Kapitel 151 - Ich bin erbärmlich

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Raven

Wie ein Haufen Elend sitze ich auf dem Beifahrersitz in Cates Auto.

Wieso bin ich nur so stur? Wieso musste ich Harry anschreien? Wieso kann ich nicht einmal einsehen, dass er Recht hat?

Es ist zwar nur ein Streit, den Harry und ich haben, doch gerade jetzt ist es noch so viel mehr.

Kann das so weiter gehen? Können wir eine Beziehung in diesem Ausmaß, mit dieser Entfernung aufrechterhalten?

Ich kann mir nicht mehr vorstellen ohne Harry zu leben. Wenn ich mir vorstelle, ich würde ihn verlassen oder er mich, ist da dieser unerträgliche Schmerz in meiner Brust, der mir klar macht, dass ich niemals ohne ihn Leben könnte. O, Gott, kann ich nicht ohne ihn Leben.

Ich will ihn bei mir haben, ständig, jede Sekunde, in der ich atme, doch ich kann nicht. Ich wünschte, ich wüsste die Lösung für unsere Probleme.

Doch was rede ich mir ein? Ich weiß die Lösung unseres Problems.

Ich müsste nach New York ziehen.

„Ist dir kalt?", fragt Cate mich, während ich nur aus dem Fenster starre. „Ich habe eine Jacke auf dem Rücksitz, die kannst du haben."

Ich kann ihr nicht antworten. Der Kloß in meinem Hals ist zu groß.

Sie seufzt. „Rave, bitte rede mit mir. Ich sehe doch, dass du jede Sekunde weinen musst."

Ich muss nicht nur gleich weinen, sondern könnte schreien. Alles in mir schreit nach Harry.

Mit aufeinander gepressten Lippen sehe ich zu Cate, die mich traurig mustert. Und langsam beginnt meine Unterlippe wieder zu zittern. Jetzt kann ich es nicht mehr aufhalten. Wem soll ich auch was vormachen? Ich befinde mich in einer schrecklichen Situation. Mir fliegen plötzlich alle Tatsachen entgegen, die ich ständig hinter mir hergeschliffen habe.

Es ist schwieriger Harrys und meine Beziehung zu führen, als wir dachten.

Und ich weine. Ich weine wie ein kleines Kind, halte mir die Hände vor das Gesicht und schluchze bitterlich. Der Alkohol in meinem Blut macht mich noch viel emotionaler, als ich es sowieso schon bin.

„O, man Rave. Was ist denn passiert? Hat Ben irgendetwas zu dir gesagt? Bitte sag mir schon was los ist", fleht Cate unbeholfen und reibt mir mütterlich über den Rücken.

„Nein", heule ich jämmerlich. „E-Es ist wegen Harry. E-Er –"

„Süße, beruhige dich erstmal, bevor du redest. Atme tief ein und aus."

Ich tue was sie sagt. Ich atme tief ein und wieder aus und versuche mein Schluchzen zu unterdrücken, mein Atem ist zittrig und mein Herz pocht wild. Mit nassen Wangen lehne ich mich in den Sitz zurück und atme immer weiter, immer ruhiger.

„So. Jetzt erzähl mir, was mit Harry ist."

Und sofort muss ich wieder meine Augen zukneifen und den Atem anhalten, um nicht wieder laut aufzuweinen. Allein seinen Namen zu hören, fühlt sich an, wie ein Messerstich. Ich halte es keine Woche mehr ohne ihn aus. Und noch weniger halte ich es aus, mit ihm in so einer Situation zu stecken.

Ich will ihm sagen, wie sehr ich ihn liebe und wie wundervoll er ist, dass er Recht hatte und ich ihn vermisse.

„Okay, ich sage seinen Namen nicht mehr", sagt Cate schnell überfordert. „Wenn du weiter so weinst, muss ich auch gleich weinen!"

Kurz beruhige ich mich wieder, dann sage ich schluchzend: „W-Wir haben uns gestritten."

„O, nein... Wieso?"

„Ben", bekomme ich nur raus.

„Ich verstehe." Cate sieht mich mit geschürzten Lippen kurz an. „Er ist eifersüchtig, nicht wahr?"

Ich nicke nur und spüre wieder eine warme Träne meine Wange hinabfließen.

„Aber ihr seid noch zusammen?"

Wieder nicke ich nur.

Cate atmet hörbar aus. „Eure Situation ist aber auch echt knifflig." Nach kurzem Schweigen und peinigenden Schlurzern meinerseits, sagt sie: „Er fehlt dir wirklich, nicht wahr?"

Ich presse meine Beine noch enger an meine Brust. „Ja", weine ich. „Ich vermisse ihn so sehr, dass es nur weh tut an ihn zu denken."

Sie sagt nichts.

„Und wie ich ihn vermisse", fahre ich mit meinem Gejammere fort. „Jeden Zentimeter von ihm. Sein Lächeln und seine Augen, seine Gott verdammten Augen. Ich will ihn endlich wieder sehen, ihn spüren. Ich bin so erbärmlich."

„Es tut mir Leid, Süße", sagt Cate vorsichtig. „Aber ich weiß nicht, wie ich es schaffe, dich besser fühlen zu lassen. Alles, was ich sagen kann, ist, dass wir alle diese Nächte haben, in denen wir laut weinen und jemanden vermissen. Aber ich bin für dich da, wenn du jemanden brauchst."

Sie hat Recht. Niemand könnte es schaffen mich besser fühlen zu lassen, außer Harry.

Als wir in unserem Zimmer ankommen, streife ich mir einfach das Kleid über die Schultern und werfe meine Schuhe in die Ecke. Ich lege mich in Unterwäsche in mein Bett und vergrabe mich unter der Decke. Ich will von dieser Nacht nichts mehr wissen. Ich will nur noch Harry bei mir haben oder wenigstens so tun, als wäre er hier.

Ich höre, wie Cate sich ebenfalls umzieht und sich dann ins Bett legt. Sie ruft Andy an und sagt ihm, dass sie heute nicht mehr zurückkommt, sondern bei mir bleibt.

Darüber bin ich sehr froh, denn ich will gerade nicht allein sein. Ich bin froh, jemanden wie Cate als Freundin zu haben.

Mitten in der Nacht wache ich auf. Und sofort weine ich wieder, als ich bemerke, dass Harry nicht bei mir ist und wahrscheinlich nicht mal gerne bei mir sein würde, denn ich habe ihn so beschimpft am Telefon. Wiedermal hasse ich mich selbst, weil ich so blöd bin. Ich wünschte, ich hätte jetzt noch die Kraft ihn anzurufen.

Ich schluchze in mein Kissen und mache mich ganz klein, wie ein Baby.

Dann spüre ich einen dünnen Arm um meine Schulter.

Cate. Sie hat sich hinter mich gelegt und gibt mir Komfort, indem sie mich an sich presst.

Ich kann noch immer nicht aufhören zu weinen, doch ihre Nähe beruhigt mich ein wenig.

Sanft streichelt sie mir über den Kopf. „Es ist okay", flüstert sie. „Alles ist okay."

Nein, es ist nichts okay. Die Sehnsucht, die Reue und der Schmerz in meiner Brust wollen einfach nicht vergehen.

Ich nehme ihren Arm und presse ihn wie ein kleines Kind an meine Brust und kralle mich daran fest. „Wenn du jemals jemanden so sehr liebst, wie ich ihn liebe, würdest du ihn genauso vermissen, wie ich es tue."

„Dann ändere etwas an deiner Situation. Geh zu ihm."

Wenn das nur so einfach wäre.

Mit Cate hinter mir in meinem Bett schlafe ich ein.

Ich muss ihn sehen.

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