Ihr Geständnis

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Die gut dreißig Verwandten und Freunde von Ella Findus, die bereits vorher zum Fest der AVM angereist waren, waren laut, chaotisch und mehr als nur erpicht darauf, Henry und Bri kennenzulernen. So kam es, dass beide am nächsten Morgen beim Frühstück die seltsamsten Fragen über das Leben in Septentrio beantworten mussten.

Zum Beispiel interessierte einen alten Mann sehr, wie das mit den Verhütungsmitteln in Septentrio gehandhabt wurde; ein Zwölfjähriger wollte wissen, ob es in der Piratenjägerschule Abschlussbälle gab; und Tante Trudi legte Bri nahe, es doch lieber nicht in der Politik, sondern als Leihmutter zu versuchen.

Obwohl es Bri gewesen war, die versprochen hatte, sich zurückzuhalten, so war es doch Henry, der sich auf eine solch hitzige Diskussion mit Tante Trudi einließ, dass es eine halbe Stunde brauchte, die beiden voneinander loszukriegen.

„Also los, an den Strand!", sagte Mickie und Maik öffnete die Terrassentür. Henry und Bri erstarrten.

Es regnete. Schon das Geräusch ließ Bri die Nackenhaare zu Berge stehen.

„Ist alles okay?", fragte Maik. Mickie setzte ihren Fuß über die Schwelle.

„Stopp!", rief Bri geschockt.

Mickie sah sie verwirrt an. „Was ist denn – ach ja!" Sie schüttelte lachend den Kopf. „Es ist nur Regen. Der ist hier nicht gefährlich." Sie machte einen Schritt rückwärts und stand somit mitten im Regen. Mickie nahm ihre Kapuze vom Kopf und die Tropfen sammelten sich in ihren Haaren und rannen ihre Stirn hinab. Und Mickies Haut verbrannte nicht.

„Das ist unmöglich", flüsterte Henry und blieb an der Schwelle der großen Tür stehen.

„Henry." Bri wurde ganz schlecht. „Warten wir doch einfach, bis ..." Henry streckte eine Hand aus, ganz langsam. Er zuckte zusammen, als die ersten Tropfen auf seine Haut auftrafen, doch er zog die Hand nicht zurück. Er betrachtete fasziniert, wie das Wasser seine Hand hinablief. Ohne sie sinken zu lassen, drehte er den Kopf zu Bri, deren Herz lauter und lauter klopfte.

„Zwar nicht Supra, aber ... ich glaube, wir haben das Paradies gefunden, Brisi."

Bri atmete schneller, während sie sich zu Henry stellte und ebenfalls einen Arm nach dem Regenschauer ausstreckte. Das Wasser war kühl. Der erwartete Schmerz setzte nicht ein. Es war einfach nur Wasser. Gutes Wasser, das da vom Himmel herabfiel. Bri nahm mehr Mut zusammen, als sie je geglaubt hatte zu haben, und ging einen Schritt nach vorne hinaus in den Regen. Die Tropfen schossen in ihre Haare, liefen ihr Gesicht hinab und sammelten sich in den Narben, die Septentrios Regen ihr zugefügt hatte.

Bri legte den Kopf in den Nacken, schmeckte das reine Wasser in ihren Mundwinkeln und lachte, lachte wie noch nie in ihrem Leben.

„Das ist so seltsam", murmelte Maik nach einer Weile. „Was auch immer ihr genommen habt, gebt mir auch was davon."

Der Regen hörte bald auf und unter einem strahlenden Himmel wurde der Tag wunderschön.

Sie verbrachten den ganzen Freitag mit Maik und Mickie am Strand, badeten, genossen das Meer und die Sonne. Bri fühlte, wie ihr erschöpfter Körper mehr und mehr zum Leben erwachte, aß das frischeste Obst aller Zeiten und trank eine Flasche reines Wasser nach dem anderen. Als sie am Abend wieder in ihre Zimmer gingen, war Bri so glücklich und ausgeglichen wie seit Jahren nicht mehr. Aurora war so wunderschön und die Hoffnung, hier eines Tages vielleicht leben zu können, erfüllte Bri mit nie dagewesener Zuversicht.

Als es bereits dunkel war, klopfte es an ihrer Tür und Maik und Mickie steckten ihre Köpfe ein. „Ey, Briseis, ey, Henry", wisperte Mickie. „Wollt ihr auf eine Party?"

16521 Band 2: Das Lied, die Königin und die Kinder im MeerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt