Jetzt war Bri sich sicher, es Charlie nachtun und sich übergeben zu müssen. Ein Messerstich ins Bein war nichts gegen das erdrückende Gefühl, das sich in diesem Moment in ihr breitmachte.
Henry sah sie geradheraus an – und zum ersten Mal seit ihrer letzten Begegnung dachte Bri nicht an sein hasserfülltes Gesicht. Was sie jetzt sah, war tausendmal schlimmer. Gleichgültigkeit.
Gut, und eine Menge Abscheu, aber eben diese Gleichgültigkeit in seinem Blick war es, die Bri das Blut in den Adern gefrieren ließ. Sie hatte gehofft, Henry würde sich genauso fühlen wie sie. Dass der Verlust des anderen für beide schrecklich war. Doch da hatte sie sich augenscheinlich getäuscht – und jeder Hass der Welt wäre ihr lieber gewesen als das hier.
Henry wandte sich zuerst ab. Bri spürte den Boden unter sich wanken und richtete den Blick auf die Dielen vor sich.
„Hier ist der Deal, Bandowski", sagte Biff und ließ Charlie los. Bri sah nicht auf. „Wir werden gemeinsam nach diesen mysteriösen Zahlen in deinem Kopf suchen."
Sie hob langsam den Blick. Ihre Worte klangen zittrig und schwach, als sie sagte: „Warum sollte ich sie ausgerechnet euch sagen?"
Alle drei Piraten richteten ihre Augen auf Henry, der am Fenster stand. „Du wirst sie uns sagen. Keine Sorge", sagte Biff.
„Das Ende der Reise werde ich dann wohl nicht erleben", schlussfolgerte Bri nach einiger Zeit tonlos.
„Wer weiß."
„Aber ihr braucht uns", sagte Felix. „Denn wir wissen, wo wir anfangen müssen zu suchen." Bri und Charlie tauschten einen schnellen Blick.
„Was meint ihr?", fragte Charlie vorsichtig.
Biff durchtrennte ihre Fesseln und steckte anschließend das Messer weg. „Wir müssen deinem Vater einen kleinen Besuch abstatten, Bandowski."
„Mein Vater ist tot", sagte Bri instinktiv.
Felix schüttelte den Kopf. „Nein. Ist er nicht."
Sie schnaubte. „Glaub mir."
„Glaub uns", erwiderte er.
Sie zog die Augenbrauen zusammen. „Und wo sollte der Drecksack sein?"
„Ihr kommt mit uns?"
„Was wird aus Charlie?"
„Hat er die Bomben erfunden?", fragte Sara.
„Sieh ihn dir an, natürlich hat er die erfunden", sagte Biff.
„Das wäre bestimmt nützlich", erwiderte Sara schulterzuckend.
„Also?", fragte Felix.
„Was soll das, die haben eh keine Wahl", grinste Biff.
„Ich will mit Charlie allein reden", sagte Bri.
„Nein", sagte Biff, während Felix im gleichen Moment sagte: „Ja, klar."
Bri stand auf und zog den nach wie vor geschockten Charlie hoch. „Hey", sagte Biff und warf Sara die kleine Bombe zu, als Bri und Charlie im Türrahmen standen und sich noch einmal umdrehten. „Probieren wir währenddessen die Bomben aus."
Bri zuckte die Schultern. „Wenn du dir das Gesicht wegsprengst würde das viele Probleme lösen. Also nur zu."
Bri zog Charlie humpelnd in die Küche und schloss die kaputte Tür. Sie lehnte sich dagegen und legte die Hand an die Stirn. „Verdammt, verdammt – nein!"
„Du blutest", sagte Charlie und zeigte auf ihr Bein. „Ist das ekelig –"
„Charlie", bat Bri. „Konzentrier dich, okay?"
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16521 Band 2: Das Lied, die Königin und die Kinder im Meer
Teen FictionDer zweite Teil der 16521-Reihe.