Imo

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Bri saß gefesselt in dem gleichen Zelt wie bei ihrer Ankunft vor zwei Tagen, doch diesmal hatte Soto es sich nicht nehmen lassen, ihr Handschellen anlegen zu lassen und sie zu knebeln. Niemand kam, um sie zu sehen. Weder Augustin Bandowski, noch ihre Schwestern.

Was mit Mona, Teddy und Charlie geschehen war, wusste Bri nicht. Sie wusste nur, dass sie in wenigen Stunden sterben würde.

Wie hatten sie bloß so unvorsichtig sein können? Das Ziel war direkt vor ihrer Nase gewesen und das hatte Bri leichtsinnig gemacht. Wer sollte nun die Piratenjäger davon überzeugen, sich gegen die Aurorer zu verbünden, wenn nicht sie? Wer konnte ihnen von der Versklavung durch Amabel berichten, wenn nicht die Person, die sie befreit hatte?

Als der Morgen anbrach, hatte Bri kein Auge zugetan. Draußen im Lager erwachten die Städter, ein lautes Gemurmel erhob sich, sie versammelten sich zur Hinrichtung des Zahlenmädchens, wusste Bri. Soto hatte es ihr erzählt: Noch bevor der heutige Tag zur Neige gehen würde, wäre Bri tot. Sie würde am Galgen baumeln wie eine dreckige Piratin – ihr wurde nicht einmal die Hinrichtung durch einen Kopfschuss zuteil.

Bri kniff die Augen zusammen. Henry, flehte sie in Gedanken. Tu etwas, irgendetwas. Aber beeil dich.

Jemand betrat das Zelt. Es waren Adrian Zimmerman, Stina Soto und Augustin Bandowski, wie immer begleitet von einer Schar Soldaten.

Bri sah zu den Präsidenten hoch, sah ihren einstigen Vater an. Adrian kam langsam zu Bri und zog ihr den Knebel aus dem Mund, sie spuckte auf den Boden und musste husten.

„Bitte hört mir zu", brachte sie verzweifelt hervor. „Es ist nicht so, wie ihr denkt!"

„Dann hast du dich also nicht mit Piraten getroffen, unter denen auch Henry Fitz–Becket selbst war?", fragte Adrian leise.

Bri holte tief Luft. „Doch, aber –"

Augustin Bandowski trat genau vor sie, ergriff auf einmal ihren Arm und zog sie hoch. Er blickte sie an, seine Augen ruhig und doch so voller Zorn und Hass.

Dann schlug er ihr ins Gesicht.

Bri hielt geschockt ihre Wange, als er ein zweites Mal zuschlug. Augustin Bandowski krallte seine Hände in ihre Oberarme. „Das war also dein Plan?", schrie er und schüttelte sie. „Dich den Piraten anzuschließen, um deine kleine Romanze mit diesem Piraten aufrechtzuerhalten?" Bri war zu schockiert, um auch nur ein Wort herauszubringen. „Diese Menschen haben meine Tochter umgebracht!", brüllte er.

Bri schüttelte verzweifelt den Kopf. „Nein, haben sie nicht –"

Es war wohl das mit Abstand schlimmste, was sie in diesem Moment hätte sagen können. Augustin Bandowskis Gesicht färbte sich dunkelrot. An seiner Stirn traten Venen hervor, die bedrohlich zu pochen anfingen. Doch anstatt eines noch schlimmeren Wutausbruches ließ Augustin Bandowski sie los. „Bringt sie raus", brachte er hervor und bevor Bri noch ein Wort sagen konnte, verließ er das Zelt.

„Adrian, bitte!", flehte Bri den jungen Präsidenten an, der sie noch immer bitter ansah. Warmes Blut lief ihr Kinn hinab und tropfte auf den Boden. „Ich brauche nur zehn Minuten, dann kann ich es alles erklären! Verschaff mir etwas Zeit, Adrian! Du schuldest es mir!" Ihre Stimme überschlug sich in Hysterie.

Adrian fuhr sich über die Augen. „Es tut mir leid, Briseis."

Bri starrte ihn an. „Was ist mit Charlie und den Lovells?"

„Sie wurden angeklagt, genau wie du", sagte er tonlos. „Aber deine Hinrichtung hat Vorrang."

„Adrian –"

„Es tut mir leid." Er nickte den Piratenjägern zu und folgte Soto und Augustin hinaus.

Bevor Bri wusste, wie ihr geschah, knebelten die Piratenjäger sie wieder mit dem alten Lappen und zerrten sie hinaus aus dem Zelt.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Jan 14, 2023 ⏰

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16521 Band 2: Das Lied, die Königin und die Kinder im MeerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt