Kapitel 7

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Savannah

Außer Atem reiße ich mir die verschwitzten Klamotten vom Körper und stehe daraufhin nur in Unterwäsche in meinem Zimmer. Am Sonntag im Waller County Park joggen zu gehen ist die beste Möglichkeit, um einem faulen Tag auf der Couch zu umgehen. Insgesamt bin ich sieben Meilen gejoggt, den Fußweg mit eingerechnet. Ich war Stunden unterwegs, eine heiße Dusche klingt nahezu perfekt.

Ein Klopfen an der Tür lässt mich inne halten, doch ich weiß, dass es Mum sein muss. Sie war im Wohnzimmer, als ich zur Haustür reinkam.

»Ja?« Ich ziehe mir frische Klamotten aus dem Schrank und lege sie mir zurecht. Mum öffnet die Tür, sie hat bequeme Klamotten an, ihre blonden Naturlocken sind zu einem Dutt gebunden.

»Da bist du ja wieder. Hast du noch etwas vor, oder kann ich uns Abendessen vorbereiten?« Zögernd beiße ich die Zähne zusammen.

»Was möchtest du den kochen?« Ich versuche möglichst neutral zu klingen, damit Mum keinen Verdacht schöpft. Allerdings ist es kein Geheimnis, dass man nach dem Sport nichts fettiges essen sollte.

»Ich dachte an Pasta mit einer Avocadocreme.« Mum lehnt sich gegen den Türrahmen, sie scheint mich zu durchschauen.

»Haben wir Vollkornnudeln da?« Eilig nehme ich mir alles, was ich brauche und quetsche mich an Mum vorbei, ohne ihr in die Augen zu schauen.

»Savannah«, sagt sie im ernsten Ton und ich schlucke. Sie folgt mir ins Badezimmer, es bringt nichts sie zum Gehen aufzufordern. »Bitte sag mir nicht, dass ich mir wieder Sorgen um dich machen muss, Schätzchen. Ich dachte die Stunden bei Ms Burn haben etwas bezweckt.«

Ah, sie meint Ms Burn, mit der Dad sich prächtig verstanden hat?

In meiner Brust sammelt sich zu viel Luft, die keinen Platz findet, um zu entweichen. Ich merke das Ziehen in jedem Muskel. Sämtliche Erinnerungen tauchen in meinem Bewusstsein auf, Erinnerungen, die ich verdrängen wollte. Die ich verdrängen muss, um weiterzumachen.

Wie Dad mich von meinen Sitzungen abholte, aber noch viele Minuten damit beschäftigt war mit Ms Burn zu sprechen. Wie sie ihn anlächelte, als wäre ich nicht im Raum. Wie ich ihr von meinen Problemen erzählt habe, wobei Mum und Dad eine große Rolle spielten, sie mir Mut zusprach und hinterher Gefühle für genau diesen Menschen entwickelte. Die beiden haben sich nie privat getroffen und wenn doch, dann habe ich es nicht mitbekommen. Genau wie mein Bruder Lenny, der seine Augen überall hat aber nicht auf das Wesentliche. Ich habe oft versucht mit ihm darüber zu sprechen, doch er machte immer dicht. Es interessierte ihn nicht, er hatte nie große Probleme mit der Scheidung meiner Eltern. Wieso sollte er auch? Er lebte immer sein eigenes Leben, er war niemals abhängig von der Familie. Lionel wusste seit Jahren, was er nach seinem Abschluss machen wollte und wo. Es war schwer jeden Tag zu sehen wie er einen Plan für das Leben hatte und ich noch an den Narben der Trennung meiner Eltern zu kämpfen hatte. Ich vergaß oft, dass mein Bruder älter war als ich. Er war reifer, hatte mehr Ahnung und ich wollte mich nicht schlecht fühlen. Ich sollte mich für ihn freuen, doch stattdessen hatte ich Angst einfach unterzugehen. Das hört sich vielleicht total albern und kindisch an, aber ich kann nicht in einer Welt leben, in der sich meine Eltern nicht lieben.

Natürlich weiß Mum davon nichts. Natürlich denkt sie, dass mir die Stunden bei Ms Burn geholfen haben. Immerhin war ich zwei Mal die Woche dort, was im Endeffekt auch hieß, dass Dad sie zwei Mal die Woche zu Gesicht bekam. Ich fraß das alles in mich hinein, nur kommen diese Tatsachen nicht so schnell wieder raus wie das Essen, wenn man sich den Finger in den Hals schiebt.

»Mum sieh mich an. Ich stehe in Unterwäsche vor dir, du kannst meinen Körper komplett sehen. Und wie du sehen kannst, geht es mir gut. Ich habe ein normales Gewicht erreicht.« Zwar habe ich wirklich keinen Gramm zu viel, trotzdem habe ich ausreichend Gewicht auf den Rippen.

A sweet taste of loveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt