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Nathan würgte noch einmal, und jetzt klang es schon realistischer. Der Beamte wich ein Schritt zurück. Ja, schaffen Sie ihn hier weg, bevor ich ihn wegen Trunkenheit und Beamtenbeleidigung belangen muss. Sie können das Gebäude wieder betreten. Der Feuerwehrhauptmann hat alles kontrolliert und ihre Wohnung ist wieder freigegeben. Während Nathan ungelenk an mein Arm hing beeilte ich mich, zur Tür zu kommen. Sobald sie hinter uns geschlossen war, rannte Nathan die Treppen hoch, stürmte in die Wohnung und verschwand in der Toilette. Das sah nach erstklassiger Schauspielkunst aus. Verdammt ich pfiff durch die Zähne. Aus dem Bad hörte ich Würgen. Ich ging hinein, nahm ein Handtuch vom Halter und hielt es unter das kalte Wasser. Dir geht es wirklich nicht gut, was. Ich kniete mich neben ihn und hielte ihm die Kompressen an die Stirn. Den anderen Arm legte ich um seine zitternde Schulter. Halt es nicht zurück. Du hättest Krankenschwester statt Ärztin werden sollen, brachte Nathan hervor. Sein Körper zitterte, nachdem er sich übergeben hatte, oder du solltest Kinder bekommen. Ich musste laut lachen. Genau aber ich bin nicht sicher ob das Schicksal welche für mich vorgesehen hat. Wolltest du nie Kinder haben? Es hörte sich nicht so anklagend an, als wenn es jemand anderes gesagt hätte, etwa eine Person, die grade einen Kinderwagen vor sich herschob. Ich war immer in der Rolle gewesen, mich zu rechtfertigen, warum ich keine Kinder haben wollte. Ich war kurz davor, es ihm zu erzählen, als er weitersprach. Ist eigentlich auch egal, jetzt ist es sowieso nicht mehr möglich. Ich hatte das Gefühl, als steckte ein eisiges Messer, das mir den Atem raubte, in meiner Brust. Ich stand auf und lehnte mich gegen das Waschbecken. ,,Was?'' Sein Gesicht wurde noch grüner, obwohl das kaum möglich war, aber ich wusste, dass es nichts mit unserem Gesprächsthema zu tun hatte. Oh, das tut mir leid, ich hatte angenommen, dass du es schon gewusst hast. Nein, ich wusste es nicht. Es ist nur... es ist okay. Ich machte eine Handbewegung, als sei es mir egal. Ich habe darüber noch nicht nachgedacht. Ich meine, ich hatte nie vor, Mutter zu werden. Wahrscheinlich wäre ich sowieso keine gute Mutter gewesen. Doch nun, da ich keine andere Wahl mehr hatte, schmerzte es mich. Das ist absolut albern, Mandy. Ich glaube, du wärst eine tolle Mutter. Seine Worte klangen gedämpft, aber das konnte auch an seiner Übelkeit gelegen haben. Nun ja, erzähl das mal meinem letzten Freund. Nathan lehnte sich gegen die Wand. Auf seiner Stirn stand Schweiß, aber er sah nicht mehr so fahl aus wie zuvor. Er sah mir aufmerksam ins Gesicht. Warum sagst du das? Ich drehte mich wieder zum Becken, um das Handtuch noch einmal nass zu machen, und zuckte mit den Schultern. Ich hätte Eric nicht erwähnen sollen. Auch wenn wir uns schon vor neun Monate getrennt hatten, was ich immer noch unglaublich verletzt. Zu meiner eigenen Überraschung erzählte ich Nathan die ganze blöde Geschichte. ,,Weil er mich sitzen gelassen hat, weil er dachte, ich gäbe für seine hypothetischen Kinder keine gute Mutter ab. Trotz der schlimmen Wahrheit gelang es mir zu lachen. Im Prinzip schien er den Eindruck gehabt zu haben, dass, wen ich mein letzten Examen in Medizin bestanden hatte, ich daheim am Herd stehen und für ihm Plätzchen backen würde oder so ähnlich, während er hinaus in die Welt zieht und Karriere macht. Er hatte beschlossen, ein Haus in der Nähe von Bosten zu kaufen, aber da hatte ich hier schon meine Stelle für das praktische Jahr, und er stellte mir ein Ultimatum. Als ich ihm meine Entscheidung mitteilte, dass ich mich für das Praktikum entschieden hatte, sagte er, es sei wohl das Beste. Er wollte Kinder haben und er hätte sich sowieso nicht vorstellen können, dass ich eine gute Mutter geworden wäre. Das war's dann. Ich sah die ganze Zeit auf meine Hände, auf den Duschvorhang, den Handtuchhalter, um Nathan nicht ins Gesicht sehen zu müssen. Aber er sagte nichts, deshalb sah ich ihn an. Er erwiderte meinen Blick. Er ist ein Idiot. Nathan klang so, als meine er es ernst. Und an seinen Augen lag Mitleid. Ich hatte schon vergessen, was es bedeutet, von einem anderen Menschen geschätzt zu werden. Es war schön, auch wenn ich nicht begriff, was Nathan dazu bewogen hatte, sich mir gegenüber so emotional zu verhalten. Seine Zuneigung war etwas völlig Neues für mich. Ich räusperte mich. Wolltest du jemals Kinder haben? Nathan antwortete nicht sofort. Er überlegte lange, bevor er etwas sagte, als wolle er abwägen, wie viel er davon sich preisgeben könne, ohne damit ein Risiko einzugehen. Ja ich hätte gerne Kinder gehabt, aber das stand auch für mich nicht in den Sternen. Das tut mir leid, flüsterte ich. Obwohl sein Gesicht fröhlich aussah, bemerkte ich, dass seine Augen leer und müde wirkten, ich sah den Schmerz in ihnen, und mein Herz zog sich zusammen.

Meine erste Verwandlung Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt