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Nachdem wir uns eingecremt haben, hole ich meine Box raus, die Phil mir heute morgen eingepackt hat. Dort ist viel Obst drin, wie Erdbeeren, Melone und Blaubeern. In einer anderen Box sind geschmierte Brote. Was ein süßer. „Möchtest du was haben?", frage ich Laura und halte ihr die Box hin. Sie schaut skeptisch und verneint. Oh man jetzt habe ich sie wieder an ihre Essstörung erinnert. Ich bin aber auch dämlich. Sie schaut durch die Gegend. Ich packe die Box wieder ein und schaue sie an. Ich weiß praktisch nichts über sie außer das sie diese Krankheit hat und mittlerweile 16 geworden ist. „Du sag mal, sind die aus dem Krankenhaus eigentlich deine Eltern?", fragt sie verwirrt. Als ob sie sich darüber Gedanken gemacht hat. Ich lache etwas auf. „Neee der Mann mit den Locken war Phil. Er ist mein...also....gute Frage. Ich würde mal sagen Adoptivvater? Er wollte mich adoptieren aber die Frau die bei ihm war ist meine Schwester. Sie hat mich adoptiert und ja. Phil ist aber trotzdem wie ein Vater für mich. Meine Schwester heißt Paula.", erkläre ich ihr die komplizierte Situation. Es dauert ein Moment bis sie es verstanden hat, dann nickt sie. „Darf man fragen wo deine echten Eltern sind?", fragt sie vorsichtig. Ich erkläre ihr die Situation der ganzen letzten Zeit. Ihr läuft eine Träne über die Wange, weil sie das anscheinend sehr trifft. Ich muss zugeben, dass ich zwischendurch kein leichtes Leben hatte. Der tot von meinem Vater, dann das mit dem Arzt in Spanien, der Streit mit Phil, dann der tot meiner Pflegemutter, das Mobbing durch Luis und dann die Anfangssituation in der WG. Das waren keine leichten Zeiten. Momentan bedrückt mich jedoch nichts mehr wirklich. Also glaube ich zumindest. „Aber jetzt geht es mir gut und ich liebe meine Familie.", beende ich meine Geschichte. Bei dem Wort Familie muss ich selber über mich schmunzeln. Wer hätte gedacht, dass ich die Ärzte jemals zu meiner Familie zähle. Krass, wie ein Mensch sich ändern kann. „Und bei dir?", frage ich Laura vorsichtig. Ich habe immer Angst was falsches zu sagen oder zu fragen. Sie holt tief Luft und beginnt zu reden. „Alsooo als ich 7 war ist mein Vater einfach abgehauen. Irgendwo hin. Keine Ahnung. Meine Mutter hat das sehr mitgenommen. Sie musste eine Therapie machen aber sie hat es schnell verkraftet. Dann als ich 10 wurde hat sie einen Typen geheiratet. Er ist Polizist. Mit ihm habe ich mich auch nicht so gut verstanden aber im laufe der Jahre wurde das besser und mittlerweile sind wir auch wie Vater und Tochter. Er hat mich immer beschützt wenn...". Sie hört auf zu reden und schaut runter. Sie spielt mit einem Grashalm, um ihre Tränen zu unterdrücken. „Du musst nicht drüber reden.", spreche ich beruhigend auf sie ein. Sie wischt sich eine Träne weg und fährt fort. „Er hat mich immer beschützt wenn ich gemobbt wurde. Als ich 12 war wurde ich gemobbt weil ich zu dick war. Wirklich dick. Ich hatte 20 Kilo zu viel auf der Waage. Papa hat es irgendwann mitbekommen und mich sooooo doll beschützt. Ich hatte nie nie mehr Angst davor, bis ich 14 wurde und das ganze erneut begonnen hat. Da habe ich das nicht so gut verkraftet und immer weniger gegessen. Erst waren es 2 Kilo die weg waren, dann 5, dann 10...immer weiter bis ich im Untergewicht war. Mama und Papa haben sich Sorgen gemacht und mich in eine Klapse gesteckt. Tja das hat rein gar nichts gebracht. Ich wurde also wieder nach Hause verfrachtet und wurde teilweise gezwungen. Ich hatte dann 5 Kilo wieder drauf. Mit 15 ging es jedoch wieder bergab. Ich hatte schlussendlich nur noch 32 Kilo auf der Waage. Und ich bin 1,57 groß. Also deutlich zu wenig meinten alle. Ich bin in die Klinik am Südring gekommen und ja. Nach 3 Wochen kamst du zu mir ins Zimmer." Wow...es brauch einen Moment bis ich das verarbeitet habe. Ich muss mich kurz räuspern. „Das das ist krass...wow...ich weiß nicht was ich sagen soll.", kommt nur aus mir raus. Ich nehme kurz ein Schluck Wasser. „Wie ging es weiter, wenn ich fragen darf?" Ich schaue sie an. Sie trinkt auch was und redet weiter. „Nach deiner Entlassung wurde mir die Sonde gelegt. Die haben mich sondiert bis ich 37 Kilo hatte. Dann haben sie die Sonde gezogen und meinten ich soll das Gewicht halten oder weiter zu nehmen. Wenn das klappt darf ich nach Hause aber wie man sich denken kann hat das nicht geklappt. Nachdem die Sonde raus war hab ich mein Mund auch nicht mehr für irgendwas geöffnet. Schlussendlich durfte ich nach weiteren 4 Wochen und endlosen sondieren die Klinik mit einem Gewicht von 40 Kilo verlassen. Ich muss jedoch einmal die Woche zum wiegen in die Klinik und wenn ich unter 35 bin, werde ich wieder aufgenommen.", erklärt sie. Das ist echt krass. Ich mit meinen 1,59cm wiege schon 64 Kilo. Also fasst das doppelte. „Laura...hilft dir das denn? Also die Hilfe im Krankenhaus?", frage ich schüchtern. Sie schüttelt sofort den Kopf. „Absolut nicht. Die zwingen mir das rein und wenn ich nicht esse kriege ich die Sonde. Wenn ich versuche die zu ziehen werde ich fixiert. Die versuchen es erst gar nicht damit, es ohne Druck zu machen. Für die spielen nur die Zahlen eine Rolle, nicht der Mensch." Das hat gesessen. Ich dachte immer die Kinderärzte sind lieb. Ich meine, Tabea ist ja auch toll aber anscheinend nicht was das Thema angeht.

Nach etwa 5 Stunden, in denen wir geschwommen und gerutscht sind, verabschieden wir uns. Ich warte am Eingang auf Phil. Das mit Lauras Geschichte geht mir sehr nahe. Ich will ihr helfen...aber wenn selbst Ärzte scheitern, wie soll ich das dann schaffen?
Durch ein Hupen komme ich wieder ins hier und jetzt. Phil steht vor mir und fährt sein Fenster runter „Na komm. Steig ein. Oder benötigt Prinzessinnen Liv einen Einsteigservice?", fragt er lachend. Ich lache auch kurz und steige ins Auto. Gemeinsam fahren wir nach Hause. Ich erzähle nur die lustigen und guten Sachen von heute. Gott sei dank habe ich keinen Sonnenbrand, also muss ich mir auch nichts von den anderen anhören.
Zuhause angekommen rieche ich schon den Duft eines leckeren Nudelauflaufs. Ich renne in die Küche und nehme die ganze WG war. „Heyyyy naaa.", kommt es von Paula. Ich lächele und setze mich hin. „Wie war dein Tag im Freibad?", will Alex wissen. Ich erkläre nun auch ihnen alles. Alles außer das mit Laura. Sie hat es mir im Vertrauen erzählt, also bleibt es unter uns. In Gedanken versunken stochere ich im Essen rum. Laura würde diese Portion nie essen. Dabei ist es doch so lecker...
Ich werde angetippt und schrecke hoch

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Bin gerade so im schreibfieber also macht euch auf Kapitel gefasst. Ich habe so viele Ideen für diese Story:)

Viel Spaß beim lesen:)

Der Grund zum kämpfen Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt