Kapitel 24

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Savannah

Immer wieder werfe ich Tylers Leinwand einen kurzen Blick zu, um die Lage abzuchecken. Ich nehme unseren Wettbewerb sehr ernst, einfach, weil ich einfach nicht gegen Tyler verlieren kann.

»Was machst du da, Zuckerpuppe? Dir ein paar Ideen abschauen? Das wird nichts bringen, ich bin der geborene Künstler.« Er umgreift das Gestell seiner Leinwand und schiebt sie weiter von mir weg, damit ich nichts mehr sehen kann. Ich rümpfe bloß die Nase und tunke meinen Pinsel in die Farbe.

»Keine Sorge, Asshole. An deiner Leinwand gibt es wirklich nichts, was ich kopieren will.« Wieder werfe ich ihm einen Blick zu und kann nicht anders, als ihn zu beobachten. Er trägt ein schwarzes T-Shirt, was seine Armmuskeln sehr präsentiert und er hält den Kopf schief, als könnte er sich so besser konzentrieren. Seine nussbraunen Haare liegen ihm wirr in der Stirn, er sieht wirklich atemberaubend aus. Diese Konzentration, die er für das Bild hat, die Art wie er den Pinsel in die Farben tunkt und sie dann sorgfältig auf die Leinwand bringt, ist faszinierend. Er lässt sich so viel Zeit, überstürzt nichts und manchmal sitzt er einfach nur da und lässt den Zauber seines Bildes auf sich wirken. Er lässt sich nicht aus der Ruhe bringen und so kennt man Tyler Whitehole nicht.

Vorhin ist er zu spät zum Unterricht gekommen, wie eigentlich immer. Heute ist nicht mein Tag, das Telefonat mit Dad gestern hat mich so ziemlich aus dem Konzept gebracht. Aus diesem Grund bin ich heute Morgen mit dem Bus gefahren, um Gesprächen mit Paige aus dem Weg gehen zu können. Ich habe meine Freunde nur begrüßt und bin dann nach oben gegangen um darauf zu warten, dass es zum Unterricht klingelt. Meine Freunde sitzen weiter vorne, ich kapselte mich von ihnen ab. Nicht, um Aufmerksamkeit von ihnen zu bekommen, sondern um meinen inneren Frieden zu finden. Wenn mich etwas bedrückt, brauche ich Abstand.

Doch dann kam Tyler durch die Tür und trug seine Leinwand direkt auf mich zu. Ich weiß noch genau wie ich meine Hände zu festen Fäusten geballt habe, weil es einfach so typisch für ihn ist. Tyler hat eine Gabe dafür, zu wissen, wann und wie er mich auf die Palme bringen kann. Ich presste meine Lippen fest zusammen und starrte nur auf meine Leinwand, um ihm keine Beachtung zu schenken. Es ist einfacher einen Feind zu ignorieren, als sich mit ihm zu zanken. Jedenfalls hielt er von meiner Idee einfach kein Wort mit ihm zu wechseln scheinbar nicht viel, denn er rückte mir auf die Pelle und hörte nicht auf zu reden. Es brachte nichts ihn zu ignorieren, er hätte niemals aufgegeben.

Und etwas in mir wollte auch gar nicht, dass er aufgibt. Ich habe gemerkt, dass die Diskussionen mit ihm dabei helfen meine Probleme zu vergessen. Denn wenn Tyler in meiner Nähe ist kreisen meine Gedanken nur um ihn. Und nicht um meine kaputte Familie.

Als er dann noch den Wettbewerb vorgeschlagen hat, war ich erleichtert. Durch ihn hatte ich eine andere Beschäftigung gefunden, in die ich meine gesamte Energie stecken konnte.

Und ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass ich Tyler noch verabscheue. Ich bin nicht im Stande etwas gegen das Prickeln zu tun, was sich auf meinem Körper ausbreitet, wenn er den Raum betritt. Ich kann nicht anders als ihn anzustarren, als wäre er nicht von dieser Welt und ich kann nichts gegen seinen verdammt guten Duft tun, der permanent in meiner Nase liegt. Tyler verfolgt mich, egal wo ich bin. Er hat sich in meine Gedanken festgesessen und es scheint kein Heilmittel dafür zu geben. Dafür, dass ich heute mit niemanden sprechen wollte, genieße ich seine Anwesenheit etwas zu sehr.

Ich merke erneut, wie ich meine Malerei vernachlässige und den Pinsel sinken lasse, um zu Tyler zu schauen. Er sitzt hinter seiner Leinwand auf diesem viel zu kleinen Hocker und hat die Augen verengt. Seinen Pinsel hält er mit der rechten Hand, mit der anderen greift er an das Holz, um es zu stabilisieren. Er schenkt mir keine Aufmerksamkeit, er beachtet nur sein Bild und es wirkt, als würde er genau darein passen. Als wäre er der geborene Künstler, ein unglaubliches Talent. Es kitzelt mich in den Fingern, aufzustehen und mich hinter sein Gemälde zu stellen. Ich möchte es unbedingt sehen und finde mich schon damit ab, dass er gewonnen hat. Allein bei seiner Geduld wird sein Bild viel besser aussehen als meins.

A sweet taste of loveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt