Kapitel 51

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Tyler

Nach vierzig Minuten gelangen wir an den Hang, wo wir parken können. Der Motor erlischt, doch ich bleibe sitzen und warte, bis Savannah abgestiegen ist. Es dauert länger als ich dachte. Sie stellt sich ziemlich ungeschickt an, als würde sie gerade von einem gigantischen Pferd steigen und nicht von einem Motorrad. Wie sie leise fluchend versucht ein Bein auf den Boden zu stellen, bringt mich zum Lachen. Aber ich unterdrücke es, da ich nicht mit dem Feuer spielen möchte. Wenn eine Frau wütend ist und man sie noch dafür auslacht, kommt man in die Hölle. Oder zumindest in die Hölle, die Savannah für mich bereit hält. Mich würde es nicht wundern, wenn sie mich den Hang runterwerfen mag.

»Mein Gleichgewicht ist weg!«, ruft Savannah erschrocken aus. Ich kann mich nicht mehr bremsen und fange an zu lachen. Kopfschüttelnd schwinge ich mich von Wanda, stabilisiere sie und nehme den Helm ab. Savannah steht wenige Meter vor mir und läuft gerade große Schritte, als wäre sie auf dem Mond unterwegs. Und dass in einem Schutzanzug, nicht mit einem stinknormalen Helm. Sie sieht so winzig und süß aus mit dem viel zu großen Helm. Der gehört eigentlich Maxwell, da er ab und zu mit meinem Bike fährt.

»Oh nein!«, spiele ich erschrocken vor und ziehe eine Grimasse. »Was sollen wir jetzt nur tun?«

»Meine Beine sind ganz weich«, beklagt sie sich weiter. Grinsend ziehe ich sie an mich heran, indem ich den Saum ihrer Jacke greife. Sie taumelt unachtsam gegen mich, als hätte man ihr wirklich die Beine abgerissen.

»Ich befreie erst einmal deinen Kopf, Zuckerpuppe. Vielleicht bringen wir dein Gleichgewicht so zurück.« Gekonnt öffne ich den Verschluss ihres Helmes und ziehe es ab. Ihre Haare vom Zopf haben sich etwas gelöst, einige aufgeladene Strähnchen hängen in ihrem Gesicht. Mit gerunzelter Stirn pustet sie die weg, während ich den Helm verstaue.

»Und? Kannst du wieder normal laufen, oder muss ich dich tragen?«

»Ich probiere es aus.« Sie dreht sich prompt um, streckt beide Arme aus und läuft langsam los, als würde sie auf einem dünnen Seil balancieren. Schmunzelnd beobachte ich sie, bis sie sich schließlich umdreht und ihr Gesicht am Strahlen ist.

»Okay, falscher Alarm. Bei mir funktioniert noch alles einwandfrei.«

»Das beruhigt mich, Zuckerpuppe.« Ich öffne die Haube an meinem Sitz und ziehe die kleine Stoffdecke raus, die ich extra für uns eingepackt habe. Ich habe schon wieder ein Date mit einem Mädchen und finde nichts Verwerfliches dran. Würde der Tyler, den es vor Savannah gab das Erfahren, hätte ich vermutlich keinen Kopf mehr.

Fünfzehn Minuten später sitzen Savannah und ich am Ufer des Meeres. Es ist niemand anderes mehr hier, die Wellen schlagen laut an den Strand auf. Savannah hat sich direkt an mich gekuschelt, mein Arm liegt um sie. Ich weiß nicht, woran es liegt, dass ich mich in ihrer Nähe so großartig fühle. Wir versinken in unser Schweigen, schauen aufs weite Wasser raus und genießen die Stille. Ich bin völlig ruhig und entspannt, ihr perfekter Körper schmiegt fest an meinen. Und dieses Gefühl ist unbeschreiblich. Wenn ich nicht mit ihr unterwegs bin, denke ich rund um die Uhr an sie. Ich vermisse ihr Lächeln und ihr Lachen. Verdammt, ihr Gesicht erscheint mir immer im Geiste. Es ist ein Fluch, aber von der schönen Art. Ich kann mich gar nicht an die Zeit erinnern, in der ich sie gehasst habe. Gehasst ist etwas zu übertrieben ausgedrückt, aber wir konnten uns schlichtweg nicht leiden. Und jetzt sitze ich hier mit ihr und könnte mir keine bessere Gesellschaft vorstellen.

»Wenn du ein Tier sein könntest. Für welches würdest du dich entscheiden?« Mit dieser Frage löst Savannah die Stille zwischen uns beiden auf. Irritiert runzle ich die Stirn.

»Wie zur Hölle kommst du jetzt auf diese Frage?« Sie zuckt mit den Schultern und kuschelt ihren Kopf enger an meine Schulter.

»Ich weiß nicht. Die Frage ist doch interessant. Ich glaube, ich würde mich für eine Katze entscheiden.«

»Weil sie den ganzen Tag nichts tut und nur schläft?«, hake ich belustigt nach und ernte dafür einen Zwick in meine Seite. »Aua!«

»Das hast du verdient«, erwidert sie im süßen Ton. »Nein, aus diesem Grund würde ich es nicht wollen. Aber dann könnte ich mit Marzipan sprechen und mich interessiert echt, was er so über uns denkt. Und jetzt du.« Ich nehme mir einen Moment Zeit und denke über ihre dämliche Frage nach. Ich kann nicht glauben, dass Savannah mich dazu bekommt über solche Dinge nachzudenken. Aber genau das ist ihre Fähigkeit. Sie bringt mich zu Sachen, die ich früher niemals in Erwägung gezogen hätte.

»Ich würde mich für einen Delfin entscheiden«, sage ich also.

»Sagst du das jetzt, weil wir am Meer hocken?« Sie klingt misstrauisch.

»Nein, weil sie freie Tiere sind. Niemand kann sie einsperren, außer sie werden gefangen genommen. Aber an sich haben sie ihr Territorium unter Wasser und können dort tun und lassen, was sie wollen. Außerdem sehen sie wunderschön aus.« Savannahs Lippen streifen meine Wange als sie mir einen kurzen Kuss gibt.

»Das hast du schön gesagt.« Meine Atmung beschleunigt sich. Ich muss mich anstrengen um mir nicht an die berührte Stelle zu fassen. Diese kleine Geste löst viele Emotionen gleichzeitig in mir aus. Ich bin kein kleines Kind mehr welches nach Zuneigung der Eltern sucht. Ich bin ein junger Mann, der um die Zuneigung dieses Mädchens neben mir kämpfen möchte. Ich will es mir verdienen.

»Was ist das zwischen uns?«, frage ich langsam und starre geradeaus. Ich möchte keine falsche Antwort bekommen. Nichts hören, was mich verletzen könnte. Deswegen habe ich mich vor anderen Menschen in Acht genommen, sie wegstoßen. Bei Savannah hatte ich keine Chance. Sie tauchte in meinem Leben auf wie ein Wirbelsturm. Ich kann nicht vor ihr fliehen. Und ich möchte es auch nicht.

»Was soll zwischen uns sein?« Sie wirkt nervös. Um die Situation zu kitten, lege ich mich auf den Rücken und ziehe sie halb auf mich. Wir liegen nun beide zum dunklen Nachthimmel gewendet und müssen uns beim Reden nicht ansehen. Wir beobachten die Sterne, die heute extra hell für uns leuchten.

»Ich will nur sichergehen, dass wir beide gleich fühlen.« Meine Stimme wird ganz heiser, weil ich nie über meine Gefühle spreche. Es ist schwer die passenden Worte zu finden, aber ich brauche Gewissheit. Ich kann den Gedanken nicht ertragen, dass ich eines Tages aufwachen könnte und feststellen muss, dass Savannah nicht mehr da ist. »Ich bin nicht gut im Ausdrücken meiner Gedanken. Eigentlich bin ich sogar miserabel darin, überhaupt mit Menschen eine vernünftige Unterhaltung zu führen.« Savannah kichert und schmiegt ihren Kopf auf meine Brust. Direkt unter meinem Herzschlag.

»Oh, das weiß ich.«

Mein Körper reagiert sofort auf sie, die Härchen meiner Arme stellen sich auf. Ich liebe es, wie es sich anfühlt, wenn ihre Haut an meiner ist. Wir erfüllen uns gegenseitig. Vielleicht liegt es auch daran, dass ich in meiner Kindheit nicht viele Zärtlichkeiten meiner Eltern bekommen habe. Keine Umarmungen, keine Küsse auf die Wange. Und jetzt habe ich Savannah, die mich auf eine Art und Weise berührt, die mich verrückt macht. Es macht mich süchtig.

»Sei nicht so frech«, gebe ich belustigt zu. Ich lege meine Hand auf ihren Arm der um mich liegt und beginne langsam über ihre Haut zu streichen. Leider ist der Stoff ihrer Jacke dazwischen. »Jedenfalls verbringe ich gerne Zeit mit dir und ich hoffe, dass es dir auch so geht.« Ich komme mir so lächerlich vor. Kopfschüttelnd nehme ich mir vor mein Maul zu halten. Ich bin kein Gefühlsmensch. Solche Wörter laut auszusprechen, fühlt sich falsch an.

»Ich verbringe auch gerne Zeit mit dir«, versichert sie mir aufrichtig und im nächsten Moment schwebt ihr Gesicht vor meinem. Sie hat sich auf mich gelegt und umhüllt mich komplett. Ich muss schlucken, weil es mir den Atem raubt. Ich kann sie nicht komplett sehen, dafür ist das Licht des Mondes und der Sterne einfach zu schwach. Aber ich sehe, was ich sehen muss, um zu begreifen, wie schön sie ist. Ich hebe meine Hand an ihre Wange. »Ehrlich gesagt hätte ich nie gedacht, dass ausgerechnet wir beide jemals zusammen hier liegen würden und die Sterne anschauen.« Sie schmunzelt. »Und ich möchte definitiv nichts überstürzen. Unser Tempo ist perfekt.« Sie beugt ihren Kopf nach unten und küsst mich. Für den Bruchteil einer Sekunde bin ich wie weg getreten. Dieser Kuss ist anders als alle, die wir davor hatten. Die Intensität ist unglaublich, man kann die Spannung spüren. Savannahs Hände landen auf meinen Wangen, sie lässt mich erschaudern. Dieses Mädchen ist alles und noch viel mehr. Ihre schlanken Finger fahren in meine Haare, über meine Haut und brennen sich in mein Herz. Ich halte sie fest, wiege sie in meinen Armen und küsse sie, als gäbe es nur uns. Nur uns und das weite Meer. Über uns die Sterne und niemand da, der diesen magischen Moment ruinieren könnte.

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