Kapitel 55/ Gemeinsame Nacht

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Es ist Weihnachten

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Es ist Weihnachten. Der Tag, der neben meinem Geburtstag eigentlich der schönste im ganzen Jahr sein sollte. Doch ist er es nicht. Ich sitze allein im dunklen Wohnzimmer meiner Villa, starre auf den Platz, an dem früher jedes Mal unser Weihnachtsbaum stand und lasse meinen Tränen freien lauf. Dieses Jahr steht hier kein Baum. Keine Kerze flackert und keine Lichterkette erhellt den dunklen Raum, in dem ich allein sitze. Anika ist bei ihrer Familie, Tommy in der Schweiz, mit seiner Familie und Lucian nebenan, mit seiner Familie und glücklichem Gelächter.

Langsam drehe ich den Kopf zur großen Glasfront des Wohnzimmers und starre hinaus in den schneebedeckten Garten, in dem noch der Schneemann von mir Lucian steht. Schneeflocken rieseln wild vom Himmel und werden vom Wind umhergewirbelt. Eine heiße Träne tropft auf meine Hand, die leblos auf meinem Schoß liegt. Und erneut wird mir klar, dass ich allein bin. Cherry antwortet mir nicht mehr und ignoriert seit Wochen meine Nachrichten, und bis heute weiß ich nicht, was mit ihr los ist. In den letzten Schulwochen vor den Ferien hat sie kein einziges Wort mit Tommy und mir gewechselt, nicht einmal einen Blick in unsere Richtung verschwendet. Doch auch Ian, ihr Freund, redet nicht mehr mit seinen Freunden und Lucian, der ebenfalls mal sein Kumpel war. Mittlerweile haben wir unsere kleinen Gruppen gemischt, was heißt, dass es nur noch Tommy, Lucian, Sylvester, Diego und mich gibt. Und das ist fucking traurig.

Als ich kurz die Augen schließe und leise schluchze gibt mein Handy einen Ton von sich, doch gehe ich nicht drauf ein. Stattdessen schalte ich den Flugmodus ein und lege es mit dem Display nach unten auf den Couchtisch, ehe ich aufstehe und in mein Zimmer gehe. Dort ziehe ich mir eine Jeans, einen Pulli von Lucian und eine dicke Jacke an. Stiefel finden sich an meinen Füßen wieder, dann verlasse ich eilig mein Haus und knalle die Tür so fest es geht zu. In meinem Auto schalte ich meine Musik laut und höre dem Liedtext von In the end stumm zu. Kurz schweift mein Blick zu Lucians Haus, dessen Vorgarten mit bunten Lichtern geschmückt ist. Dann gebe ich Gas und höre den Motor meines Audi brummen, ehe ich scharf um die Kurve biege und meine Sorgen versuche hinter mir zu lassen. Gemeinsam mit dem Sonnenuntergang fahre ich zum Stall, in dem Thunder bereits wiehernd auf mich wartet. Ich hole sie aus ihrer Box und umarme ihren starken Hals, während ich mir über mein Gesicht wische.

"Genug geheult Eva.", spreche ich zu mir selbst und kraule meine Stute unter der Mähne, ehe ich beginne sie ausgiebig zu putzen und ihr den Westernsattel auf den Rücken lege. Vorsichtig wie immer trense ich sie auf, gebe ihr eine kleine Belohnung und küsse ihre Stirn, was meine Stute schnaubend begrüßt. Dann lege ich eine Wärmedecke auf den hinteren Teil der Stute und klemme sie fest, ehe ich aufsteige und Thunder automatisch aus dem Stall spaziert. Ich lobe meine Stute und führe sie zu einem Wanderweg, durch den man in den Wald gelingt. 

"Na dann, wollen wir mal..", murmle ich motivierend, trabe Thunder an und erkenne ihre flauschigen Ohren nach hinten klappen, als wir schließlich beginnen zu galoppieren. In eisiger Kälte umgeben von Schnee und Wind bekomme ich endlich den Kopf frei von Gedanken und Ängsten. Wir galoppieren über ein großes Stoppelfeld, vorbei an Gebüschen und Bäumen, bis wir mitten im Wald ankommen. Ich zügle meine Stute und gehe langsam mit ihr zu einem gefrorenen See, vor der eine Bank steht. Es ist die Bank, auf der ich bereits mit Lucian saß, und das erste Mal sein wunderschönes Gesicht sehen durfte. Leicht lächelnd binde ich Thunder fest und springe ab, ehe ich mich auf die kalte Bank setze und die Nässe des Schnees an mir spüre. Es ignorierend starre ich ins Dunkle und mustere eine Schneeflocke, die auf meine Hose fällt und in Sekunden schmilzt, ehe ich mir eine Kippe zwischen die Lippen stecke und sie anzünde. Das Licht des Feuers beleuchtet mein Gesicht für Sekunden warm, dann glüht nur noch die Asche der Zigarette in meinem Mund.
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Bad Neighbor | Don't Lose Your HeartWo Geschichten leben. Entdecke jetzt