Ruhe

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Jemand rüttelte an ihrer Schulter und widerstrebend zog sich Bri aus dem tiefsten Schlaf zurück, den sie je hatte schlafen dürfen. Als sie die Augen aufmachte, sah sie die Piraten und Charlie auf ihrem Bett sitzen. Henry lehnte an der Wand neben einer weißen Tür.

„Gut geschlafen?", fragte Biff und grinste.

Sie brauchte ein paar Sekunden, bis sie ihre Gedanken wenigstens halbwegs ordnen konnte. „Wie lange –" Bri räusperte sich. „Wie lange habe ich geschlafen?"

„Beinahe vierundzwanzig Stunden", sagte eine alte Frau auf der anderen Seite des Bettes, die Bri nicht bemerkt hatte.

„Klingt irgendwie nicht fair", murmelte Bri und wollte sich durchs Gesicht reiben. Doch in ihren Händen steckten allerhand Schläuche und Nadeln, selbst unterhalb ihres Schlüsselbeins ging ein riesiger Schlauch in ihre Haut. Ihre gebrochenen Finger sowie das Handgelenk waren gerichtet und geschient. Bris Atem beschleunigte sich.

„Ganz ruhig", sagte Sara und hielt Bris Hand fest, als sie die Schläuche rausziehen wollte. „Du brauchst das, glaub mir."

„Wie fühlst du dich?", fragte die alte Frau.

„Wer sind Sie?", fragte Bri.

„Rita Djavadi", stellte sich die Frau vor. Sie musterte Bri. „Du hast wirklich Glück gehabt. Die meisten überleben eine Schlaffolter bei den Südpiraten nicht." Dann sah sie Henry an. „Ich konnte Ross und Estelle davon überzeugen, dass sie Briseis erst morgen treffen werden."

Henry lächelte kurz. „Danke."

„Sie soll sich wirklich noch ausruhen." Die Frau wies auf ein Glas Wasser neben Bris Bett. „Du musst viel trinken, ja?" Dann verschwand sie.

„Was? Wo sind wir?", fragte Bri.

Charlie und die Piraten wechselten ein paar Blicke.

„Bri ... versprich, dass du nicht ausrastest", murmelte Charlie.

Bri hob die Augenbrauen. „Das kann ich nun wirklich nicht versprechen."

Sara seufzte. „Hast du mal von ... den Kleinen Königen gehört, Briseis?"

Bri zog die Augenbrauen zusammen. „Diese Geschwister, die den Aufstand der Zwischenstädter anführen?"

Sara nickte. „Wir sind in ihrem Versteck. In einem großen Bunker tief unter der Erde."

Bris Blick wanderte zu Henry. Die Kleinen Könige hatten vor ein paar Jahren eine Allianz mit den Nordpiraten gebildet. Was bedeutete ... „Du hast mich zu Nordpiraten gebracht?", brachte Bri hervor.

„Es sind Verbündete der Nordpiraten", verbesserte Charlie behutsam.

Auch Sara schüttelte hastig den Kopf. „Abgesehen von Ross und Estelle hat niemand irgendeine Ahnung, wer wir sind. Und sie vergöttern Henry – warum auch immer ... Wir können ihnen vertrauen."

Bri sah Charlie an. Er nickte kaum merklich, doch Bri war nicht beruhigt.

Die Kleinen Könige – es war nicht klar, ob die beiden sich den Spitznamen selbst gegeben hatten oder die Städter, die einfach allem gern Spitznamen gaben – hatten im Laufe der letzten zehn Jahre immer mehr Zwischenstädter um sich gesammelt, um sich den Ausbeutungen der Städter zu widersetzen. Ihre Leute lauerten in Wäldern Lastwagen und Piratenjägerkolonnen auf und raubten alles weg, was nicht am Boden festgenagelt war. Vor drei Jahren hatten sie sich mit Levi Fitz–Becket und seinen Nordpiraten verbündet. Also nein, Bri konnte nicht beruhigt sein. Denn sie war nicht in Sicherheit – sie hatte es nur von den Süd- zu den Nordpiraten geschafft.

„Wie geht es Connie?", fragte Bri und setzte sich langsam auf. Alles schmerzte. „Hat sie überlebt?"

„Sie kommt durch", sagte Charlie und schob seine Brille höher auf die Nase. „Aber sie hatte einen Herzinfarkt und wird wohl einen irreparablen Herzfehler behalten."

16521 Band 2: Das Lied, die Königin und die Kinder im MeerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt