Zehn Jahre. Es waren zehn Jahre vergangenen, seitdem sie sich zuletzt gesehen hatten. Sie hatten sich weiterentwickelt, hatten weitergelebt und sich dennoch nie vergessen. Die erste Wochen, Monate und gar Jahre hatten sie unter Trennung voneinander gelitten, hatten sich nacheinander gesehnt. Irgendwann kam der Tag, an dem sie ihr Schicksal akzeptierten und weiterzogen. Sie verliebten sich neu, sie fanden neue Partner und führten mit diesen eine glückliche Beziehung. Trotz dieser neuen Liebe gab es Tage, an denen sie noch an die Vergangenheit dachten und sich wünschten, dass es anders gelaufen wäre. Hätten sie doch nur andere Entscheidungen getroffen, hätten sie doch nur anders gehandelt, hätten sie doch nur nicht so leicht aufgegeben und es darauf geschoben, dass es ebenso sein sollte. Hätten sie nur, haben sie aber nicht. Sie hatten es nicht ernst genommen, hatten darauf vertraut, dass es so kommen sollte, wie es für sie bestimmt war. Hätten sie doch nur gewusst, dass sie ihr Schicksal in den eigenen Händen lag.
Lando hatte Jahre gebraucht um den Verlust zu ertragen, hatte Jahre gebraucht um einem anderen Mann endlich wieder vertrauen zu können. An dem Zeitpunt, an dem er damit am wenigsten gerechnet hatte, hat sich sein ganzes Leben gewendet. Er hatte nie neue Dinge überstützt, doch bei Carlos war alles anders. Der gebürtige Spanier mit Wohnhaft in England war ihm auf der Straße über den Weg gelaufen. Lando hatte ihm noch lange hinterhergeschaut, obwohl er den Mann seiner Träume schon nicht mehr in der Menge erkennen konnte. Er hatte sich seinem Schicksal hingegeben, dass er ihn nie wiedersehen würde und hing seiner Träumerei nach, was hätte sein können. Wäre er diesem Mann doch nur nachgegangen und hätte ihn angesprochen, hätte ihn auf einen Kaffee eingeladen. Doch schon wieder hatte er diese Chance nicht ergriffen und hatte diese Möglichkeit verstreichen lassen. Dieses Mal meinte es das Schicksal gut mit ihm, ein paar Wochen später traf er Carlos in seinem Stammcafe.
Er hatte auf einer Bank gesessen, vor ihm stand eine Tasse mit heißer Schokolade, während er in sein Buch vertieft war und nichts um sich herum wahrnahm. Lando war gerne hier, die Atmosphäre hatte irgendwas magisches an sich. Fasziniert beobachtete er die Menschen, die am Fenster vorbeieilten, weil sie ihrem Leben hinter rannten und dabei aufhörten zu leben. Das Stimmengewirr um ihn herum entspannte ihn, was nur an diesem Ort diese Wirkung auf ihn hatte. Er hatte Carlos nicht kommen gehört, dementsprechend zuckte er zusammen, als der Spanier ihn ansprach. „Das ist ein wirklich gutes Buch.", hatte er zum ersten Mal die Stimme seines zukünftigen Partners vernommen, die einen starken spanischen Akzent hervorhob. Er schreckte auf und schaute seinen Gesprächspartner verständnislos an. Dieser lachte - ein warmes Lachen, welches ein wohlig warmes Gefühl in ihm auslöste - und setzte sich ihm gegenüber auf einen Stuhl. „Es tut mir leid, ich wollte dich nicht so erschrecken.", hatte er sich direkt entschuldigt und dafür gesorgt, dass Lando's Herz doppelt so schnell schlug wie normal. „Das ist schon in Ordnung. Ich war von dem Buch so gefesselt, dass ich dich einfach nicht gehört habe.", erklärte er und lief ein bisschen rot an.
Sie hatten noch viele Stunden zusammen gesessen, hatten sich über Gott und die Welt unterhalten. Keiner wollte so wirklich, dass das Gespräch enden sollte und tauschten Nummern aus. Carlos beobachtete lächelnd, wie Lando das Gebäude verließ und einen Freudensprung machte. Er konnte sich kaum vorstellen, wie glücklich der Brite in diesem Moment war. Diesem spontanen Zusammentreffen folgten noch weitere, geplante Treffen und irgendwann fragte Carlos, ob er sein Freund sein möchte. Über seine Antwort musste Lando nicht weiter nachdenken, seit diesem Tag schritten sie gemeinsam durch das Leben. Ihr erstes Treffen lag nun sieben Jahre zurück, vor drei Jahren folgte die Hochzeit. Lando war sich sicher, dass er seinen Seelenverwandten in Carlos gefunden hatte und doch dachte er an manchen Abenden an George. Er hatte seinem Ehemann nie von seinem Jugendfreund und den Gedanken an ihn erzählt, für ihn war das eine peinliche Intimität. Es war etwas, das ihm gehörte und das er nicht teilen wollte.
George hingegen hatte seine Gedanken an Lando schon nach wenigen Monaten beiseite geschoben. Es war nicht so, als wäre sein Landesmann ihm nicht wichtig gewesen, doch wollte er weiterleben. Zwei Jahre gefüllt mit bedeutungslosen One-Night-Stands und kurzzeitigen Affären folgten, bevor er auf diesen einen Menschen traf, der sein Leben nachhaltig verändern sollte. Aus dem Nichts trat Alex in sein Leben und sorgte dafür, dass sich seine Welt um einhundertachtzig Grad drehte. Er hatte zum ersten Mal seit Jahren das Gefühl, dass er jemanden tatsächlich wertschätzte. In den vergangenen Jahren hatte er sich einen Ruf angeeignet, der Alex nicht unbekannt war und dafür sorgte, dass er sich von ihm fern hielt. Er konnte nicht glauben, dass George dazu in der Lage war zu lieben und hatte ihn lange Zeit zappeln lassen. Doch der Brite hatte sich davon nicht abschrecken lassen, er hatte um seine große Liebe gekämpft. Der Thai-Brite öffnete sich ihm langsam und schenkte ihm immer mehr Vertrauen.
Nach einem Jahr beantwortete Alex die Frage, ob er sein Freund sein wolle, endlich mit einem „Ja.". George kämpfte weiterhin darum zu zeigen, dass er sich wirklich verändert hatte. Ihre Beziehung war geprägt von Höhen und Tiefen, doch sie gaben nicht auf füreinander zu kämpfen. Letztendlich war ihre Liebe zueinander stärker als die Komplikationen, vor einem Jahr folgte die Verlobung. Seitdem planten sie fleißig ihre Trauung, die sie für das kommende Jahr geplant hatten. George ging es ähnlich wie Lando, er konnte an manchen Abenden nicht anders als an die Vergangenheit zu denken. Alex kannte Lando aus Erzählungen, die keine großen Details über ihre Beziehung zueinander offenbarten. Eines Tages würde er seinem zukünftigen Mann davon erzählen, doch hatte er nie den Mut oder den richtigen Moment dafür gefunden.
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„Lando.", kam es ihm fassungslos über die Lippen. Auch sein Landesmann wirkte überrascht. „George.", flüsterte er. Unbeholfen stand sie einander gegenüber, keiner wusste, wie sie sich nun verhalten oder was sie sagen sollten. Keiner hatte damit gerechnet, dass sie sich ausgerechnet beide am gleichen Tag am selben Ort aufhalten würden, während sie mit ihren Partnern Einkäufe tätigten. „Wie geht es dir?", fragte George und empfand es im nächsten Moment komisch, dass sie so miteinander sprachen. „Mittlerweile sehr gut. Und wie geht es dir?", erwiederte er und verspürte ein Schamgefühl. „Auch.", antwortete er simpel und somit erstarb die Konversation erneut.
„Lando?", rief Carlos und er drehte sich zu seinem Mann um.
„George?", erklang auch Alex, der nach seinem Partner rief.Sie teilten ihnen non-verbal mit, dass sie jeden Moment kommen würden und wandten sich einander erneut zu, blickten sich für einen kurzen Moment in die Augen und wussten, dass ihre Geschichte nun endgültig ihr Ende fand.
„Wir waren Freunde, die miteinander gesprochen haben wie Liebhaber und es wirkte so, als wäre es genug gewesen für zwei Jugendliche, die Angst hatten sich ineinander zu verlieben."
Und damit wandten sie sich voneinander ab, liefen zu ihren Partnern und hakten sich bei ihnen unter. „Wer war das?", hielten sich weder Alex noch Carlos mit einer Nachfrage zurück. Beide lächelten verstohlen, sie hatten nun ihren Frieden gefunden. „Jemand, den ich mal kannte." und drückten ihrem Partner einen Kuss auf die Lippen.
Lando und George, George und Lando - dieser Abschnitt gehörte in die Vergangenheit und sie hatten nun ein Ende finden können.
Ende
A/N: Wie versprochen folgt nun die Auflösung aus dem letzten Kapitel: Das handelnde Pärchen war Daniel und Max. Lasst mich doch gerne wissen, ob ihr solche Kapitel in Zukunft noch mehr lesen wollt oder es euch überhaupt nicht gefallen hat.
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𝑺𝒉𝒐𝒓𝒕 𝑺𝒕𝒐𝒓𝒊𝒆𝒔
RomansaVolle Power, nervenzerreißende Action und echte Gefühle: Diese Kurzgeschichten nehmen dich mit auf die wilde Fahrt durch die Welt der Formel 1 - und erzählen dabei von überwiegend homosexuellen Paaren, die nicht nur auf, sondern auch neben der Strec...