Helen Bandowski bewohnte eine große Hütte ganz für sich allein. Der Höhepunkt war das riesige Bett, auf dem sich zehn flauschige Kissen und ein Berg von Decken tummelten. Bri hatte keine Ahnung, wie Helen es immer schaffte, von Menschen als liebevoll, aufopferungsfreudig und bescheiden beschrieben zu werden, aber gleichzeitig immer das Beste vom Besten besaß.
Eine dicke Frau wuselte um Helens Bett. Als die Dame Bri in der Tür bemerkte, stemmte sie die Hände in die Hüften und sah sie mit strengem Blick an. „Ich will keine ungeschickten Helferinnen, die mir auf die Füße treten. Also geh gefälligst zu Adrian Zimmerman und sag ihm, dass ich alles unter Kontrolle –"
„Ich bin Helens Schwester", sagte Bri missfällig.
Die Frau wich kaum merklich zurück und musterte sie mit offenem Mund. „Briseis Bandowski?"
„Nein, Thomas. Kann ich bitte mit meiner Schwester allein sprechen?"
„Bri?", fragte Helen vom Bett aus und setzte sich auf.
Umgehend watschelte die Frau zu ihr und schob sie sanft zurück auf die Kissen. „Liegen bleiben, Fräulein Helen. Sie wissen, was der Arzt sagte."
„Würden Sie uns kurz allein lassen?", bat Helen leise.
Die Frau nickte und verließ die Hütte. „Sollten Sie etwas brauchen, ich bin jederzeit für Sie da", erinnerte sie noch in der Tür. Als sie weg war, stand Bri unschlüssig vor dem Bett. Helen hatte einen rundlichen Bauch, tiefe Ringe unter den Augen und sah einfach nur erschöpft aus.
„Hey", sagte Bri und zwang ein Lächeln auf ihr Gesicht. „Glückwunsch zur Schwangerschaft."
Helen starrte sie an. „Hey?" Sie schüttelte den Kopf, Tränen der Wut sammelten sich in ihren Augenwinkeln. „Du haust ohne ein Wort ab, verschwindest über Monate und das Beste, was dir einfällt ist Hey?"
Bri ließ die Schultern hängen. „Helen, ich hätte nicht hier bleiben können."
Helen setzte sich auf. „Warum nicht? Denkst du wirklich, wir hätten zugelassen, dass dir irgendjemand etwas antut? Dass unsere Freunde dich foltern?"
Bri schwieg, denn die Antwort war ein klares Ja.
„Und dann", fuhr Helen keifend fort, „haben wir auch noch alles in Bewegung gesetzt, um dich von den Südpiraten zu befreien." Sie schüttelte schockiert den Kopf. „Aber du? Du hast dich für Henry – verflucht nochmal – Fitz–Becket entschieden! Bei der Aktion haben wir ein ganzes Schiff samt Mannschaft verloren!"
„Weil ich wusste, dass ich nur so überleben würde", gab Bri in dem gleichen Ton zurück. „Scheiße, Helen, ich hatte seit acht Tagen nicht geschlafen!"
Helen schnaubte. „Erinnerst du dich wenigstens an die Zahlen?"
Bri biss die Zähne zusammen. „Ben hat mir keine Zahlen gesagt", knurrte sie.
„Schwachsinn!" Helens Stimme war beinahe zu einem hysterischen Kreischen angeschwollen. „Bri, du hattest in deinem Leben eine einzige Aufgabe! Wie blöd musst du eigentlich sein, dass du dich nicht an diese scheiß Zahlen erinnerst?"
„Helen", sagte plötzlich jemand hinter ihnen.
Die beiden Schwestern wirbelten herum. Mia Bandowski stand im Türrahmen und sah Helen kopfschüttelnd an. „Das reicht, Helen", sagte sie leise.
Bri erkannte Mia kaum wieder. Sie war nicht mehr so dürr, doch der runde Bauch war weg – Mia war nicht mehr schwanger. Außerdem hatte Mia sich ihre dunklen Locken bis auf einen letzten Zentimeter abgeschnitten.
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16521 Band 2: Das Lied, die Königin und die Kinder im Meer
Teen FictionDer zweite Teil der 16521-Reihe.