Kapitel 12 | Michael
Als er am nächsten Tag erwachte, fühlte er sich schlecht. Sein Auftritt gestern war ihm im Nachhinein echt peinlich. Was musste Tom nun von ihm denken? Nicht, dass er sich in den letzten Tagen nicht schon merkwürdig verhalten hätte. Er hatte einfach Angst, dass ihm das gleiche passieren würde wie mit Frank.
Frank war ein ehemaliger Kollege, in den Michael sich vor drei Jahren verliebt hatte. Und Frank auch in ihn. Aber Frank war verheiratet, mit einer Frau, und hatte zwei Kinder. Somit war Micha nur ein schmutziges Geheimnis gewesen, das in der Öffentlichkeit nichts zu suchen hatte. Lange hatte er gehofft, dass Frank sich irgendwann für ihn entscheiden würde. Aber als seine Frau wieder schwanger wurde, zog die Familie in die Nähe der Eltern von Franks Frau und somit weit weg von Micha. Und ihre Beziehung war Geschichte.
Viele Monate hatte Michael sehr gelitten. Hatte Frank vermisst, aber auch sich selbst Vorwürfe gemacht, wie er hatte so dumm sein können. Er hätte wissen müssen, dass er für Frank nur ein Abenteuer gewesen war. Denn sonst hätte dieser sich sicher mal bei ihm gemeldet und ihm gesagt, dass er ihn auch vermissen würde. Aber nichts. Gar nichts. Er verschwand aus Michas Leben ohne eine Spur zu hinterlassen – außer in seinem Herzen. Um dieses hatte er in der Zeit danach eine Mauer gebaut, um nie wieder verletzt werden zu können. Auch wenn das hieß, allein zu bleiben. Das war immer noch besser, als solch Schmerz und Enttäuschung noch einmal erleben zu müssen.
Und dann kam Tom. Schon als er ihn das erste Mal sah, bröckelte seine Mauer. Er gab sich wirklich Mühe, die Löcher wieder zu stopfen. Aber umso besser er Thomas kennenlernte, umso schwerer wurde dies. Er konnte diese Gefühle aber nicht zulassen, solange er nicht wusste, ob diese überhaupt eine reelle Chance hatten, erwidert zu werden. Und selbst wenn, er hatte sich geschworen, sich nie wieder verstecken und verleugnen zu lassen. Er wollte jemanden an seiner Seite, der zu ihm stand und ihn wirklich wollte – mit allem, was dazu gehörte.
Seine Schicht war lang heute. Viele Notfälle, die vor allem mit den hohen Temperaturen zusammenhingen. „Boah, was ein Tag heute", ächzte Conny. „Hoffentlich geht das nicht den Rest der Woche so weiter." Micha checkte die Wettervorhersage. „Ich muss dich leider enttäuschen. Es bleibt so warm. Aber was hältst du davon, am Samstag rumzukommen? Wir könnten noch Matthias und Claudia einladen und dann grillen und in meinen Pool springen." „Super Idee. Ich frag die beiden, ob sie Zeit haben."
Später im Garten lag Micha auf seiner Liege und las ein Buch, als er Geräusche vom Nachbargrundstück hörte. Ziemlich eindeutige Geräusche. Er versteife sich merklich und wusste nicht, was er tun sollte. Natürlich war ihm klar, dass er eigentlich einfach ins Haus gehen sollte. Aber etwas zog ihn zur Hecke und er schielte darüber. Und er konnte kaum fassen, was er dort geboten bekam.
Das lustverzerrte Gesicht von Tom, welches ihn seit gestern verfolgte. Nur leider war nicht er derjenige, der ihm solch eine Freude bereitete, sondern ein großer, recht grob wirkender Kerl, der Thomas regelrecht das Hirn rausvögelte. Er sollte hier weg, und zwar schnell. Aber er konnte seinen Blick einfach nicht von dem Treiben vor ihm abwenden. Wie von selbst wanderte seine Hand in seine Hose und umfasste sich selbst. Als Tom kam, war es auch um Micha geschehen. Peinlich betreten rannte er in sein Haus, als Thomas ihn direkt ansah. Verdammt, er musste ihn definitiv erkannt haben.
Um runterzukommen und sich abzulenken, ging Michael in seinen Vorgarten und fing an das Unkraut zu beseitigen, was er schon länger vor sich hergeschoben hatte. Rabiat rupfte er die grünen Büschel aus dem Boden, als kurze Zeit später dieser große Typ Toms Auffahrt entlangkam und grüßend die Hand hob. Automatisch grüßte Micha zurück und spürte auf einmal einen Stich, als es ihn wie der Schlag traf. Tom stand tatsächlich auf Männer. Aber er hatte ziemlich offensichtlich einen Freund.
Jetzt musste er sich erst recht von Thomas fernhalten. Ihn bloß nicht noch näher an sich heranlassen. Und die Mauer um sein Herz musste er doppelt so hoch verstärken. Traurig seufzte er und wischte sich eine kleine Träne aus dem Augenwinkel.
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Living Next Door
RomanceAus persönlichen Gründen kehrt Thomas London den Rücken und zieht nach Köln in eine Reihenhaushälfte. Bereits kurz darauf trifft er auf seinen attraktiven, aber anscheinend immer mies gelaunten Nachbarn Michael. Die Missverständnisse häufen sich und...