you're fucked up, so what?

698 41 0
                                    

»Man, wegen dir kleb' ich jetzt voll!« beschwerte sich Mr.Compress lachend.
Magne hatte, als sie versuchte aufzustehen, um auf Klo zu gehen, ihren Drink auf dem jungen Mann verkippt.
»Sorry, Alter. Brauchst du nh Tuch?«
Der andere überlegte kurz, ehe er sich nach hinten gegen den weichen Stoff der Couch lehnte und desinteressiert mit den Achseln zuckte. »Nö, passt schon.«
Er war wohl zu voll, als dass es ihn noch groß juckte.

Die Musik, die Toga vorhin angemacht hatte lief im Hintergrund.
Shigaraki war vermutlich der einzige, der noch halbwegs klar war.
Auch ich spürte mittlerweile deutlich die Wirkung des Alkohols.
Die betäubende Wirkung entspannte und lockerte mich.

»Ey Lemü, interessiert es deine Eltern nicht, wo du bist?« wollte Twice wissen und ich war zu betrunken, als dass es mich noch kümmerte, wie er mich nannte. Es war egal und so schlimm war der Name auch wieder nicht.
Ich zuckte mit den Schultern.
»Meine Mutter denkt ich penn' bei Toga und mein Vater ist tot. Meine Schwester übrigens auch.« Es war das erste mal seit langem, dass ich es ausgesprochen hatte.
Es auszusprechen machte es real. Und real war unheimlich.

»Scheiße. Wie gehts dir damit?« fragte Spinner.
»Nun, ziemlich beschissen.« ich lachte leicht.
»Wie sind sie gestorben?« fragte Shigaraki unverblümt und ich beschloss ohne nachzudenken, ihnen einen Teil von mir anzuvertrauen. Nun, bei meinen Vater musste ich ein kleines Detail auslassen.
»Mein Vater hatte einen Autounfall« einfach und klassisch.

»Und meine Schwester..«
»Eigentlich bin ich Schuld an ihrem Tod. Ich wusste, wie es ihr ging und tat nichts. Sie war so jung und sie...sie trank zu viel. Andauernd war sie betrunken und sie war so kaputt. Und ich las ihr Tagebuch..« ich stockte leicht als ich aufkommende Tränen spürte.
Ich schluckte sie hinunter und fuhr fort.
»Sie schrieb ihre Gedanken auf. Sie schrieb, dass sie nichts mehr fühlte außer Schmerz und dass sie das nicht mehr fühlen wollte. Ich dachte, sie schrieb das nur so. Betrunken Gedanken eben. Ich nahm sie nicht ernst.« erneut kämpfte ich gegen die Tränen.

»Sie ist doch so jung und sie trauert einfach wegen Dad, es wird schon nicht so ernst sein, dachte ich.« ich lachte leise und bitter, um meinen Schmerz zu verstecken.
»Nun, es war ernst. Sie...schluckte so viele Tabletten und trank so viel, dass ihr Körper aufgab. Sie hat nicht mal einen Brief hinterlassen. Bloß dieses Tagebuch mit Seiten voller Schmerz, die ich ignoriert habe.«
Eine einsame Träne lief mir die Wange hinab.

Scheiße, ich war richtig betrunken.

»Ich höre heute noch manchmal den Schrei meiner Mutter, als sie, sie fand. Das war der schlimmste Schrei, den ich je gehört habe. Und ich war Schuld daran. Ich hab sie umgebracht. Meine Ignoranz hat meine kleine Schwester getötet. Ich...« meine Stimme brach und ich schluchzte unweigerlich leise.
Toga, die das alles schon wusste schenkte mir ein kleines, aufmunterndes Lächeln.

»Oh Scheiße, ich hab die Stimmung versaut. Sorry.« murmelte ich und fuhr mir mit dem Ärmel hastig übers Gesicht.
»Es ist nicht deine-« fing Twice an, doch ich unterbrach ihn.
»Doch, es ist meine Schuld. Hätte ich ihr geholfen, würde sie noch leben. Ich war damals nur selbst so fertig, dass ich es nicht schaffte. Ich war so darauf fokussiert nicht selbst wahnsinnig zu werden, dass ich sie völlig vergessen habe. Und jetzt muss ich damit für immer leben, was okay ist, weil ich es verdammt nochmal verdient hab aber..scheiße, ich bin einfach so verdammt kaputt.«

»Ist doch egal.« brummte Dabi.
»Was?« fragte ich verblüfft, so herzlos konnte selbst er nicht sein.
»Dann bist du eben kaputt, na und? Das ist okay, wenn juckts schon? Wir sind alle kaputt und leben trotzdem. Auch Menschen, die komplett am Arsch sind, können leben.«
Shigaraki räusperte sich. »Was er versucht zu sagen ist, wir verurteilen dich nicht und selbst wenn du kaputt bist, ist das okay. Für uns macht das keinen Unterschied.« sagte er.
»Hä, das ist doch genau, was ich gesagt habe!« beschwerte sich Dabi.

»Nee, Alter. Bei dir klang das eher so: Hör auf zu heulen.« lachte Spinner.
»Pff.« machte Lagerfeuer.
»Ich hab verstanden, was du sagen wolltest...danke.« hauchte ich leise.
Dabi sah mich kurz an, ehe er seinen Blick wieder abwandte und "Wie auch immer" brummte.

»War sie dir sehr wichtig?« fragte Mister Compress, was ja wohl die dümmste Frage überhaupt war. Andererseits kannte er uns ja nicht, wusste nicht, wie sehr wir uns liebten.
»Wirkt vermutlich nicht so, wenn man bedenkt, dass ich sie hab sterben lassen, aber ja. Und als sie gestorben ist, da ist nicht nur ein Teil von mir gestorben, sondern ich als ganze Person. Ihr Tod hat mich komplett zerfickt und zu dem gemacht, was ich heute bin.«

»Aber du bist doch wunderbar!« warf Toga ein.
»Wunderbar?« Dabi grinste leicht.
»Sie ist ein Wrack. Was ist daran wundervoll?«
»Sie ist ein guter Mensch!«
»Ach ja?« Er drehte sich zu mir. »Bist du das?«
Ich überlegte kurz. Dieses verdammte Arschloch schaffte es tatsächlich, mich zum nachdenken zu bringen.

Ich ließ meine Schwester sterben und meine Mutter alleine. Ich bin eifersüchtig auf alle Helden und auf alle, die glücklich sind. Ich bin rachsüchtig, impulsiv und eifersüchtig.
Ich bin kein Engel und ein guter Mensch auch nicht unbedingt.
»Nein. Nein, bin ich nicht. Ich bin ja schließlich hier, nicht? Und ich weiß, dass ich Helden töten werde und das ist okay für mich.«
Dabi, mit meiner Antwort scheinbar zufrieden, schmunzelte leicht.

»Siehst du?« sagte er an Toga gewand.
»Mir gefällt sie so kaputt.« bei seinen Worten wurde mir kurz heiß, was sicher am Alkohol lag.
Ich wusste ja, dass er einfach ein sadistischer Penner war, der Menschen lieber leiden als glücklich sah, also natürlich "gefiel" ich ihm.
Mein Schmerz gefiel ihm.
Und obwohl ich all das wusste, war es trotzdem irgendwie schön zu wissen, dass es jemanden gab, dem meine Dunkelheit nichts ausmachte.

Jemanden, der vielleicht verrückter war als ich.
Und dieser Gedanke sorgte seltsamerweise dafür, dass ich mich wohl fühlte.
Dabi, dieser herzlose Verbrecher, sorgte dafür, dass ich mich wohl fühlte.

Meinem Freund konnte ich nie davon erzählen, selbst high oder betrunken nicht, weil ich immer irgendwie wusste, dass er zu normal war, um nicht davon abgeschreckt zu werden.
Er war ein toller Typ, keine Frage, aber ich konnte spüren, dass es zu viel für ihn gewesen wäre. Ich war zu viel für ihn.

»Arschloch.« brummte Toga, stand auf und ließ sich auf meinen Schoß plumpsen.
»Hör nicht auf ihn. Er ist gestört.«
»Ja...aber ich auch.« antwortete ich schulterzuckend.
»Also, wer will noch was trinken?« fragte ich.
Alle, Shigaraki eingeschlossen, hoben die Hand.
Ich lachte. »Alles klar.« und stand auf, um die Drinks vorzubereiten.

Gerade laufen konnte ich nicht mehr aber vorwärts kam ich noch irgendwie.

Ich hatte das Gefühl, dass sich nach meiner Geschichte etwas verändert hatte.
Es schien, als wären alle etwas mehr aufgetaut.
Am Anfang des Abends hatten nur sie Geheimnisse und Geschichten offenbart aber nachdem ich mich ihnen gegenüber so verletzlich gemacht hatte, bekam ich den Eindruck, als würden sie mir nun mehr vertrauen.

Als ich mit den Getränken wiederkam, drehte irgendwer die Musik lauter und die, die noch stehen konnten fingen an zu tanzen.
Als Gruppe, komplett besoffen, tanzten wir so lange wie konnte und keiner schlief an diesem Abend in seinem Bett.

Wir schliefen auf dem Boden, auf der Couch und auch irgendwie halb aufeinander.

Doch so friedlich und unbeschwert war ich seit langem nicht mehr eingeschlafen.

Don't Save Me | Dabi x Reader Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt