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Zwei Hände umklammerten ihre und zogen Bri nach oben. Als ihr Kopf die Wasseroberfläche durchbrach, sogen ihre Lungen endlich die kalte Luft ein. Jemand schwamm mit ihr ein paar Meter und zog sie auf ein großes Stück Treibholz. Gemeinsam zogen sie sich soweit hinauf, bis Bri einfach nur dalag und atemlos in die Wolken blickte.

Jemand fluchte laut. „Alles klar, Brisi?"

Bri drehte ihren Kopf. „Henry", wisperte sie. „Du bist gekommen ..."

Er setzte sich auf und beugte sich über sie. „Natürlich bin ich gekommen", sagte er atemlos und legte eine Hand an ihren Kopf. „Alles okay?"

Sie schüttelte schluchzend den Kopf und umklammerte seine Finger. „Nein, nichts ist okay, gar nichts ..."

„Es wird alles gut, Brisi. Komm hoch."

Bri zog sich an ihm hoch, alles schwankte gefährlich. In der Ferne sahen sie Charlie und Biff, die mit Connie auf das kleine Segelschiff zu schwammen. Obwohl hinter ihrer Stirn alles explodierte, drehte Bri ihren Kopf schwungvoll zu der Piratenjägerflotte, die auf sie zusteuerte.

Henry folgte ihrem Blick.

„Du solltest zu ihnen gehen", sagte er leise.

Bri sah ihn an. „Was?", hauchte sie.

„Ich habe einen Fehler gemacht, Brisi." Henry schüttelte verzweifelt den Kopf. „Es tut mir so leid, dass ich ... alles ..." Er sah wieder zu der Flotte. „Geh zurück. Sie werden wissen, was zu tun ist."

Bri starrte ihn an.

Henry legte eine Hand in ihren Nacken und zog sie zu sich. Er drückte für einen Augenblick seine Lippen auf ihre Stirn und murmelte: „Es tut mir so leid, Brisi. Ich hoffe, dass wir uns trotz allem eines Tages wiedersehen." Er ließ sich ins Wasser gleiten und sah sie noch einmal voller Verzweiflung an. Dann schwamm er los.

„H-Henry!"

Bris Blick ging von ihm zurück zu den Piratenjägern. Die Flotte kam näher und näher. Auf einem der Schiffe stand eine junge Frau, ganz vorne am Bug, und winkte ihr mit beiden Armen zu. Bris Atem beschleunigte sich. Die Piratenjägerin war unverwechselbar Bris Schwester Mia.

Bri stand zittrig auf und blickte ihr entgegen.

„Es tut mir leid, Mia", hauchte sie und sprang von dem Treibholz zurück ins eiskalte Wasser.

Sie schluckte Salzwasser und hustete, während Bri den Piratenjägern davon schwamm und direkt auf das kleine Segelschiff zusteuerte. Der Schmerz in ihrer gebrochenen Hand flammte bei jeder Bewegung erneut auf. Sie spürte, wie sie die letzten Kräfte endgültig verließen. Panik umklammerte ihre Lungen, doch sie schwamm immer weiter.

In diesem Augenblick wusste sie nur eines: Jetzt, da sie die Bedeutung der Melodie kannte, konnte sie erst Recht nicht zu den Piratenjägern zurück.

Als Bri keine hundert Meter mehr von dem Schiff der Piraten entfernt war, entdeckte Charlie sie und rief etwas. Henry sprang hinunter ins Wasser und kraulte ihr entgegen. Als er sie endlich erreicht hatte, konnte Bri kaum noch ihre kalten Arme bewegen.

Henry sagte etwas, doch Bri hörte es nicht. Das nächste, an das sie sich erinnern konnte, war ein Segelmast, der in ihr Blickfeld geriet. Es war kalt, doch auf eine angenehme Weise. Sie hörte Stimmen, fremde Stimmen, Sara war auch da. Sie weinte leise, sagte immer wieder Felix' Namen ...

Irgendwann wurde es ruhiger. Das Donnern der Bomben und Geschosse war nur noch in weiter Ferne zu hören, bis es gänzlich verstummte.

„Und wenn sie uns doch kriegen?", murmelte Bri.

16521 Band 2: Das Lied, die Königin und die Kinder im MeerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt