Kapitel 3

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Suchend hebe ich meinen Kopf an, um die anderen zu entdecken. Sie sind bestimmt in der Nähe des Volleyballfelds. Paige hat mir vor einigen Monaten erzählt, dass die Jungs ein Netz gefunden haben. Anscheinend müssen irgendwelche Leute einmal ein Volleyballnetz gespannt haben und es für alle anderen dort gelassen haben. Ich freue mich schon zu spielen.

Habe ich schon erwähnt, dass ich Sport liebe? In Montesano hatte ich nicht so viele Möglichkeiten mich in Takt zu halten, da gab es keine ausgeprägten Sportclubs in der Schule. Dad organisierte mir einen Tanzkurs, zu dem ich einmal die Woche ging und außerdem belegte ich einen Selbstverteidigungskurs in dem Fitnessverein, in dem mein Bruder trainierte. Ich bin also noch in Form, bin aber bereit eine Schippe drauf zu legen.

Und ich freue mich schon darauf wieder ein Teil der Cheerleader Mannschaft zu werden.

»Ich kann nicht mehr«, nörgelt Paige neben mir. Ich nehme ihr die Kühltasche ab und laufe immer weiter. Zum Glück sind die heißen Sonnenstunden schon vorbei, sodass der Sand nicht unter unseren Füßen brennt.

»Wo sind denn alle?«, hake ich nach.

»Wir müssen weiter laufen. In fünf Minuten sind wir da.« Der Schweiß läuft mir über die Stirn, aber ich bin nicht außer Atem, als ich von weitem mehrere Gestalten wahrnehmen kann. Meine Mundwinkel schweifen in die Höhe, aber auch mein Herz schaltet sich ein. Es beginnt wild zu klopfen an.

Das Volleyballnetz gelangt in mein Visier, ich hebe meine Hand an meine Stirn, um besser zu sehen. Einige Meter vor uns sitzen ein paar Leute auf einer ausgebreiteten Decke und als die erste Person aufspringt, lasse ich meine Tasche fallen. Es ist Chiara, die hübsche rothaarige Chiara, die ich seit der ersten Klasse kenne.

»Savannah! Oh mein Gott, endlich!« Sie überragt mich mit ihrer Körpergröße um einiges, ich verliere beinahe den Halt im Sand, als sie mir um den Hals fällt und mich fest an sich drückt. Der Geruch von Sonnencreme und Vanille durchflutet meine Nase.

»Chiara-Banana!« Ich drücke sie noch einmal fest, bevor ich mich löse und ihr ins Gesicht schaue um zu sehen, ob sie sich irgendwie verändert hat. Zuletzt habe ich sie an Silvester gesehen. Nur kurz, als ich für Mum im Supermarkt einkaufen war. Sie war gerade mit Regina unterwegs.

»Und ich dachte ich wäre diesen öden Spitznamen endlich los.« Sie kichert. Ihr Gesicht ist voller Sommersprossen, ich glaube es sind mehr geworden. Aber Chiara erwähnte oft, dass sie im Sommer mehr davon hat. Sie findet sie ätzend, doch ich finde sie wunderschön. Es ist einzigartig.

»Zu früh gefreut. Bei unserem Abschluss unterschreibe ich dein Erinnerungsbuch mit diesem Namen.«

»Ja, das habe ich mir schon gedacht.« Chiara rollt mit den Augen, sieht aber glücklich aus. Als sie sich an Paige wendet gibt sie den Blick auf die restliche Freundesgruppe frei, die allesamt auf der Decke liegen.

Brandon und Jasper stehen gleichzeitig auf um mich zu begrüßen. Regina bleibt auf der Decke sitzen, sie hat ihre Knie mit den Armen umschlungen. Mir bleibt nicht viel Zeit sie näher mustern zu können, da Brandon mit seiner Größe alles überdeckt.

»Savannah«, sagt er lächelnd. »Schön dich zu sehen. Ist lange her.« Ich hebe meinen Kopf an um in seine grünen Augen zu schauen, die viele Mädels an der Schule einfach nur traumhaft finden. Er ist breiter geworden und an seinem Kinn sind schon einzelne Stoppeln zu sehen. Brandon trägt ein rotes Trikot und eine weiße Badehose, seine hellen Locken fallen ihm verschwitzt in die Stirn.

»Brandon. Es ist auch schön dich wieder zu sehen.« Meine Mundwinkel zucken in die Höhe, dann streckt er endlich seine Arme aus und zieht mich in eine feste Umarmung. Erst vor fünf Tagen habe ich kurz mit Brandon telefoniert, weil er sich erkundigen wollte, wann ich anreise. Da hätte ich ihn eigentlich fragen können was das nun zwischen ihm und Regina ist, doch das geht mich schlichtweg nichts an. Außerdem beginnt bald das neue Schuljahr. Drama ist da vorprogrammiert.

»Du bist eindeutig nicht gewachsen, Sava. Ich überrage dich noch immer um einiges.« Er löst sich von mir und für einen kurzen Augenblick landet sein Blick auf meiner Oberweite, die durch das Kleid bedeckt ist.

»Halt die Klappe, Brandon. Ich bin vielleicht klein, aber meine Ausdauer ist der Wahnsinn. Das hast du hoffentlich nicht vergessen, oder? Ich hätte nichts gegen ein Spiel.« Ich deute auf den Volleyball, der im Sand liegt. Das Netz befindet sich noch einige Meter entfernt und wie es aussieht scheint es belegt zu sein. Vier Jungs spielen daran, nur kann ich nicht erkennen, wer.

»Dazu kommen wir noch.« Er zwinkert mir zu, bevor er mir die Kühltasche abnimmt und zu Decke trägt.

Mein Blick schweift zu Jasper, der nun vor mir steht und mich ebenfalls in eine Umarmung schließt. Mit ihm habe ich mich erst in Laufe der letzten Jahre angefreundet. Er ist die Ruhe in Person, spitzenmäßig in der Schule und hat immer ein offenes Ohr für andere. Man kann ihn nur lieb haben.

»Es freut mich, dass du wieder da bist.« Seine Brille verrutscht wegen der Umarmung, doch er drückt sie sich wieder an die Nase. Er hat braune Augen, üppige Lippen und ist nur ein bisschen größer als ich. Im Vergleich zu Brandon wirkt Jasper eher wie ein Zwerg, aber es passt zu ihm. Er trägt eine blaue Badehose, sonst nichts. Und auch wenn Jasper eher der schlanke Typ ist, wirkt sein Oberkörper unglaublich trainiert.

»Ich bin auch ziemlich froh. Wie ich sehe, gehst du noch regelmäßig zum Kampfsport.« Aus Spaß schlage ich ihm meine Faust sanft in den Bauch und er zuckt lachend zurück. »Ja. In den Ferien gehe ich zwei Mal die Woche hin.«

Ich nicke verständlich, dann schaue ich an ihm vorbei zu Regina. Brandon sitzt nun wieder neben ihr, sie hat ihre Hand auf sein Knie gelegt. Als sie meine Blicke bemerkt winkt sie mir zu, ein unsicheres Lächeln schmückt ihr Gesicht. Wow, entweder hat sie ihre Emotionen nicht im Griff, oder sie hat etwas gegen meine Rückkehr.

»Hey, Regina«, begrüße ich sie knapp und hebe gleichfalls die Hand.

»Hi«, kommt es nur kurz zurück. Bevor ich mich erkundigen kann, wie es ihr so geht, greift Paige nach meiner Hand und zieht mich zu den anderen auf die Decke. Im Schwung zieht sie sich ihren Rock aus, ich mache es ihr gleich und steige aus meinem Kleid, welches ich dann sorgfältig in meinen Korb lege.

»Wir haben ganz viel Essen mitgebracht Leute.« Paige zieht die Kühltasche in die Mitte und eröffnet den Inhalt. Jasper hat sich neben mich gesetzt. Er reicht mir die Tube Sonnencreme die ich lächelnd annehme und beginne mir die Arme einzuschmieren. Die Sonne ist zwar bald weg, trotzdem musste ich schon öfters aus meinen Fehlern lernen, wenn ich mal auf den Schutz verzichtet habe. Wie oft ich zuhause schon mit schmerzen auf der Couch lag und mir meine Mum Quark auf die Haut schmieren musste, erwähne ich an dieser Stelle nicht.

»Das klingt sehr gut. Und danach mache ich Savannah beim Volleyball fertig.« Brandon beugt sich nach vorne zum Süßkram und wirft mir einen teuflischen Blick zu. Ich kneife die Augen zusammen und lasse meine Fingerknöchel knacksen.

»Du kannst deine Aussage nach dem Spiel ändern. Und zwar wenn ich dich fertiggemacht habe.«

»Wir können spielen, wenn die Jungs fertig sind«, erklärt Chiara etwas gelangweilt und zieht sich eine Sonnenbrille an.

»Warten wir, bis sie weg sind?« Ich schmiere mir etwas Creme auf die Finger und verteile es auf meinem Gesicht. Chiara sieht mich stirnrunzelnd an. »Nein. Sie spielen mit uns.« In ihrer Stimme liegt ein neugieriger Unterton.

Das waren die letzten Minuten ohne Tyler Whitehole in meinem Leben. 

A sweet taste of loveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt