Raven
„Man, das ist so öde, nicht mal der Alkohol macht irgendwas witziger", stöhnt Ben und lehnt sich mit dem Rücken an die Bar, an der wir schon etwas länger stehen und einen Cocktail nach dem anderen trinken, damit ein bisschen Stimmung aufgeht.
Doch vergeblich.
Die Musik lädt nicht gerade dazu ein wild zu tanzen oder laut zu lachen. Viel eher könnte man hier und jetzt einschlafen.
„Ich hatte es mir auch ein wenig interessanter vorgestellt", gebe ich zu und nehme den letzten Schluck meines Cocktails. „Selbst die Cocktails schmecken langweilig. Ist da überhaupt Alkohol drin?"
„Wahrscheinlich nicht. Es soll ja niemand von den Opis hier einen Herzinfarkt bekommen."
Ich lache. „Was sind das eigentlich für viele alte Leute? Ich hab die im Krankenhaus noch nie gesehen."
Ben lässt seinen Blick über die Leute vor uns wandern und zeigt auf eine Gruppe von alten Herren und Damen. „Das sind die Vorgesetzten. Die Oberbosse, der Oberbosse. Und daneben, das sind ihre Frauen. Oder Prostituierte, wie man es nimmt."
Ich sehe ihn entsetzt an. „Prostituierte? Nicht dein Ernst!"
Er grinst mich gehässig an. „Na klar. Die haben alle Unmengen an Kohle und deswegen brauchen sie keine alten Omas an ihrer Seite, sie kaufen sich einfach ihre Frauen mit Doppel D. Wenigstens für einen Abend. Und dann denken sie, dass wir ihnen abkaufen, dass diese Frauen tatsächlich in die netten Herren verliebt sind."
Ich sehe zu der Gruppe, zu der Ben gezeigt hat. Ein alter Mann mit einem Whiskeyglas in der Hand hat seine andere Hand gerade auf den Po einer jungen Frau, die neben ihm steht. Wenn ich so genauer hinsehe, wird mir klar, warum man denkt, dass das Prostituierte sind, denn ihr Ausschnitt ist außergewöhnlich tief und ihr Make-Up ist schlampig aufgetragen.
„Lass uns ein Spiel spielen", sagt Ben auf einmal und rückt näher zu mir ran. Ich höre ihm neugierig zu, als er sagt: „Siehst du die kleinen Röschen, die die alten Männer in ihrem Sakko stecken haben?"
Ich nicke.
„Wer mehr von den Dingern eingesammelt hat, gewinnt."
Ich hebe die Brauen. „Und was bringt uns das?"
Ben zuckt feixend mit den Schultern. „Keine Ahnung, Spaß? Alles ist aufregender, als hier zu sitzen und darauf zu warten von unalkoholischen Cocktails betrunken zu werden."
Mein Blick ist skeptisch. „Aber zeichnen diese Röschen nicht den Standpunkt der Männer da? Die sterben doch, wenn die nicht ihre Auszeichnung an der Brust hängen haben."
„Das macht es ja gerade so aufregend."
Nachdenklich kaue ich mir auf der Lippe. Jedoch entscheide ich mich schnell. „Alles klar, wer fängt an?"
„Ching Chang Chong", sagt Ben und hält mir seine Faust entgegen.
Ich gewinne und werfe freudig die Arme in die Luft, während Ben nur niedergeschlagen stöhnt. „War ja klar."
Ich schupse ihn leicht an der Schulter in Richtung der Männer und grinse aufgeregt. „Los, los!"
Er atmet tief ein und aus, richtet seine Haare und sein Jacket und geht dann entschlossen in Richtung der alten Männer.
Ich beobachte ihn neugierig und bestelle Ben und mir währenddessen beiden zwei Whiskeyshots. Der Abend muss einfach noch ein wenig interessant werden. Ich sehe, wie Ben zu der Gruppe der Männer stößt und anfängt sich mit ihnen zu unterhalten. Er fixiert sich auf einen kleineren der Männer, der am ältesten aussieht.
„Ihre Drinks", sagt der Barkeeper und stellt vier Shots vor mich.
Ich nicke ihm nur zu und beobachte weiter Ben, wie er mit dem Mann redet.
Ab und zu lachen die beiden und nach nicht mal weiteren drei Sekunden zieht Ben ihm schnell das Röschen aus dem Sakko und rennt durch die Menge in meine Richtung.
„Halt!", ruft der alte Mann und sofort agiert ein Securitymann, der neben der Gruppe steht.
Er rennt Ben durch die Menge hinterher und Ben rennt mit dem Röschen auf einmal in die entgegengesetzte Richtung zu den Toiletten, als er den großen Securitymann entdeckt, der wie ein wildgewordener Gorilla auf ihn zu rennt, das Röschen mit dem Armen vor ihn gestreckt, damit auch nichts damit passiert.
Ich lache so laut, dass ich kaum noch Luft bekomme und verliere Ben schließlich aus den Augen, als er in den Toiletten verschwindet.
Keine Minute später wird Ben am Saum seines Hemdes aus der Toilette von dem Securitymann geschleppt und dann in den Saal geschupst. Das Röschen hat er allerdings nicht mehr in der Hand.
Trotzig kommt er zu mir und lässt die Schultern hängen, ich lache noch immer aufgebracht und haue mir auf den Schenkel.
„Hör bloß auf zu lachen", knurrt Ben und lehnt sich wieder an die Theke. „Das ist ein beschissenes Spiel."
Ich kann nicht mal antworten, weil ich so sehr lache. Mittlerweile sehen mich schon viele andere an.
„Sind die für uns?", höre ich Ben fragen, als er auf die Shots zeigt.
Ich beruhige mich wieder und wische mir nickend eine Träne aus dem Augenwinkel. „Ja. Ich dachte, dass es mit richtigem Alkohol vielleicht lustiger wird und wir dadurch wirklich betrunken werden."
Er nimmt sich einen der Shots und hält mir einen hin. „Das wir nicht schon viel früher auf die Idee gekommen sind."
Ich nehme ihm den Shot ab und wir lassen sie aneinander klacken. „Auf einen langweiligen und lustigen Abend."
Nachdem Ben acht und ich fünf weitere Shots getrunken habe, sind wir betrunken.
Wir lachen über alles und jeden und mittlerweile interessiert es Ben nicht mal, dass wir auf seiner Betriebsfeier sind und nicht in einem Club.
„Und ständig hat sie das hier gemacht", lallt Ben und macht wackelige Bewegungen, als er würde sich selbst sein imaginäres langes Haar durchkämmen. „Wirklich! D-Den ganzen Tag! Überall lagen Haare rum! Ich hatte das G-Gefühl, ich würde mit einer Katze zusammenleben."
„Das ist ja eklig", lalle ich ebenfalls und lache.
„Und ihr Lippenstift!", stöhnt Ben und stützt seinen Kopf in seine Hand. „Manchmal hing sogar Lippenstift am Klodeckel oder dem Duschvorhang. Ist das nicht irgendwie unnormal?"
„Es klingt auf jeden Fall nicht all - alltäglich."
Ben richtet sich wieder auf wackeligen Beinen auf. „Sie war einfach eine sehr m-merkwürdige Frau", sagt er mit erhobenem Finger und geschlossenen Augen. Dann legt er eine Hand auf meinen nackten Schenkel. „Aber zum Glück bin ich Arzt und kann merkwürdige Fr - Frauen jetzt herausfiltern."
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Lives Collide 2
Fanfic"Er bildete ein schöneres Zuhause für sie, als das Haus in dem sie lebte." Dann ging ihre Geschichte weiter. Mehr Geheimnisse, mehr Kummer, mehr Liebe als je zuvor. Werden sie es schaffen glücklich zu sein, wenn sie auseinander gerissen werden? wr...