Kapitel 11/ Nächtlicher Retter

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Ich renne schwer atmend in den dunkeln Wald

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Ich renne schwer atmend in den dunkeln Wald. Höre viele Stimmen, weit entfernt nach mir rufen. Doch meine Beine tragen mich wie ferngesteuert zu unserem alten Baumhaus. Zu dem Baumhaus, in dem wir Tage und Nächte lang gespielt hatten. Meine Brust zieht sich enger zusammen, meine Lenden schmerzen ziehend und mein Kopf rattert nur so vor Gedanken. Ist sie wirklich dort? Sie?

Ich schrecke auf, sitze kerzengerade in meinem Bett und spüre ein Stechen in meiner Brust. Es fühlt sich an, als würde man ein Messer immer und immer wieder in mein Herz rammen, bis es zerstückelt und nutzlos ist. So, wie ich mich fühle. Denn die Frage, ob ich was hätte tun können, steckt seit Jahren in meinem Kopf. Und sie verschwindet erst, wenn ich high bin.

Ich strample mir verzweifelt die Decke von den Beinen, greife in meinen Nachtschrank und ziehe einen Joint heraus. Ohne auf irgendetwas zu achten, stecke ich ihn zwischen meine Lippen und zünde ihn an, bis er glüht und der gefährliche Rauch in meine Lungen strömt. Wenn man mich fragen würde, wie viele Gramm Gras ich schon geraucht habe, müsste ich vermutlich mit Kilogramm antworten. Doch es ist mir genauso egal, wie der Qualm, der nun in meinem Zimmer steht und den Geruch umso intensiver macht.

Ich steige aus meinem Bett, ziehe mir eine kurze Shorts über die Beine und öffne die Balkontüre, ohne hinauszuschauen. Ich asche den Joint mit meinem bloßen Finger ab, drehe mich um und spüre den Qualm an mir vorbei, nach draußen in die Dunkelheit ziehen. Mein Kopf wirkt wie leer gefegt, als ich das Licht in meinem Zimmer anstelle, einen Edding von meinem Schreibtisch hole und mir eine leere Stelle an meiner bereits mit Worten bestückten Wand suche. Seit knapp einem Jahr schreibe ich oft Worte, Gedichte oder Sätze an meine weißen Wände, die inzwischen mehr schwarzen Edding als weiße Farbe an sich haben. Doch ich liebe es. Als ich eine leere Stelle finde, ziehe ich die Kappe ab und halte den Joint zwischen meinen Lippen, während ich versuche, keine Tränen zu verlieren. Ich muss mich ablenken. Wie versteinert stehe ich vor meiner Wand und schreibe ein neues Wort dran.
Helpless
Dann schreibe ich noch eines.
Damaged
Und dann schreie ich ein Drittes dazu.
Confused

Und gerade, als ich ein viertes Wort an meine Wand schreiben will, knicken meine Knie ein und geben nach. Ich falle auf den harten Boden meines Zimmers, kann mich nirgendwo festhalten und verliere den Joint aus meinem Mund. Ich stöhne leise, bleibe regungslos liegen und atme schwer, bis ich plötzlich etwas brennend heißes an meinem Unterarm spüre. Ich schließe die Augen und reagiere nicht darauf, weil es sich verdammt gut anfühlt. Doch plötzlich höre ich einen kleinen Knall und schnelle Schritte, die näher kommen. Mein Unterarm, der heftig brennt, wird angehoben und von zwei großen Händen wild in alle Richtungen gedreht. Ich höre eine Stimme, die leise flucht und spüre eine andere Hand, die mich an meiner Schulter schüttelt.
Langsam blinzelnd öffne ich schwer meine Augen, erkenne erneut meine Zimmerdecke und spüre Übelkeit in mir aufkommen, weil sich verfickt nochmal alles dreht. Mein Körper wird angehoben und ich werde durch die Luft getragen, während warme Hände mich halten. Doch dann spüre ich wieder etwas Kaltes unter mir, und öffne meine Augen halb. Vor mir erkenne ich volle, kirschrote Lippen und einen scharfen Kiefer. Ich weiß genau, wer es ist, doch meine müden Augen fallen wieder zu. Ich drifte ab, spüre nur noch ein scharfes Brennen an meinem Unterarm und ignoriere es genau so, wie alle anderen Gefühle in mir. Ich bin high. Und es tut verdammt gut.

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Wenn du aufwachst, und dies hier liest, dann habe keine Angst. Du kennst mich.
Ich habe dich versorgt.
Deine Brandwunde, die durch den Joint an deinem Unterarm entstanden ist, habe ich gekühlt, desinfiziert und verbunden, nachdem ich dir eine Creme extra für Brandwunden aufgetragen habe. Wechsle den Verband in täglichen Abständen und gehe zu einem Arzt, wenn es weiterhin anschwillt oder dunkelrot bleibt. Versprich mir in Stille, diesen Schmerz niemals wieder zu genießen. Mehr wünsche ich mir nicht von dir, Nachbarin.

Bad Neighbor | Don't Lose Your HeartWo Geschichten leben. Entdecke jetzt