Kopfschmerzen. Solche Kopfschmerzen. Heute kommt kein Kapitel mehr.
Harry
Ich halte den Atem an.
Angie ist doch sonst immer so still, wieso sagt sie ausgerechnet heute Abend so was? Das passt gerade ganz und gar nicht. Raven ist momentan schon genug gestresst mit der Entscheidung nach Amerika zu ziehen, jetzt sollte Angie sie erst recht nicht mit so etwas konfrontieren.
Steven wirft mir ebenfalls einen Blick zu, der mir vermitteln soll, dass jede Sekunde ein Kampf ausbricht. Nur findet er es witzig, ich nicht.
Raven lehnt sich zurück und lacht leise auf. Jedoch weiß ich, dass sie das genauso unlustig findet. „Was ist falsch daran ein eigenes Leben, mit eigenen Finanzen aufzubauen?"
Angie sieht sie wieder an und stochert in ihrem Salat rum. „Ich finde, dass man es ihm damit mehr danken würde, wenn man nach New York auf eines der besten Colleges gehen darf."
O, Gott.
„Also denkst du, ich schätze es nicht, dass ich zu Harry ziehen darf?" Raven lächelt zwar noch, doch das Lächeln ist ganz und gar nicht nett. „Meinst du nicht, dass ich ihm schon genug Dank schenke, indem ich meinen Lebenstraum in London zu studieren aufgebe? Oder meine Familie verlasse? Oder meine Freunde?"
„E-Es tut mir leid, ich wollte dich nicht beleidigen", sagt Angie eingeschüchtert. „Ich wusste nicht, was du alles hinter dir lässt, ich –"
„Viel", unterbricht Raven sie selbstbewusst. „Ich lasse viel hinter mir. Also sage mir nicht, ich sollte es mehr wertschätzen zu Harry ziehen zu dürfen. Wenn du eine Frau bist, die finanziell abhängig von einem Mann sein möchte, dann nur zu. Es gibt genug reiche Männer in New York. Aber ich bin nicht so, also unterstell mir nicht, ich wäre nicht dankbar."
Jetzt blitzt etwas in Angies Augen auf, das ich vorher noch nie gesehen habe. Ist das Wut?
Ach du Scheiße!
„Harry verdient ebenfalls sehr viel Geld", sagt Angie jetzt mit festerer Stimme zu Raven. „Vielleicht wärst du gar nicht hier, wenn er nicht so viel verdienen würde."
Mir klappt der Mund auf. Das hat sie jetzt nicht gesagt oder?
Sofort verengen Raven's Augen sich und sie atmet tief ein. „Versuchst du mir gerade zu sagen, dass ich, wenn Harry nicht so viel Geld hätte, England nie verlassen würde?"
„Gut möglich."
Jetzt sollte ich einschreiten. So sollte das Zusammentreffen der beiden eigentlich nicht ablaufen.
„Okay, wechseln wir das Thema", sage ich und funkle Raven warnend an.
Sie sollte jetzt einfach einsehen, dass sie sich nicht hier streiten soll. Ich will nicht, dass man von ihr denkt, sie wäre eine aufgeblasene Zicke.
„Gute Idee", sagt jetzt auch Steven, zu meinem Glück. „Reden wir über Handtaschen, Schuhe oder so."
Den ganzen Abend haben Angie und Raven kaum noch geredet. Sie verhalten sich wie zwei Zicken, die ihren Willen nicht durchsetzen konnten. Wieso müssen Frauen so scheiße seltsam sein?
Ich wette, dass Raven sich auch nur so schick gemacht hat, weil Angie dabei war. Normalerweise zieht sie sich nie so an. Sie denkt einfach noch immer, dass sie für mich nicht die schönste Frau auf der Welt ist.
Ich war erleichtert, nachdem Angie irgendwann gegangen ist und wir nur noch zu dritt waren. Steven und Raven verstehen sich super, das wusste ich schon vorher, das Thema Angie ist nicht mehr aufgekommen.
„Du und Angie scheint euch zu verstehen", sage ich, als wir mein Apartment betreten.
Raven stöhnt genervt auf, als sie sich auf die große Couch fallen lässt. „Ich will nicht darüber reden."
Belustigt schüttle ich den Kopf und Knöpfe mein Hemd auf. „Willst du noch –"
„Ich meine, was fällt ihr ein?", regt Raven sich plötzlich auf und wedelt mit ihren Händen in der Luft umher.
Ich verdrehe die Augen. War ja klar, dass sie sich jetzt noch darüber auskotzen muss.
„Dass sie behauptet, ich würde es zu wenig schätzen, dass ich durch dich nach Amerika ziehen darf, war ja schon frech, aber dann auch noch mich als geldgeil zu bezeichnen? Ich glaube, die hat 'ne Schraube locker!"
„Sie hat dich nicht als geldgeil bezeichnet. Sie hat nur –"
„Das wollte sie aber damit ausdrücken. Du hast doch gehört was sie gesagt hat. ‚Wer weiß, ob du noch hier wärst, wenn Harry nicht so viel verdienen könnte", ahmt sie Angie mit einer Piepsstimme nach. „Ich kann das echt nicht glauben. Und dann tut sie auch noch so, als wäre sie so mega schüchtern. Komisch, dass sie plötzlich solche Sprüche raushauen kann."
„Na ja, du hast es schon fast provoziert, dass sie Stellung nimmt."
Sie richtet sich wieder auf und ihr Blick zeigt mir, wie falsch das gerade war, was ich gesagt habe. „Ich habe sie provoziert? Sie hat doch angefangen!"
„Führe dich bloß nicht wieder auf wie die Oberzicke Nummer eins. Wir sind jetzt von da weg, also hör auf dich aufzuregen."
Mit gerümpfter Nase verschränkt sie die Arme und sieht beleidigt zur Wand. „Oberzicke Nummer eins? Sag das Angie."
Genervt stöhne ich ein zweites Mal auf und gehe die Treppen hoch. „Willst du nicht lieber noch mal ein Bad nehmen? Vielleicht beruhigt dich das."
„Blödmann", höre ich sie noch sagen, bevor ich ins Schlafzimmer gehe.
Ich ziehe mir das Hemd von den Schultern und lege es über einen Stuhl.
Die Tatsache, dass Angie und Raven nicht miteinander klarkommen ist nicht mal die Sache, die momentan am meisten mein Gewissen plagt.
Raven meinte, dass sie in einem Büro arbeiten will. Ich habe fast einen Herzinfarkt gehabt, als sie den Schriftstellerberuf abgeblockt hat.
Sie wollte schon immer, jahrelang Schriftstellerin werden und heute Abend meinte sie genau das Gegenteil. Was ist denn plötzlich passiert?
Ich habe schon all die Monate gemerkt, dass sie nie schreibt und die Kurse besucht sie auch nur sehr selten. Ich hatte mich zwar schon die ganze Zeit gewundert, wieso sie sich nicht mehr so stark darauf konzentriert, doch gleich den kompletten Traum als Schriftsteller aufzugeben, hätte ich niemals erwartet.
Ich frage mich, was sie dazu gebracht hat, so zu denken. Ist es vielleicht wegen all dem, was passiert ist? Tammy, Scar, ihre Mutter, das alles waren Dinge, die sie unglaublich belastet haben, dass man sich in solchen Zeiten nicht auf die eigenen Träume konzentrieren kann, ist nachvollziehbar. Aber jetzt ist nichts mehr von diesen Problemen da. Sie könnte – gerade hier in New York – eine unglaubliche Karriere als Schriftsteller machen, wieso also sollte sie ihre Meinung ändern?
Ist es meine Schuld? Ist es, weil sie London verlässt?
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Lives Collide 2
Fanfic"Er bildete ein schöneres Zuhause für sie, als das Haus in dem sie lebte." Dann ging ihre Geschichte weiter. Mehr Geheimnisse, mehr Kummer, mehr Liebe als je zuvor. Werden sie es schaffen glücklich zu sein, wenn sie auseinander gerissen werden? wr...