Tyler
Meine Soziale Batterie befindet sich im Endstand. Es ist nicht mehr viel Saft übrig, in weniger Zeit wird mir alles und jeder völlig egal sein. Das ist es mir eigentlich immer. Zu jeder Tageszeit. Und nachts, wenn ich schlafe, erst recht.
Seit einer halben Stunde spiele ich zusammen mit Maxwell, Jonathan und Parker Volleyball. Davor waren wir schwimmen, da konnte ich mich wenigstens einige Minuten von ihnen abschirmen. Ich bin einfach losgeschwommen, sie haben mir nachgerufen, doch sie wissen, dass ich nicht darauf reagiere. Wenn ich etwas tue, hält mich nichts davon ab. Ich brauche keinen Engel auf meiner Schulter sitzen, der mir richtige Entscheidungen ins Ohr flüstert. Bullshit, seit meiner Geburt bin ich auf mich allein gestellt und bis jetzt lebe ich noch. Eine Überraschung, für alle die mich kennen.
Ich glaube kaum, dass ich das sage. Aber ich liebe schwimmen. Und dieses Wort taucht nur sehr selten in meinem Wortschatz auf. Wenn man sich im Meer treiben lassen kann und die Kontrolle dem Wasser überlässt, kann man für einen Moment lang sein Leben abgeben. Die Entscheidung, ob du lebst oder stirbst, liegt nicht in deinen Händen, wenn du dich treiben und den Dingen ihren Lauf lässt. Am Land ist es anders. Da hast du die Kontrolle über deine Füße. Du selbst hast es in der Hand was du als nächstes tust. Wenn du ausrutschst, gegen den Bordstein krachst und dabei stirbst, war es deine Entscheidung. Vielleicht keine bewusste Entscheidnung, aber deine Handlungen haben dazu geführt. Im Wasser zwischen den Wellen, wenn du dich auf den Rücken legst und dich einfach treiben lässt, gewinnst du eine Auszeit vom Leben. Und wenn man das Leben so hasst wie ich, dann sind diese Momente die freisten. Das Salzwasser läuft womöglich in deine Nase, die Geräusche der hohen Wellen könnten furchteinflößend wirken, aber alles in einem sind das solche Momente, die meine Batterie wieder aufladen können.
»Wir sollten eine Pause machen. Ich kann nicht mehr.« Maxwell kracht neben mir im Sand zusammen, der Volleyball kullert Richtung Wasser. Jonathan und Parker stehen auf der anderen Seite des Netzes, sie lehnen beide ihre Hände an den Knien ab um zu verschnaufen. Schnaubend laufe ich los, folge dem Ball und wasche den Sand im Meerwasser ab.
Kurz schaue ich zu der restlichen Bande, mit der wir in letzter Zeit manchmal abhängen. Sie sind Teil meiner Klasse, doch Jonathan, Parker und Maxwell kommen nach den Sommerferien in die zwölfte Klasse, ich in die elfte. Ich würde niemals behaupten, dass die drei Jungs meine Freunde sind. Mit Ausnahme von Maxwell vielleicht, bei dem ich unterkomme. Niemals gehe ich zurück in das Höllenfeuer, welches sich mein zu Hause nennt.
Ich kenne Maxwell schon seit Jahren. Ich habe ihn im Jugendtreff meiner Heimatstadt kennengelernt, in einem kleinen Ort in der nähe von San Francisco. Maxwell besuchte in der Woche seine Tante, die in meiner Nähe lebte. Während ich im Jugendtreff nach einer Auszeit meines Lebens suchte, war Maxwell nur wegen des Tischkickers dort. Ich erinnere mich noch ganz genau daran, wie ich mit meinen jungen neun Jahren hineinspaziert war und nach einem Streit mit meinen Eltern einfach nur relaxen wollte. Ich setzte mich auf die modrige, grüne Couch, schloss die Augen und versuchte meinen Atem unter Kontrolle zu bekommen. Gleichmäßig ein und ausatmen, so wie es mir beigebracht wurde.
Doch dann tauchte Maxwell auf, er spielte so laut mit dem Tischkicker, als wollte er ihn zerstören. Bei jedem Tor jubelte er auf, mir kam es so vor, als würde er den Ball von Zeit zu Zeit fester und lauter durch den Kasten schießen, bis mir endgültig der Geduldsfaden riss und ich aufstand um Maxwell mit einem Fußball zu bewerfen. Ich traf ihm am Kopf, einige Tage später befand sich an dieser Stelle eine Beule.
Schon an diesem Tag begriff er, dass man sich lieber nicht mit mir anlegen sollte.
»Wenn wir nicht mehr spielen, haue ich ab«, stelle ich nüchtern klar und lasse den Volleyball kurz auf der Spitze meines Zeigefingers drehen. Wieder schaue ich kurz zu meinen Mitschülern, die sich nun alle erheben und schnurstracks auf uns zukommen. Mir war nicht entgangen wie zwei weitere Mädels dazugestoßen sind. Jonathan und Parker sind so schlecht in dem Spiel, dass ich genügend Zeit hatte mich umzuschauen, so habe ich die Ankunft mitbekommen. Aus der Entfernung konnte ich nicht erkennen, wer das sein soll. Aber mal ehrlich? Es interessiert mich auch einen scheißdreck. Die Leute aus meiner Klasse sind nur für den Mittel zum Zweck da. Man könnte meinen sie seien einfach nur da. Ich interessiere mich weder dafür, ob sie mich mögen, noch interessieren mich ihre Probleme. Zu mir kommt jedenfalls keiner, der einen Rat braucht. Was soll ich auch für Ratschläge geben, wenn ich selbst vom Leben keinen Plan habe? Jeder trägt genügend Altlasten mit sich rum, ich bin kein Packesel.

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A sweet taste of love
RomanceEr versucht alle menschlichen Gefühle zu unterdrücken- Sie wird zu seiner Schwachstelle Liebe kann Wunden heilen, oder sie auch verursachen. Um sich selbst zu schützen, hält Savannah sich bei den Jungs zurück. Nicht ohne Grund haben ihre Eltern eine...