ich mich nun. Ich habe noch eine lange Liste an Patienten, die mich gern sehen möchten." Lächelnd verlässt er den Raum.

Tja... Und so vergeht mein letzter Tag, an dem ich in diesem Krankenhaus übernachten muss.

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Am nächsten Morgen bin ich schon früh wach. Gespannt darauf, endlich entlassen zu werden. Gefrühstückt habe ich schon. Jetzt warte ich nur noch auf Doktor Schmidt. Und wie aufs Stichwort kommt er nach einem kurzen klopfen mit einer Krankenschwester zur Tür herein und strahlt mich wie jeden Morgen an.
"Guten Morgen Frau Greendale. Ich hoffe Sie haben gut geschlafen. Wie geht es Ihnen heute."
"Guten Morgen Herr Schmidt. Mir geht es super. Keine Albträume letzte Nacht und ich bin schnell eingeschlafen."
"Dann schauen wir uns das ganze doch Mal an."
Statt zuerst in den Unterlagen nachzuschauen, überprüft er erst einmal meine Verletzungen. Das ist mir vorher schon aufgefallen. Doktor Schmidt schaut erst Mal für sich selbst, bevor er seine Ergebnisse mit denen in den Unterlagen vergleicht. Wohingegen Doktor Nomand es genau anders herum macht. Er schaut erst in die Unterlagen und dann macht er sich selbst ein Bild.

"Nun.... Alles in Ordnung. Die Werte sind im normalen Bereich. Intern ist alles gut verheilt und bis auf die eine Schnittwunde, die fast verheilt ist, gibt es keine offenen Wunden mehr... Die Medikamente gegen Entzündung wurden vorgestern auch eingestellt.... Die Reha scheint auch gut zu laufen... Ich wüsste also nicht, warum wir Sie noch weiter hierbehalten müssen." Grinst er.
"Das sind die mit Abstand besten Nachrichten, die ich in der letzten Woche gehört habe." Auch ich muss grinsen.
"Dann wollen wir Mal die Entlassungspapiere vorbereiten."

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"Machen Sie es gut und denken Sie daran, regelmäßig zur Reha zu gehen." Verabschieden sich Doktor Schmidt und die Rezeptionistin von mir.
"Vielen Dank und auf Wiedersehen." Verabschiede ich mich.

In einem Rollstuhl zu fahren, an den man noch nicht gewohnt ist, ist schwerer als gedacht. Aber machbar.
Zum Glück wartet das zuvor bestellte Taxi schon vor dem Krankenhaus auf mich.
Der Taxifahrer grüßt mich und hilft mir hinein.
Sobald die zuvor vorbereitete SMS an Kate und Tom abgeschickt ist, schalte ich mein Handy aus.

Jetzt heißt es wirklich leb wohl...

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