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„So, wie besprochen machen wir jetzt ein EKG mit dir. Soll Phil dich begleiten oder möchtest du das alleine machen?", fragt die Ärztin mich. Ich schaue zu Phil und nicke dann. „Er kann-nein er soll mit.", antworte ich und greife nach seiner Hand. Gleich wird eine fremde Ärztin an mir rumdoktern. Da brauche ich Beistand, auch wenn ich heute meine Zweifel mit Phil hatte. „Na schön, dann kommt mal mit. Dauert auch nicht allzu lange.", sagt sie lächelnd. Phil und ich laufen ihr hinterher-ja ich darf wieder alleine laufen. Die Logik der Ärzte halt. Vorhin wurde ich mit dem Rollstuhl hochgebracht, da ich nicht alleine laufen sollte und jetzt? Jetzt darf ich schön laufen.
„Alles klar, dann zieh dir bitte dein Oberteil aus. Den BH kannst du anlassen und dann leg dich bitte hier hin.", erklärt die Ärztin und zeigt auf die Liege. Ich nicke und zögere dann noch einige Sekunden. Das hier ist alles andere, als einfach. Seufzend streife ich mir den Pullover vom Körper und liege nur im BH vor der Ärztin und Phil. „Könnte Phil das machen?", frage ich schüchtern, da mir das gerade am liebsten wäre und er das ja heute schon mal gemacht hat . „Leider nein, da er nicht im Dienst ist. Aber er kann deine Hand halten.", antwortet sie. Verstehe ich nicht. Im Rettungswagen war Phil es, der mir diese Elektroden angeklebt hat, obwohl er nicht im Dienst war. Alex hat ihn das erlaubt aber diese Dr. Herzinger tut das nicht. Sie ist mir jetzt schon extrem unsympathisch. „A-aber...nein!", sage ich entschlossen und stehe von der Liege auf. „Hey Liv.", erschreckt sich Phil und drückt mich an den Schultern wieder zurück. „Oh ich muss kurz weg. Bleibt ruhig hier, ich bin in ein paar Minuten wieder da.", sagt Dr. Herzinger, schaut auf ihren Pieper und verschwindet schnellen Schrittes. „Notfall, schätze ich.", antwortet Phil auf meinen verwirrten Gesichtsausdruck. Ich nicke und greife nach meinem Pullover, doch er legt seine Hand ebenfalls darauf. „Lass das EKG von ihr machen. Ich bin bei dir.", sagt er einfühlsam. Mein Blick ist immer noch auf unsere Hände gerichtet, die auf meinem Pulli liegen. „Es ist schwer Phil. Wirklich. Du denkst, dass ich es einfach machen lassen kann aber es ist die reinste Hölle für mich.", gebe ich ehrlich zu. Ich weiß selber nicht, woher die Ehrlichkeit kommt aber es musste einfach raus. Er legt den Kopf schief und mustert mich besorgt. „Kannst du es mir besser erklären? Ich würde dich gerne besser verstehen Liv.", sagt er sanft. Soll ich ihm erzählen, was damals passiert ist? Nein, dafür ist es noch zu früh aber ich kann ja Andeutungen machen, sodass er sich das irgendwie zusammenreimen kann. Er ist ja nicht blöd und versteht jedes kleinste Detail. „Woran denkst du immer? Was beschäftigt dich?", fragt er. Ich ziehe meinen Pullover wieder an, da es anscheinend noch etwas länger dauert mit dem EKG. „Das ist kompliziert. Ich weiß nicht, wie ich es erklären soll.", beginne ich, mich zu offenbaren. „Vielleicht was du mit der Andeutung im Fahrstuhl meintest?", schlägt er vor. Mist, warum reitet er ausgerechnet darauf rum. Ich hatte mir schon Sätze im Kopf zusammengestellt, jedoch bringt mich das jetzt ziemlich durcheinander. „Also wie du sicherlich gemerkt hast mag ich keine Ärzte und Männer. Deswegen lehne ich Behandlungen oder Kontakt zu diesen Personen immer ab.", erkläre ich ihm, möglichst neutral. Er hört mir aufmerksam zu und nickt, nachdem ich den Satz beendet habe. „Ja das habe ich schon gemerkt. Du hast es mir damals mehr als deutlich gezeigt. Hat das denn einen Grund? Hast du schlechte Erfahrungen gemacht?", fragt er besorgt und zugleich interessiert. Was soll ich denn jetzt machen? Soll ich sagen: „ja Phil, also früher hatten wir einen Unfall und lagen im Krankenhaus. Mama war im Koma und Papa ist gestorben. Da war so ein Arzt, der mich immer gegen meinen Willen, schmerzvoll behandelt hat."
Eine Zeit lang denke ich drüber nach, das genauso zu sagen, beiße mir dann aber in die Wange, um das in mir zu behalten. „Ich weiß nicht?", antworte ich auf seine Frage, doch meine Antwort klingt selber nicht sehr überzeugend. „Komm schon Liv. Was ist passiert? Wieso hast du so Angst vor Ärzten und Männern? Warum hast du immer solche Flashbacks und was haben die Bemerkungen im Fahrstuhl zu bedeuten? Ich bin für dich da, du kannst es mir gerne sagen.", bittet er mich verzweifelt. Er bemerkt, dass es mir sichtlich schwerfällt zu antworten, weshalb er wieder einschreitet. „Ich muss dir nämlich auch was sagen. Deswegen wäre es nur fair, wenn du mich auch ein Stückchen an dich ranlässt. Ich weiß ja gar nichts von dir.", sagt er und tätschelt dabei meine Hand. „Okay. Aber könntest du zuerst?", frage ich, um zu schauen, ob ich ihn vertrauen kann. Er nickt, steht auf und setzt sich neben mich und holt einen Brief aus der Hand. „Was ist das?", frage ich verwirrt und deute auf den Brief. „Seit wir uns im Heim getroffen haben, war ich fast täglich beim Jugendamt. Gestern Abend habe ich diesen Brief bekommen. Lies selbst.", sagt er und drückt ihn mir in die Hand. Ich nehme ihn zögernd an und ziehe ihn aus dem Umschlag, der schon geöffnet ist:

Sehr geehrter Herr Funke,
...Nach reichlichen Überlegungen und Diskussionen im Amt, haben meine Kolleginnen und Kollegen beschlossen, den Antrag auf Adoption zu genehmigen. Das bedeutet für Sie, dass sie das Kind für einige Wochen zu sich nehmen werden und regelmäßigen Besuch vom Jugenamt bekommen. Wenn wir entscheiden, dass sie die Maßnahmen erfüllen, um dem Kind ein angemessenes Leben zu bieten, kann der Antrag auf Adoption vollendet werden...

Ich lese diese Zeilen leise vor, sodass ich erst nicht verstehe, was er mir damit sagen möchte, doch als ich nochmal Revue passieren lasse, verstehe ich es. „Du willst mich adoptieren?", frage ich mit bebender Stimme. Ich bin gerade so aufgeregt, dass ich das ganze nicht wirklich wahrhaben will. Er nickt eifrig. „Meine Freunde und ich würden uns freuen, wenn du zu uns in die WG ziehst. Ich denke, dass ich dir das schuldig bin, nachdem deine Mutter gestorben ist und du nun keinen mehr hast-außer mich.", sagt er. Ich sitze immer noch da mit offenem Mund und versuche das zu verarbeiten. „Oh. Mein. Gott. Phil du bist der beste. Ich habe dich soooo lieb.", sage ich und falle ihn um den Hals. Warte mal, habe ich gerade echt gesagt, dass ich ihn lieb habe? Erschrocken drücke ich mich von ihm weg und er sieht mir genau an, dass ich mich selber nicht verstehe. „Ich hab dich auch lieb.", flüstert er.
Nach einigen Minuten sieht er mich wieder eindringlich an. „Nun verrate mir, was dir auf der Seele brennt.", bittet er mich. Ich nicke und atme einmal tief durch, um ihn dann etwas zu erzählen, doch dann klopft es und Dr. Herzinger tritt wieder ein. „Später dann.", flüstert er mir zu. „Tut mir leid, es gab einen schweren Unfall. Hat länger gedauert als gedacht. Aber kein Problem, denn jetzt bin ich wieder für dich da.", sagt sie und setzt sich auf den Hocker.

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Man liest sich im nächsten Teil:)

Der Grund zum kämpfen Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt