Kapitel 31 | Thomas

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Kapitel 31 | Thomas

Der Vormittag war praktisch der Inbegriff dessen, was Thomas sich immer für sein Leben gewünscht hatte

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Der Vormittag war praktisch der Inbegriff dessen, was Thomas sich immer für sein Leben gewünscht hatte. Es war verrückt, aber in diesen wenigen Stunden, die er nun mit Michael verbracht gewesen war, hatte es sich angefühlt, als wäre er der Richtige. Als würden Micha und er sich bereits seit Jahren kennen. Und für einen erschreckenden Moment wurde Tom sich darüber bewusst, dass er das nie wieder missen wollte. Dass jeder Mensch in seinem Leben sich ab sofort an diesen wenigen Stunden messen lassen musste.

Erschrocken über die Intensität der Gefühle, die er für Michael jetzt bereits empfand, trat der Musiker an den Schrank und holte einen seiner Konzertfracks mit weißem Hemd und schwarzer Hose hervor. Mit geübten Griffen schloss er das Hemd und die Jacke, nachdem er seine polierten Schuhe angezogen hatte. Die Haare mit etwas Wachs zähmend, betrachtete er sich in Spiegel und musste über sein unaufhörliches Grinsen selber lachen.

„Alter ... Wenn dich jemand so sieht, hält er dich für völlig durchgeknallt", glucksend hörte er, wie es an seiner Tür klopfte. „Komm rein." Lachend drehte er sich um und spürte, wie sein Mund im selben Moment ziemlich trocken wurde. Der Anzug stand Michael einfach unglaublich gut. Das Grün spiegelte seine Augen wider und betonte die leichte Bräune seiner Haut auf vorzügliche Weise. Mit einem Lächeln trat er auf seinen Geliebten zu und strich ihm das Revers glatt, während er ihm in die Augen sah. „Ich hoffe, du hast einen Waffenschein, mein Lieber." „Hm? Wieso?" „Dieser Anzug ist eine Waffe. Ich hoffe, das ist dir klar." Michael lachte augenrollend, doch Tom bemerkte sehr wohl, dass sich die Wangen seines Gegenübers leicht rötlich färbten.

„Mister Jenkins." Da war er ja wieder, der übereifrige junge Mann von der Premiere. „Guten Abend", nickte er ihm entgegen und stellte Michael mit einem kurzen, unsicheren Blick auf ihn als seinen Partner vor. Als die grünen Augen leicht feucht zu funkeln begannen, wusste Thomas, dass es wohl die richtige Entscheidung gewesen war.

Mit einem irritierten Blick schaute der junge Mann zwischen den beiden hin und her, und wenn Tom sich nicht täuschte, war da auch ein sehr enttäuschter Funke in diesem jetzt etwas versteiften Lächeln. „Benötigen Sie noch etwas? Warme Tücher oder Wasser?" „Wie beim letzten Mal. Es ist furchtbar lieb, aber ich bin wunschlos glücklich. Alles, was ich vor dem Konzert benötige, ist etwas stilles Wasser." „Ich werde es mir merken, Sir." Damit wurde die Tür zur Garderobe geschlossen und Tom deutete Michael an, dass er gerne mit zum Einspielen kommen könnte.

„Der Flügel spielt sich meistens als Erstes ein, aber es kann sein, dass bereits ein paar andere Musiker vom Ensemble da sind." „Störe ich da nicht?" Abwinkend schüttelte Tom den Kopf. „Eher nicht. Manchmal machen die Theater sogar Führungen hinter die Kulissen, sodass Interessierte uns Fragen stellen und zuhören können." Ein leises „Na dann ..." murmelnd ließ sich Micha von Tom in den Konzertsaal führen und nahm in der ersten Reihe Platz.

Mit einem modernen Mix aus Klassik und Rock begann Tom sich auf dem Konzertflügel einzuspielen. Und bereits nach ein paar Minuten bemerkte er, dass ein paar Noten komplett verzogen waren. Er winkte den Orchestermeister zu sich und ließ den Flügelstimmer kommen, während er sich neben Micha setzte. „Das dauert jetzt ein paar Minuten. Irgendwer hat da an den Tasten herumgefummelt", brummend rollte der Musiker etwas genervt die Augen. Er hasste es, wenn irgendein Möchtegernspezialist an diesen hochempfindlichen Instrumenten herumwerkelte.

Als der Flügelstimmer begann, zuckte Thomas unwillkürlich zusammen. „D-Moll ... quietscht!", rief er hoch, worauf der Handwerker ihn ansah, als wollte er ihn fressen. „Ist das ihre fachliche Meinung?", gab er ihm zurück, worauf Tom ihm mit einem fast schon gönnerhaften Lächeln antwortete: „Die bescheidene Meinung des Spielmeisters." Der Angesprochene wandte leicht verlegen den Kopf wieder den Tasten zu. Thomas bedachte seinen Freund mit einem schmunzelnden Blick und legte seinen Kopf auf dessen Schulter ab.

„Gehen wir nach dem Konzert noch etwas trinken? Ich weiß nicht, vielleicht in eine Bar oder so was." „Gern, aber ich muss morgen arbeiten." „Ich richte mich nach dir." Er küsste Michael kurz auf die Wange, als der Stimmmeister offensichtlich sein Werk beendet hatte und betrat erneut die Bühne. Dieses Mal war er wesentlich zufriedener.

Das Konzert war ebenso erfolgreich wie die Premiere. Und wie bei der Premiere war Tom glücklich, Michaels Augen aus der ersten Reihe auf sich zu spüren. Immer wieder warf er ihm einen unauffälligen Blick zu und konnte nicht anders, als breit zu grinsen, als er sah, wie Micha zum Schluss aufsprang und begeistert applaudierte. Eine Verbeugung genau in seine Richtung lenkend, zwinkerte er ihm zu, als er sich zur Mitte wandte und dort die Bewegung erneut wiederholte. Zum ersten Mal wirklich glücklich in seinem Leben, ließ er den Applaus auf sich wirken und faltete dann die Hände, um von der Bühne zu gehen und sich schnellstmöglich mit Michael am Nebeneingang zu treffen.

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