Juni 1920

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Cyrus hatte mich nicht angelogen. Als ich hinausging, stellte sich mir keine Wache in den Weg. In meinem Kopf wirbelten die unterschiedlichsten Gefühle durcheinander. Cyrus war außer sich vor Wut. Im Haus wurden Gegenstände zerschlagen, und ich konnte ihn immer noch schreien hören, als ich über den Rasen ging. Meine Traurigkeit wurde stärker, als ich hinaus auf den Bürgersteig trat. Ich wusste nicht, was erwartet hatte. Was wollte ich in Cyrus sehen? Einen Mentor? Einen Freund? Einen Verbündeten gegen die Bedrohung durch die Bewegung, die von mir verlangte, nur für sie zu leben oder zu sterben? Ich war in eine weitere Sackgasse geraten. Cyrus würde mich genau so beherrschen, wie es die Bewegung täte, und beides würde ich nicht akzeptieren. Mein ganzes Leben lang war ich von einer Sache bestimmt worden. Erst war es mein Vater, der eifrig meine Karriere für mich geplant hatte. Manchmal fragte ich mich, woher er die Zeit dazu nahm, er hatte ja auch noch sein eigenes Leben. Du bist mein Job Mandy. Es ist meine Pflicht, dafür zu sorgen, dass du im Leben Erfolg haben wirst. Wie enttäuscht er jetzt wohl von mir wäre. Aber auf der anderen Seite war ich genauso schlimm wie er, da ich meine Jugendlichen Träume von einer romantischen Beziehung zugunsten von Studium und Ehrgeiz aufgeben hatte. Irgendwann hatte mich die Medizin so beansprucht, dass jede Freundschaft, die nicht auf einer geplanten Karrierestrategie beruhte, wie reine Zeitverschwendung wirkte. Ich hatte so viele nebensächliche Dinge ernst genommen und mein Glück aus den Augen verloren, dass ich gar nicht mehr wusste, was mich glücklich machen könnte. Mein Körper fühlt sich steif an, als ich zurück zu Nathans Wohnung ging. Ich hatte zwar keine Nachricht hinterlassen, wo ich war, aber aufgrund der durcheinandergebrachten Faxe hatte er sicherlich erkennen können, wo ich den Abend verbracht hatte. Als ich auf sein Apartment zuging, spürte ich eine deutliche Spannung wie Elektrizität. Die Fenster der Wohnung waren dunkel, aber der Ladenschild stand draußen auf den Bürgersteig. Ich wappnete mich gegen den unvermeidlichen, schrecklichen Geruch des Weihrauchs und ging die Stufe in den Buchladen hinunter. Meine Vorsichtsmaßnahmen waren vergeblich. Die Luft war rein und es dudelte keine beruhigende Musik, als ich den Laden betrete. Ich lehnte mich gegen den Tresen. Ich hörte ein unterdrücktes Fluchen, das von einem dumpfen Aufschlag gefolgt wurde. Es mussten Bücher auf den Boden gefallen
sein. „Braucht hier jemand Hilfe?", rief ich.
Es knallte, dann wurde noch mehr geflucht. Nathan kam hinter den Bücherregalen hervor und hielt sich den Kopf.
„Da bist du ja", stellte er sachlich fest. Er kniff die Augen zusammen, als er sich mit der Hand durch das Haar fuhr.
»Sorry. Ich musste noch etwas erledigen." Ich konnte es ihm nicht erzählen, das stand fest. Wenn er mich fragen würde, würde ich ihn nicht anlügen, aber es käme einem Selbstmord Bleich, wenn ich ihm gestehen würde, wo ich gerade herkam.
Er sagte nichts. Er ging wieder hinter die Regale zurück und fuhr mit dem fort, wobei ich ihn gerade unterbrochen hatte.
Ich folgte ihm. Er knallte Bücher auf die Regale, streifte in mir vorbei und ging an das andere Ende des Ladens. Dort beschäftigte er sich mit einer Auslage von Tarockarten, die offensichtlich keine neue Anordnung brauchten. "Also, redest du mit mir oder nicht?", fragte ich leise, als er ein Set Karten auf dem Tisch auffächerte wie Hochglanzma-
gazine auf einem Couchtisch.
*Es tut mir leid, ich bin unhöflich, Wie war dein Abend? Hättest du ein paar angenehme Stunden mit deinem Schöpfer, während ich deine brennende Wohnung durchstöbern durfte?" Der Sarkasmus in seiner Stimme tat mir weh. Ich fing an, mich aufzuregen. „Du bist allein in die Wohnung gegangen. Ich habe dich nicht darum gebeten. Alles, was du wolltest, war dein wertvolles Buch!"
„Es geht hier nicht um das beschissene Buch!" Er knallte seine Faust auf den Tisch. Ein eingeschweißter Satz Karten fiel zu Boden. , Wie lange hast du gewartet, bis du in meinen Unterlagen geschnüffelt hast, um seine Adresse zu finden? Hast du dir auch nur einen Moment lang überlegt, was du da vorhattest? Nein! Nachdem ich dir so viel erzählt hatte, nachdem du das Schlimmste durch seine Hände erfahren hast, bist du gleich zu ihm hingerannt, ohne irgendwie geschützt zu sein.
Er hätte dich töten können!"
„Hat er aber nicht. Ich kann selbst auf mich aufpassen", maulte ich. Du hast keine Ahnung, wie er sich verhält!", schrie mich Nathan an, als er Kerzen auf einem Tisch sortierte. Ich wünschte, er würde jede einzelne zerbrechen. „Aber du?" »Ja!" Er drehte sich zu mir um, in seinen Händen immer noch eine Handvoll orangefarbener Kerzen. „Er ist in der Lage, Dinge zu tun, von denen du noch nicht mal zu träumen wagst. Dinge, die du auch gar nicht wissen willst." Er ist ein Mörder.

Meine erste Verwandlung Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt