Kapitel 107 - Blödes Gewissen

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Raven

Erschöpft lasse ich mich in das weiche Kissen fallen, das so wunderbar nach Jasmin, Moschus und Harry riecht und vergrabe mein Gesicht darin. Mein Blick fällt auf Harry, der, nur mit Jogginghose bekleidet, den Fernseher einschaltet. Ich beobachte das Spiel seiner Muskeln auf dem Rücken, während er nach der Fernbedienung greift und wundere mich mal wieder aufs Neue, wie ich so einen heißen Freund bekommen konnte.

"Normalerweise würde ich jetzt einen sarkastischen Spruch raushauen, darüber, dass du mich anstarrst, aber bei dir stört es mich nicht", sagt er, als auf das große Bett zugeht.

"Ich habe nicht gestarrt", sage ich und spüre die Röte in meinem Kopf.

Natürlich habe ich gestarrt.

Seine Mundwinkel zucken und er zieht sich die Hose aus, krabbelt zu mir unter die Decke. "Was auch immer du sagst, Baby." Er schaltet an einem Schalter, der über uns ist, das Licht aus und das Zimmer wird nur noch von den Farben des Fernsehers beleuchtet.

Ich rutsche näher zu ihm ran und lege meinen Kopf auf seine warme Brust, verknote unsre Beine, um ihm noch näher sein können.

Ich bin unheimlich froh, dass dieser Tag endlich vorbei ist. Tammy's Beerdigung und der Streit mit Scar haben mir den ganzen Nachmittag heftige Kopfschmerzen bereitet. Doch ich bin froh, dass ich anscheinend nicht die Einzige bin, die das Gefühl hat, einiges sei ein wenig leichter, jetzt wo Tammy unter der Erde liegt, denn Harry scheint wieder einigermaßen normal zu sein. Natürlich sehe ich ihn noch oft einfach irgendwo hinstarren und dann weiß ich, wo seine Gedanken sind, doch sein Lächeln ist wieder zurück und das habe ich am Meisten vermisst.

"Wie fühlst du dich heute, Harry?", frage ich ihn leise, während wir beide eine Folge Dr. House schauen.

"Was meinst du?"

Ich lege mein Kinn auf seine Brust, um ihn ansehen zu können. "Ich meine die Sache mit Tammy... Immerhin war heute ihre Beerdigung."

Bei dem Namen Tammy sehe ich kurz einen kleinen Schmerz in seinen Augen aufleuchten.

Er sieht von mir weg, wieder zum Fernseher. "Es geht mir immer noch beschissen, falls du das meinst", sagt er monoton. "Es ist gerade mal elf Tage her, als sie gestorben ist. Relativ kurze Zeit, um jemanden vergessen zu können oder?"

Vor seiner Kälte schrecke ich ein wenig zurück. Ich fühle mich sofort schlecht ihn gefragt zu haben und lege meinen Kopf wieder schuldbewusst auf seine Brust. "Es tut mir Leid, ich wollte nicht - "

"Es tut immer noch weh", unterbricht mich Harry, seine Stimme gebrochener. "Es bringt mich nicht mehr um, doch es tut immer noch weh. Ich denke, dass es jetzt, nach ihrer Beerdigung ein wenig einfacher ist, weil sie... weg ist. Doch sie schwirrt immer noch ständig in meinem Kopf umher."

Als ich ihn leise schniefen höre, sehe ich wieder zu ihm auf und beobachte, wie er sich schnell eine kleine Träne aus dem Augenwinkel wischt.

O, du armer, kleiner Harry...

"Es tut mir Leid", wiederhole ich meine Worte und sehe ihn traurig an. "Ich wollte nicht, dass du weinst."

"Schon okay." Ein kleines Lächeln bildet sich wieder auf seinen Lippen und er sieht mich an. "Ist selbst für mich noch ungewohnt."

Ich lächle ihn leicht an und lege meinen Kopf wieder auf seine Brust. Ich frage mich, wie Harry es schafft trotz alle dem noch zu lächeln. Aber ich denke, das ist einfach Harry, er ist viel zu stark.

"Was, glaubst du, macht Scar gerade?", frage ich, mit dem Blick zum Fernseher.

Nicht mal eine Sekunde später klingelt mein Handy auf dem Nachttisch. Ich seufze, als ich danach greife und nachsehe, wer anruft. "Scar."

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