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Phil sieht immer noch erschrocken aus, nachdem ich gesagt habe, dass ich nicht vor Paula reden möchte. Mir ist klar, dass er das machen wollte, damit ich mein Vertrauen zu ihr stärke, doch werde ich nie über sowas mit ihr reden. „Komm schon Liv. Soll ich Paula etwa vor die Tür schicken? Sie hält sich auch im Hintergrund, versprochen.", versucht er sein Glück, doch vergeblich, denn ich schüttle weiterhin mit dem Kopf. Plötzlich steht Paula auf und kommt zu mir. Panisch sehe ich zu Phil, der mittlerweile mit ihr an einem Tisch saß. Er versteht mich und steht ebenfalls auf, um sie zurückzuhalten, doch sie blockt ihn nur ab und steht dann auch schon neben mir. „Geh.", brumme ich und Rutsche von ihr weg. „Welcher Arzt hat dir sowas schlimmes angetan, dass du so auf mich reagierst? Was hat er gemacht?", fragt sie plötzlich. Komplett verdutzt schauen Phil und ich uns an. Woher weiß sie das? „Phil? Was hast du ihr gesagt?", knurre ich ihn an. „Er hat nichts gesagt. Ich kenne dieses Verhalten. Wie du damals mit Phil umgegangen bist und jetzt mit mir. Irgendein Arzt oder eine Ärztin hat dir in deiner Vergangenheit was schlimmes angetan. Was war das?", mischt sie sich wieder ein. Hilfesuchend sehe ich zu Phil, der von Paulas Arm aufgehalten wird, um zu mir zu kommen. „Paula.", seufzt er nur. „Nein Phil. Ich sehe, dass sie das belastet und möchte ihr helfen. Liv, du musst mir nicht zu 100% vertrauen aber Versuch es zumindest ein bisschen. Vielleicht 10%?", fragt sie zähneknirschend. Ich mustere sie einige Sekunden und denke über die Pros und Kontras nach, wenn ich ihr nur ein bisschen vertraue. „1%.", antworte ich knapp, was ihr komischerweise ein Lächeln ins Gesicht zaubert. „Danke.", sagt sie, als wäre das gerade das beste, was sie seit langem gehört hat. „Dann bitte ich dich jetzt Phil davon zu erzählen.", sagt sie und schiebt dann Phil zu uns. Er setzt sich auf die Bettkante und sie stellt sich auf die andere Seite meines Bettes, jedoch mit genug Abstand. „Ich...", beginne ich, weil ich nicht weiß, wie ich anfangen soll. „Beginne vielleicht damit, weshalb du dich umbringen wolltest.", schlägt Paula vor, was mich verwirrt gucken lässt. „Was hat das eine mit dem anderen zutun?", frage ich deshalb komplett verwirrt. Sie lächelt und kommt einen Schritt auf mich zu. „Ich habe nur von Phil gehört, dass du im Krankenhaus liegst, weil du einen Suizidversuch hinter dir hast und sie Auffälligkeiten im EKG gesehen haben. Ich weiß aber nicht den Grund, weshalb du dich umbringen wolltest. Würdest du mir das erklären?", fragt sie freundlich. „Ich wüsste nicht, was dich das angeht.", brumme ich genervt und verschränke die Arme. „Liv.", sagt Phil mit ernster Stimme. „Sie versucht nur, dich zu verstehen und dir zu helfen. Gib ihr doch mal die Möglichkeit, dir vertrauen zu schenken.", fügt er noch seufzend hinzu. Augenrollend stöhne ich und sehe dann wieder zu ihr. „Na schön. Also, meine Mutter oder nicht-Mutter ist gestorben. Das hat mich ziemlich aus der Bahn geworfen. Es war genauso wie das damals mit diesem spanischen Arzt. Mama lag auch im Koma und Papa ist gestorben. Es tut höllisch weh, dass noch einmal zu durchleben. Ich will einfach nicht mehr. Das schlimmste ist noch, dass sie gar nicht meine Mutter war. Wer ist denn meine echte Mama?", ich rede mir alles von der Seele und merke jetzt erst, dass ich mehr gesagt habe, als ich wollte und dass mein Gesicht voller Tränen ist und Paulas Hand auf meiner liegt. Ihr Daumen streichelt sanft meinen Handrücken. Schnell ziehe ich meine Hand unter ihrer raus und verstecke sie unter der Decke. Mit der anderen Hand wische ich mir übers Gesicht. „Das tut mir sehr leid Liv. Du hast mein herzlichstes Beileid.", sagt sie sanft. „Danke.", antworte ich nur knapp und stehe dann auf, um mir aus dem Badezimmer ein Tuch zu holen, weil meine Nase wie verrückt läuft. „Ist dieser spanische Arzt der, der dir diese Angst gemacht hat?", fragt Paula besorgt, während ich mich wieder ins Bett setze. Mir fällt jetzt erst auf, dass ich kaum mit Phil rede, sondern nur mit Paula. Auf ihre Frage hin nicke ich schwach. Ich habe noch nie mit jemanden darüber gesprochen, weshalb mir das jetzt mehr als schwer fällt. „Was hat er gemacht?", fragt Phil dieses Mal besorgt. „Er...", beginne ich stotternd und daraufhin folgen die Tränen. „Hey.", seufzt Phil und nimmt mich in den Arm. Ich weine mich an seiner Schulter aus, bis ich mich wieder beruhigt habe. „Wir waren im Urlaub und hatten einen Unfall. Mein Papa ist gestorben und Mama lag mehrere Wochen im Koma. Als ich mich von Papa verabschieden wollte, haben mich die Ärzte von ihm weggezogen und was gespritzt. Dann haben sie mich eingesperrt und ans Bett gefesselt. Er hat mir immer gegen meinen Willen spritzen gegeben, die höllisch wehtaten und danach ging es mir extrem schlecht. Er meinte ich hätte ein krankes Herz, doch die Herzprobleme fingen erst nach den Impfungen an. Als ich nicht mehr essen wollte, damit er mich vielleicht gehen lässt, hat er mir eine Sonde gelegt und mich so ernährt. Irgendwann ist meine Mutter aus dem Koma erwacht und hat mich mit nach Hause genommen, als wenn nichts gewesen wäre. Ich konnte darüber nicht reden und habe es jahrelang verdrängt, doch als Mama sich in dich verliebt hat, kam alles wieder hoch.", erkläre ich schluchzend, noch immer in Phil's Armen. Es tut echt gut, darüber zu reden. Es ist wie, als wenn einem die ganze Last abgenommen wird. „Das ist schrecklich Liv. Danke, dass du uns das erzählt hast.", sagt Phil und streichelt meinen Rücken beruhigend. „Ich werde versuchen meine Angst vor Ärzten loszuwerden, damit ich mit deinen Mitbewohnern klarkomme.", seufze ich. „Hey ganz ruhig. Lass dir alle Zeit der Welt. Wir kriegen das schon hin. Ich bin immer für dich da, du kannst mir vertrauen.", sagt er sanft. Ich nicke und löse die Umarmung. „Ich vertraue dir Phil.", antworte ich und schaue dann zu Paula, die mich traurig mustert. Ich strecke meine Hand zu ihr aus und nehme ihre. Es kostet mich einige Überwindung, das zu tun aber es ist doch gar nicht so schlimm, als ich ihre Hand erstmal halte. „Und dir vertraue ich auch. Mindestens halb so sehr wie Phil.", sage ich, was sie zum Lächeln bringt. „Danke.", haucht sie glücklich. Ich meine es ernst. Paula ist mir heute schon etwas ans Herz gewachsen. Ob ich ihr zu 100% vertrauen kann, stellt sich noch raus aber etwas vertraue ich ihr.

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Man liest sich im nächsten Teil:)

Der Grund zum kämpfen Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt