Am Rand vom Meernichts

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Fürs Erste fanden sie ein Schiff, dass sie nicht klauen mussten. In dem kleinen Hafen der Stadt Yankee fanden die drei Piraten, Charlie, Connie und Briseis ein großes Segelschiff, welches sie von einem Haufen Piraten geschenkt bekamen. Es schien doch nützlich, mit Levi Fitz–Beckets Sohn befreundet zu sein – einer von ihnen kannte Henry und Sara und in einer Viertelstunde standen alle am Steg, an dessen Ende sich die Unsinkbar II befand.

Die sechs verschwendeten keine Minute der kostbaren Zeit, kauften am Hafen einen Haufen Lebensmittel, literweise Wasser und betraten das Deck.

Somit begannen für Bri, Charlie und Connie die schlimmsten drei Tage, die sie je erlebt hatten. Erstmal hatten sie keine Ahnung vom Segeln. Bri hatte es in der Theorie in der Piratenjägerschule gelernt, aber die Praxis war so kompliziert, so voller Seile, Knoten und verschiedener Namen, die sich zugerufen wurden, dass ihr theoretisches Wissen wenig brachte. Charlie war vielleicht schlau, aber todesungeschickt. Er tat so, als sei das Navigieren plötzlich ungeheuer schwierig und wichtig und hielt sich gänzlich aus dem Handwerklichen raus. Genau wie Connie, der plötzlich ihr Herzfehler wieder einfiel.

Doch das schlimmste war, dass sie alle drei nach wenigen Stunden seekrank wurden. Die Küste Septentrios verschwand in der Ferne, die Übelkeit kam.

„Ich will kotzen", beschloss Connie, als sie zu dritt an der Reling saßen und auf die Wellen starrten. Mit jeder Welle wurde das Ganze schlimmer und Bri fragte sich, ob sie genauso weiß im Gesicht war wie ihre beiden Freunde. „Es soll einfach raus."

Bri nickte und lehnte ihre Stirn ans kühle Metall der Reling.

„Brisi, dass die beiden seekrank werden kann ich nachvollziehen", sagte Henry auf einmal und setzte sich neben sie. „Aber du bist beruflich eine Piratenjägerin, Schätzchen. Und du wirst seekrank."

Sie sah ihn nicht an. „Halt die Klappe."

„Willst du nachher überhaupt was essen, oder sollen wir es gleich über Bord werfen?", fuhr er fort.

„Ich werde dir gleich eine reinhauen, Henry."

Sara setzte sich neben Charlie und legte eine Hand auf seinen Arm. „Hatte ich auch als ich klein war. Und Henry auch", fügte sie hinzu.

Das ist eine Lüge", sagte Henry ernst mit erhobenem Zeigefinger.

„Fixier' mit deinen Augen den Horizont", überging Sara seine Bemerkung und Charlie hob langsam den Kopf. „Und jetzt den Blick schön auf dem Horizont lassen, dann wird's schnell besser."

Charlie schien weniger der Horizont als Sara zu interessieren. „Wusstest ihr, dass es auch die Landkrankheit gibt?", fragte Charlie. „Wenn Seeleute zu lange auf See waren, wird ihr Gleichgewichtssinn beim Landgang ..."

„Biff und ich hatten sie", nickte Henry.

„Hatten sie nicht", verneinte Sara sofort lachend.

„Und warum war uns eine Woche lang schlecht?"

„Weil ihr da eure Vorliebe für schlechten Rotwein entdeckt habt?"

„Du glaubst ihr doch kein Wort, oder Brisi?", fragte Henry.

„Ich wüsste nichts, was mir zurzeit egaler wäre ...", murmelte sie. „Obwohl Landkrankheit noch peinlicher klingt als seekrank zu sein." Er lächelte und Bri lehnte sich gegen ihn. „Segeln wir denn noch in die richtige Richtung?", fragte Bri, um sich irgendwie von dieser Übelkeit abzulenken.

„Keine Ahnung, ist mir egal und weiß ich nicht", murmelte Charlie, der den Horizont mit seinen großen, bebrillten Augen fixierte.

„Na großartig."

16521 Band 2: Das Lied, die Königin und die Kinder im MeerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt