„Sie wussten, dass wir kommen würden?", fragte Henry, der sich schneller als Bri von dem Schock erholt hatte.
Sie saßen in der Falle.
Henry drehte seinen Kopf zu Bri und nickte kaum merklich. Bris Herz zog sich schmerzhaft zusammen.
Ja, Bri konnte die Bombe zünden und die Insel zerstören – doch das würde Henrys, ihren und nicht zuletzt auch noch Toms Tod bedeuten.
Bri umklammerte mit zittrigen Fingern die kugelrunde Sonne, sie brauchte mehrere Anläufe, bis sie es schaffte, den Zacken hinunterzudrücken.
„Ich hatte es nicht glauben wollen", sagte DeLamere angewidert. „Wie man so niederträchtig und – und lebensmüde sein könnte! Pah, habe ich dem Verteidigungsminister am Telefon gesagt, wir brauchen hier keinen Militärschutz, das habe ich gesagt." Er schmiss die Arme in die Luft. „Und keine zwei Stunden später stehen die hier!"
„Beruhigen Sie sich, DeLamere", sagte einer der Soldaten, der Kapitän dieser Militäreinheit, wie Bri vermutete. „Wir haben ja alles unter Kontrolle."
„Was hat er?", fragte Bri und legte Tom eine Hand auf die Schulter.
DeLamere sah sie wütend an. „Den haben mir die Soldaten mitgebracht. Sollten wir nicht töten, nur blockieren. Er ist vollkommen weggetreten." Plötzlich legte er den Kopf schräg. „Walter Schilling war der Ansicht, ihr würdet meine Zentrale nicht in die Luft jagen, wenn ihr damit den Jungen töten würdet." Er zeigte mit einem Zeigefinger auf Bri und Henry. „Schämen solltet ihr euch! Da oben sitzen siebenundfünfzig der klügsten Menschen dieses Planeten!"
„DeLamere", sagte der Kapitän erneut mit ungeduldiger Höflichkeit und ließ seine Waffe sinken. „Die beiden haben doch gar nicht die Mittel, die Insel zu zerstören."
DeLamere schnaubte und warf die Hände in die Höhe. „Kann ich wieder hoch? An meine Arbeit? Wir wollen in zehn Minuten das Signal senden!"
Der Kapitän seufzte kaum vernehmlich. „Natürlich, DeLamere. Wir kümmern uns um alles."
Der gedrungene Mann sah Bri und Henry noch einmal an. „Schämen!", keifte er ein letztes Mal, dann verschwand er.
Niemand regte sich. Die Soldaten hielten ihre Gewehre mit geschulter Ruhe auf Bris und Henrys Köpfe gerichtet. Der Kapitän nahm seinen Helm ab, er war ein älterer Mann an die sechzig. Er hob ein wenig ruppig die Hand, die Soldaten ließen ihre Gewehre sinken. Der Kapitän kam langsam näher.
„Also schön, Kinder", sagte er. „Ich habe keine Ahnung, was ihr euch dabei gedacht habt, hierherzukommen – ich gebe zu, ich bin überrascht, dass ihr überhaupt reingekommen seid." Der Kapitän der Einheit schüttelte bedauerlich den Kopf. „Aber was habt ihr euch denn dabei gedacht?"
Bri löste sich aus der Starre, die die letzten Sekunden Besitz von ihr ergriffen hatte. „Bitte", brachte sie hervor. „Sie ... sie wollen ein ganzes Land auslöschen."
Der Kapitän hob eine Hand. „Das habt ihr euch selbst zuzuschreiben", sagte er. „Ich muss den Befehl geben, euch zu töten. Tut mir leid."
Ein lautes Schnauben ertönte. „Ach, fick dich doch."
Alle Köpfe schnellten hoch.
An einem der Speicherblöcke lehnte ein junger Mann mit stechendblauen Augen. Bri wollte ihren Augen nicht trauen. „Odenkirk?", fragte sie schockiert.
Der Mann grinste sie an. Dann pfiff er durch die Zähne und gut zwanzig Zivilisten mit Pistolen und Gewehren sprangen hervor und richteten ihre Waffen auf die aurorischen Soldaten.
Odenkirk stieß sich von dem Block ab und schlenderte auf den Kapitän zu. Als Odenkirk direkt vor dem Kapitän stand, sagte er: „Ihr habt meinen Onkel umgebracht." Dann schlug er ihm ins Gesicht.
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16521 Band 2: Das Lied, die Königin und die Kinder im Meer
Teen FictionDer zweite Teil der 16521-Reihe.