Kapitel 03 | Thomas

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Kapitel 03 | Thomas

Die erste Nacht im neuen Heim

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Die erste Nacht im neuen Heim. Seine Großmutter hatte immer gesagt, der erste Traum in den neuen Wänden würde in Erfüllung gehen. Unter normalen Umständen wahrscheinlich ein sehr harmloser, vielleicht sogar beruhigender Spruch. Nicht jedoch für jemanden, der seit einiger Zeit unter Alpträumen litt. Um genau zu sein, seit ein Verrückter Tom überfallen hatte.

Noch so ein Grund, warum er London liebend gern den Rücken gekehrt hatte. Da gab es definitiv zu viele Stalker und kranke Wichser, die glaubten, ein „Nett, dich kennenzulernen" wäre gleich ein „Gehen wir vögeln, ich bin willig". Die breite Narbe über seiner linken Brust, die nun von einem rotschimmernden Phoenix kaschiert wurde, würde ihn ewig daran erinnern.

Es war bereits recht spät, als Tom aus der Dusche mit dem extrabreiten Regenduschkopf trat und sich streckte. Hier und da standen noch Kisten herum, aber wenigstens sein Bett war aufgebaut und der Flügel war bereits fertig gestimmt. Liebevoll strich er über die hochglänzende Schellacklackierung und öffnete die Tastenabdeckung.

Eine kurze Fingerübung später lächelte er, als er den satten Klang der Melodie an den Wänden hallen hörte. Ihm gefiel die Akustik so gut, dass er beschloss, sich auf den kleinen Hocker zu setzen und ein kurzes Stück von Chopin zu spielen. Ein Schlaflied, das seine Mutter ihm als Kind immer vorgespielt hatte.

Als er jedoch auf die Uhr sah, zuckte er unweigerlich zusammen. Vielleicht war Mitternacht nicht wirklich die geeignetste Zeit für so etwas. Zumal er es sich mit seinem neuen Nachbar nicht direkt komplett verscherzen wollte. Offensichtlich hatte diesen der Anblick des Instrumentes bei der Anlieferung schon genug schockiert. Wie er wohl auf die beiden Gitarren reagieren würde? Nun, vielleicht sollte er doch noch einmal mit der Firma sprechen, die ihm das Angebot mit den Dämpfungsplatten gemacht hatte. Am Anfang müssten erst mal die Eierkartonplatten reichen, die er bereits zusammengesammelt hatte.

Nachdenklich schritt er nur in Shorts auf den Balkon und genoss die langsam kühler werdende Luft um ihn herum. Ob er alleine lebte? Einen kurzen Blick über die Terrasse werfend, sah er zumindest kein Kinderspielzeug oder eine Hundehütte. Hoffentlich übten er und sein Weibchen nicht zu fleißig.

Mit dem Gedanken und einem dazugehörigen sarkastischen Schmunzeln betrachtete er sein riesengroßes Bett, das im Grunde, neben dem Flügel, den Großteil des Raumes einnahm. Wie es wohl sein würde, wenn man von dort aus, während dem Sex, die Sterne beobachten konnte? Oder danach?

Ein melancholischer Gedanke durchzog seinen Verstand, während er das riesige Dachfenster betrachtete, das direkt über seinem Bett lag. Sex... Das war gefühlt hundert Jahre her! Zumindest, wenn man von so etwas wie einer echten Beziehung ausging. One Night Stands fanden sich immer wieder, ohne große Probleme. Aber war nicht das, was Thomas sich ersehnte.

Immer wieder fragte er sich, ob es sie wirklich nicht da draußen irgendwo für ihn gab, die ehrliche, große Liebe. Dieser „letzte Mann", mit dem er wirklich glücklich sein konnte. Gefunden hatte er ihn zumindest bisher noch nicht. Spätestens dann, wenn Tom ihnen die Wahrheit über den Phoenix auf seiner Brust erzählt hatte, waren viele der vorher ausgesprochenen Liebesschwüre gestorben und die Kerle gerannt, als sei das Feuer des Phoenix hinter ihnen her. Wer blieb schon bei einem emotionalen Krüppel?

Mit einem letzten Seufzen ließ Thomas sich auf das Bett fallen und schloss die Augen. Und, sehr zu seiner Verwunderung, schlief er seit drei Jahren das erste Mal bis zum Sonnenaufgang, ohne ein einziges Mal aufzuwachen, durch.

Am nächsten Morgen, es war gerade mal kurz vor sechs Uhr, beschloss Tom seinem neuen Nachbarn zumindest den Schrecken des Anblicks des Flügels mit ein wenig Freundlichkeit zu nehmen. Er ging zu einem Bäcker, der ganz in der Nähe lag, und kaufe ein noch warmes Brot. Dann kramte er in seinen Umzugskisten nach einer kleinen Schale und füllte sie mit Salz. Ihm war klar, dass man das normalerweise anders herum machte, aber irgendwie... Was war schon normal. Wenn seine Küche fertig war, konnte er seinem Nachbarn ja immer noch frisch gebackene Scones vor die Tür stellen.

Das Brot mit dem Salz vorsichtig auf die Türschwelle des Nachbarn legend, grinste Tom, als er Geräusche aus dem Haus hörte. Offensichtlich auch ein Frühaufsteher.

Auf gute Nachbarschaft

Liebe Grüße, Thomas Jenkins

Er schrieb den Zettel, huschte dann wieder zurück zu seiner Tür und rieb die Hände aneinander. Der Tag konnte seinetwegen gerne starten!

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