Kapitel 21

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Tyler

Etwas hat sich verändert. Ich kann nicht sagen, was es ist, aber ich merke es in jeder Minute meines Lebens. Ich gebe mir mehr Mühe, wenn andere mit mir sprechen und ich halte mich mit überflüssigen Kommentaren zurück. Als Maxwell gestern Abend einen unlustigen Witz gemacht hat, habe ich aus dem Kühlschrank eine Bierdose gezogen und sie ihm zugeworfen. Daraufhin habe ich ihm angeboten für uns zu kochen, wenn er solange das Haus verlässt. Er stand so lange mit offenem Mund vor mir, bis ich einen harten Gegenstand nach ihm geworfen habe. Meine guten Absichten halten sich immerhin in Grenzen.

Gerade haben wir eine Freistunde und befinden uns allesamt in der Klasse. Ich bin damit beschäftigt meinen Block vollzukritzeln, während andere an der Tafel malen, sich lauthals unterhalten oder auf den Tischen sitzen. Immer wieder zuckt mein Blick zu Savannah, die ihr Haar heute in einem hohen Zopf trägt. Einzelne Strähnchen lungern in ihrem Gesicht. Sie trägt ein pinkes Top, was ihre gebräunte Haut präsentiert. Um den Hals schmiegt eine goldene Kette mit einem Anhänger. Was genau es ist, kann ich durch die Entfernung nicht sonderlich gut erkennen. Sie und ihre Freundin Paige kritzeln gemeinsam auf einem Blatt herum, immer wieder müssen sie lachen. Eigentlich würde mich das zur Weißglut bringen, aber heute nicht. Ich muss andauernd an den Moment auf dem Turm denken. Ich muss viel zu oft daran denken, es ist schon nervtötend. Ich hätte doch von dem Dach springen sollen, damit ich diese Achterbahn der Gefühlwelt nicht erleben muss. Deswegen schotte ich mich von jeglichen Gefühlen ab. Damit genau das nicht passiert. Damit sich meine Gedanken nicht andauernd kreisen und keine verdammte Ruhe mehr geben!

»Ich leiste dir mal Gesellschaft.« Chiara lässt sich auf den freien Stuhl neben mir nieder und streift sich das rote Haar hinter ihr Ohr. Unwillkürlich hebe ich den Blick um Savannahs Reaktion zu sehen, doch sie scheint es noch nicht bemerkt zu haben. Vielleicht interessiert es sich aber auch gar nicht.

»Was zeichnest du da? Zeig mal her.« Chiara greift übergriffig nach meinem Block, doch ich lasse es nicht zu, sondern schlage die Seiten zu.

»Das geht dich nichts an, Süße.«

»Oh, da ist aber jemand schlecht drauf. Ich kann dir die Stimmung versüßen, wenn du magst.« Sie stemmt ihren Ellenbogen auf den Tisch und sieht mich verführerisch an. Ich sehe sie überlegend an. »Ich kenne einen ruhigen Ort hier in der Schule.« Sie hebt den Kopf und sieht kurz zu der Uhr an der Wand. »Wir haben noch über eine halbe Stunde Zeit. Komm schon, Tyler. Gib dir einen Ruck.« Ich fahre mir mit der Zunge über die Unterlippe, um sie auf Trapp zu halten. Langsam bewege ich meinen Kopf zu Savannah, die uns bemerkt hat. Sie starrt mich mit gesenkten Lidern an, sie versucht es unauffällig zu machen. Sie hält ihren Buntstift viel zu festumklammert zwischen ihren Finger. Ich befürchte schon, sie rammt das Teil gleich in den Tisch. Ein teuflisches Grinsen taucht auf meinen Lippen auf, ich sehe wieder zu Chiara, die mich mit ihren großen Augen verschlingt.

»Auf geht's.«

»Kluge Entscheidung.« Chiara greift grinsend nach meiner Hand und zieht mich aus dem Klassenraum. Ich bilde mir ein Savannahs wütende Blicke auf meinem Rücken zu spüren. Wie kleine, eifersüchtige Messerstiche.

Als wir zwanzig Minuten später zurück in die Klasse kommen, ignoriert Savannah mich vollständig. Inzwischen sitzt sie nicht mehr mit Paige zusammen, sondern mit einigen Jungs, die keine Sekunde die Augen von ihr nehmen können. Sie sitzt dort, als wäre sie im Zoo, nur ohne den Zaun. Allerdings scheint sie die Aufmerksamkeit nicht genießen zu können, immer wieder streift sie sich durch das Haar. Und ihr Lächeln wirkt öfters eher gestellt als echt.

Chiara hat sich inzwischen wieder auf ihren Platz gesetzt, ich bin allein. Und ich kann nichts anderes tun, als durchgehend zu Savannah zu schauen. Verdammt, dieses Mädchen hat das Zeug dazu mir das Leben zur Hölle zu machen. Abrupt wende ich den Blick ab und zeichne etwas in meinen Block. Ich schaue nicht mehr hoch. Auch nicht, als unser Lehrer endlich den Raum betritt.

Nach der Mittagspause schnappe ich mir meine Sporttasche und lasse meinen normalen Rucksack ungesichert an meinem Motorrad zurück. Wenn jemand meine Sachen klauen möchte, dann nur zu. Ich bin eh nicht besonders scharf darauf mit Mathebüchern rumzulaufen. Ich weiß jetzt schon, dass ich nach meinem Abschluss ein großes Lagerfeuer veranstalten werde, damit ich alles, was mich an die Schule erinnert, hineinschmeißen kann. Alle sind herzlich eingeladen.

Ich freue mich heute auf das Footballtraining. Ich kann es kaum erwarten mir die Ausrüstung anzuziehen und mich gehen zu lassen. Dass ich mich zurückhalten werde, können die anderen echt knicken. Irgendwohin müssen meine angestauten Energien.

Als ich den Sportplatz schon erkennen kann, sehe ich eine Truppe Mädels, die sich in einem Kreis vor der Halle versammelt haben. Ich habe schon vergessen, dass das Cheerleader Training zur gleichen Zeit stattfindet. Aber da sie immer in der Halle trainieren, überkreuzen sich unsere Wege nie.

»Ja, Mom. Mir geht es gut. Hör auf dir den Kopf zu zerbrechen und genieß deine Mittagspause.« Es folgt eine kurze Pause. »Ja, wir sehen uns später zu Hause. Paige nimmt mich mit.«

Ich habe meine Schritte verlangsamt, als ich diese bekannte Stimme hinter mir wahrnehmen konnte. Savannah seufzt hinter mir auf, dann überholt sie mich und hechtet zur Turnhalle. Wow, wir tun also, als kennen wir uns nicht. Tja, aber ich spiele nie gerne mit Regeln.

»Pass auf, dass du nicht über deine eigenen Beine stolperst, Zuckerpuppe.« Sie wirbelt zu mir herum und läuft nun rückwärts, ihr Handy liegt noch in ihrer Hand und auf ihrem Rücken schmiegt eine weiße Sporttasche. Wie es aussieht, darf sie wieder am Cheerleader Training mitmachen. Und ich würde sie nur zu gerne in diesem knappen Outfit sehen. Nur zu schade, dass sie in der Halle trainieren müssen.

»Oh, redest du mit mir? Vielleicht hast du etwas mit den Augen, aber ich habe keine roten Haare.« Sie greift sich ans Haar, auf ihrem Gesicht liegt ein angespannter Ausdruck. Ich verschränke die Arme vor der Brust und bleibe stehen. Sie tut es mir gleich.

»Bist du etwa eifersüchtig, Zuckerpuppe?« Ich hebe eine Braue. Ein stolzes Gefühl macht sich in meiner Brust breit. Ich habe vorhin alles richtig gemacht. Ich habe genau diese Reaktion herausgefordert und sie bekommen. Punkt für mich, Savannah.

»Ich? Wegen dir und Chiara?« Sie verschränkt ihre Arme nun ebenfalls. »Nie im Leben. Du solltest dir nicht zu viel einbilden, Asshole.« Ich muss lachen.

»Asshole? Wir sind also wieder bei dem Spitznamen angekommen? Also bist du eifersüchtig. Leugnen ist zwecklos.« Ihr Kopf läuft rot an. Ach, ich genieße diesen Moment einfach viel zu sehr. Ich glaube, gerade möchte Savannah mich auf jeden Fall von irgendeinem Dach werfen. Je höher, desto besser vermutlich.

»Kann es sein, dass du Stimmungsschwankungen hast, Tyler? Wie konntest du am Samstag noch erträglich sein und jetzt so verdammt nervtötend? Du hast zwei Persönlichkeiten.«

»Und zwei Gesichter. Da könntest du recht haben, Savannah.« Sie rollt mit den Augen.

»Ich muss jetzt zum Training, sonst komme ich zu spät. Aber hey.« Sie wirbelt herum und zeigt auf das hohe Schulgebäude. »Wenn du dich langweilen solltest, kannst du ja hochklettern und springen. Vielleicht juble ich dir von hier unten zu.« Selbstbewusst wie sie ist, zwinkert sie mir noch einmal zu, und schlendert dann Hüfte wackelnd davon.

Und ich kann nichts anderes tun als ihr grinsend hinterher zu starren.   

A sweet taste of loveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt