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Bri war in den erstbesten leeren Raum geflohen, den sie hatte finden können. Bis auf ein altes Klavier an der Wand war er leer. Bri hatte keine Ahnung, wie man Klavier spielte. Ihre Schwestern waren darin immer gut gewesen, besonders Mia hatte über die Jahre an Selmas und Fritz' Hof ein erstaunliches Talent entwickelt. Bri hingegen war es immer nur wie nicht notwendiger Lärm vorgekommen. Besonders in einem Haus, in dem viel zu viele Menschen lebten.

Heute drückte sie einfach immer wieder die gleiche Taste und versuchte, irgendwie an nichts zu denken. Doch auch darin war sie nicht sonderlich gut.

Augustin Bandowski war zurück. Ihr Vater tauchte wieder auf, einfach so, nachdem er seine jüngste Tochter damals verlassen hatte. Nachdem er sie allein gelassen hatte und nicht zurückgekehrt war, wie er es bei ihrem Abschied versprochen hatte.

Bri hatte ihrem Vater nie sonderlich viel abgewinnen können. Einst musste er ein großer Piratenjäger gewesen sein, kein Zweifel. Doch der Mann, den sie kannte, war in ihren Augen nichts weiter als ein griesgrämiger Säufer, der sich vom Leben betrogen fühlte. Wie diese Person Präsident werden konnte war Bri durchaus schleierhaft. Trotz allem war er ihr Vater. Sie wollte zurück, ihm die Melodie vorsingen, damit er endlich einen Grund hatte, stolz auf seine Tochter zu sein. Andererseits wollte sie ihm nicht diese Genugtuung geben. Sie wollte den Piratenjägern nicht die Zahlen sagen. Diesen Menschen, die sie ausgenutzt hatten und ihr Henry und die Schulz' genommen hatten.

„Du hast mir gar nicht erzählt, dass du so eine virtuose Pianistin bist."

Bri drehte sich zu Connie um, die in der Tür stand. Das Mädchen hatte dunkle Schatten unter den Augen, aber sie lächelte.

Bri konnte nicht anders, als es zu erwidern. Sie mochte Connie. Ohne die ehemalige Südpiratin hätte sie während der Schlaffolter den Verstand verloren, da war sie sich sicher. „Ich will gar nicht wissen, was ich dir alles erzählt habe."

Connie setzte sich träge auf den Stuhl neben dem Klavier. „Ich versuche, das Ganze positiv zu sehen: Meine Flucht war extrem umständlich, aber ich bin raus." Das Lächeln wurde eine Spur gezwungener.

Bri konnte es ihrer neuen Freundin nachfühlen. Wann immer sie an den weißen Raum und die schmerzhafte Schlaflosigkeit dachte, überkam sie eine Angst, wie sie sie bisher nicht gekannt hatte.

„Was wird jetzt aus dir?", sagte Bri, um das Thema zu wechseln.

Connie zuckte die Schultern. „Deine Freunde sagen, ich könnte mit nach Echo. Das mache ich vermutlich."

Bri nickte. „Auch wenn das nicht meine Freunde sind", murmelte sie.

Connie hob die Augenbrauen. „Was denn sonst? Sie haben ihr Leben aufs Spiel gesetzt, um dich aus einer der bestgesichertsten Festungen dieser Richtung zu befreien, Briseis."

„Jaa ..." Bri schluckte schwer. „Aber auch nur, weil sie Angst um die Koordinaten in meinem Kopf haben."

„Aber du warst doch mit Henry befreundet, oder nicht?", erinnerte Connie sich. Plötzlich grinste sie. „Schon witzig, euch plötzlich alle persönlich zu kennen. Sonst hat man immer nur so Gerüchte gehört, aber jetzt ..." Sie lachte. „Jetzt kann ich sagen, von Robin Fitz–Becket gerettet worden zu sein; Briseis Bandowskis dunkelste Geheimnisse zu kennen und von Henry und seinen berühmten Ziehgeschwistern befreit worden zu sein." Sie stützte das Kinn auf ihre Hand. „Ich werde damit so angeben, das kannst du mir glauben."

Bri lächelte. „Sehr gut."

Connie sah sie mit gerunzelter Stirn an. „Warum so traurig?"

Bri sah auf die Klaviertastatur hinunter. „Ich ... ich kann es dir wirklich nicht sagen."

16521 Band 2: Das Lied, die Königin und die Kinder im MeerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt