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„Hey, hast du die Hausaufgaben für Spanisch?", fragt mich meine beste Freundin Jolina. Ich verdrehe die Augen, da sie es einfach nie schafft, sie selbst zu erledigen. „Das letzte mal!", antworte ich leicht stinkig. Sie nickt nur und fotografiert sich meine Lösungen ab. „Danke, du bist ein Engel.", sagt sie und gibt mir einen Luftkuss. „Jaja du auch.", antworte ich und widme meiner Aufmerksamkeit wieder dem Schulhof, auf dem sich gerade zwei jungs lauthals streiten. „Ach das sind nur Luis und Ole.", klärt meine Freundin mich auf, obwohl ich das schon weiß. „Sag mal, wie siehts mit der Praktikumssuche aus?", fragt sie mich und kaut auf ihrem Pausenbrot rum. Mist, das Praktikum. Das gibt es ja auch noch. Da ich darauf fokussiert bin, immer gute Noten zu schreiben und viel zu lernen, habe ich das total vergessen. „Ja läuft gut.", lüge ich, da ich weiß, dass sie sonst irgendein Spruch, wie „es kann nicht immer alles perfekt laufen Liv" sagt.
„Spuks aus. Du hast keinen oder?", fragt sie, als sie meine Unruhe bemerkt. Ich schüttle beschämt den Kopf und versuche diese Demütigung zu ertragen. „Der Kunde von meiner Mutter sagt, dass sie Praktikanten suchen, nur hatte ich meinen platz schon woanders. Wenn du willst kann ich da mal mit denen reden.", schlägt sie vor, was ich sofort bejahe und dankend hinnehme, weil wir nur noch diese Woche zeit haben, uns zu bewerben. „Wo wäre das denn?", frage ich neugierig und voller Euphorie. „Auf der Rettungswache in Köln.", erklärt sie mir, was meine Freude sofort in den Boden versinken lässt. Nein, ich bin mir sicher, dass es noch weiter runter geht. „Wo?", frage ich, um zu hoffen, dass ich mich geirrt habe. „Na, die Rettungswache, die hier um die ecke ist.", wiederholt sie ihre Antwort von eben. So ein mist. Der einzige Praktikumsplatz, der klappen könnte ist ausgerechnet so einer. Jolina weiß nicht, wie fertig mich das macht, denn wir kennen uns erst seit fast einem Jahr und deswegen habe ich solche details aus meinem leben weggelassen. Nämlich meine panische angst vor Ärzten und Männern.

Flashback:
„Du musst da jetzt weg!", sagt eine Stimme und zieht mich grob von dem leblosen Körper meines Vaters weg. „Nein! Nur noch fünf Minuten.", flehe ich, doch mein Ruf wird nicht erhört. Ich werde vor den Raum gestellt und alleine gelassen. Das darf doch nicht sein. Wir sind einmal im Urlaub in Spanien und dann haben wir einen Autounfall. Das Auto hat sich mehrmals überschlagen, weshalb wir alle was davon tragen. Mein Vater ist Tod und meine Mutter liegt im Koma. Ich habe einen gebrochen Arm, der irgendwie nicht behandelt wird, warum auch immer. Was soll ich jetzt machen?
Eine Panikattacke übermannt mich und ich sacke zu Boden. „Einmal Beruhigungsmittel hier!", höre ich einen der Ärzte sagen, der neben mir kniet. Ich will das nicht! Die sollen die Finger von mir lassen, die haben dazu kein Recht. „Fassen Sie mich nicht an!", schreie ich und stehe auf. Der Arzt mit den dunklen Haaren packt meinen gebrochenen Arm und spritzt mir was darein. Es tut höllisch weh und brennt im ganzen Körper. „So und jetzt gute Träume.", sagt er mit einem hämischen Lächeln.
Aufwachen tue ich in einem hellen Raum, mit nur einem Bett. Der spanische Arzt von vorhin tritt wieder ein. Manchmal verfluche ich mich selber, dass ich fließend spanisch kann und jedes Wort verstehe, was dieser miese Arzt zu mir sagt. „Lassen Sie mich sofort gehen!", schreie ich und versuche zu fliehen, jedoch ohne Erfolg, da ich ans Bett fixiert wurde. „Was zum?", stöhne ich. „Ich muss dich jetzt untersuchen. Du hast ein krankes Herz.", erklärt er mir, was mir sowasvon scheissegal ist. Der Typ soll mich kein weiteres Mal anfassen. Deshalb schüttle ich auch stark mit meinem Kopf. „Gut, entweder machst du das freiwillig oder ich muss dir was spritzen.", sagt er und holt eine Spritze raus. Daraufhin werde ich erneut panisch und strample mit meinem ganzen Körper, doch er ist stärker und trifft meinen Arm. Sofort wird es wieder dunkel und ich spüre nichts mehr.

„Hallo? Liv?", höre ich und werde aus meiner Trance geholt. „Oh sorry.", sage ich und reibe mir die Schläfe. Was war das denn? Das war eigentlich ein Teil meines Lebens, den ich vergessen wollte, warum kommt er ausgerechnet jetzt wieder? „Alles gut? Du warst plötzlich total komisch, wie so eine leere Hülle.", fragt sie besorgt und legt ihre Hand auf meine Schulter. „Ja alles bestens.", antworte ich. Endlich klingelt die Schulglocke und wir können wieder in den Unterricht.
Diese Erinnerung hängt mir so tief in den Knochen, dass ich nichts vom Spanisch Unterricht mitbekomme und am Ende der Stunde total verloren nach Hause gehe.
Zuhause wartet meine Mutter auf mich und kocht gerade das Essen. Ohne etwas zu sagen, gehe ich gedankenverloren die Treppen nach oben, direkt in mein Zimmer.
Plötzlich klopft es und meine Mutter kommt rein. „Hey Schätzchen, ist alles gut bei dir?", fragt sie und setzt sich zu mir. „Ja mir geht's gut. Der Tag war nur anstrengend.", Lüge ich, da ich weiß, wie sehr auch ihr der Unfall in den Knochen steckt, jedoch hat sie keine Angst vor Ärzten. Sie kann sich an vieles nämlich nicht erinnern. Sie weiß nur, dass wir einen Autounfall hatten, wo mein Papa gestorben ist. Ja, meine Mutter hat damals überlebt, jedoch nur dank dem Schicksal. Es hätte auch schief gehen können. „Kommst du mal mit runter? Wir haben Besuch.", sagt sie und steht auf. „Besuch? Von wem?", frage ich verwirrt. Seit Papas tot vor drei Jahren hatten wir keinen Besuch mehr. „Ich habe jemanden kennengelernt. Er sitzt unten und ich möchte euch vorstellen.", sagt sie glücklich. Sie hat was? Ein Mann? MANN? Neben meiner panischen Angst vor Ärzten existiert noch die panische Angst vor Männern und sie holt einfach einen fremden ins haus? „Mama, wieso redest du da nicht vorher mit mir rüber und holst einfach einen fremden Typen rein? Der kann sonst was mit uns anstellen!", schreie ich und sprinte die Treppe runter, direkt in die Küche und Bingo, dort Sitz er. Ein Typ, Mitte bis Ende 30, dunkle Haare und locken. Er sieht mich verdutzt an, lächelt und steht auf. „Verpiss dich aus diesem Haus. Sofort! Sonst rufe ich die Polizei!", schreie ich den Fremden an. „Olivia!", schreit mich meine Mutter an. So nennt sie mich nur, wenn ich wirklich scheisse gebaut habe. „Was? Der Typ soll sich verpissen. Er soll dich nicht mal mit dem Arsch angucken, also RAUS!", sage ich zu meiner Mutter, wobei das letzte Wort an den Typen gerichtet ist. Mein Finger zeigt wütend zu Tür. „Ähm.", sagt der Mann verwirrt. „Phil.", seufzt meine Mutter und legt ihre Hand auf seine Schulter. „Oh gut. Der heißt Phil. Also nochmal deutlich das ganze. VERPISS DICH PHIL!", schreie ich und merke, dass mein Herz wieder unregelmäßig schlägt. Mist, warum jetzt? Meine Mutter bemerkt, dass ich mir die Brust halte und kommt auf mich zu. „Liv? Was ist?", fragt sie besorgt. „Nichts.", stöhne ich und gehe in die Küche, um was zu trinken. „Liv? Heißt du Liv? Ist alles gut bei dir?", fragt der Mann mich und kommt auf mich zu. „Halt deine Schnauze!", schreie ich und renne die Treppe hoch. „Und halt dich von meiner Mutter und mir fern!", füge ich noch hinzu und knalle dann die Tür hinter mir zu.

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Herzlich willkommen zu meinem 1. Kapitel von meiner zweiten ASDS Fanfiction. Ich hoffe, euch gefällt diese genauso gut.

Man liest sich im nächsten Teil:)

Der Grund zum kämpfen Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt