Kapitel 2

3.1K 92 15
                                    

Savannah

Die Fahrt bis zum Point Sal State Beach beträgt eine knappe Stunde, aber die lange Fahrt stört mich ganz und gar nicht. Ich liebe die Straßen und die frische Salzbriese, die durch das offene Fenster hinein weht. Ich habe meinen Führerschein noch nicht gemacht, obwohl ich mir fest vorgenommen habe, mit sechzehn Autofahren zu lernen. Hin und wieder fuhr Dad mit mir in den vergangenen Monaten herum, zeigte mir die Techniken und ging mit mir die Theorie durch. In den nächsten Wochen melde ich mich dafür an, damit ich vielleicht noch bis zu meinem Geburtstag fertig werde.

Paige hat ihren Führerschein bereits im März bekommen, deswegen fährt sie uns bis zum Strand. Sie hat den alten Polo ihrer Schwester bekommen, die letztes Jahr nach England gezogen ist um zu studieren.

Eine lange Playlist mit Taylor Swift Liedern dröhnt laut durch das Radio, während Paige und ich lauthals mitsingen, wehen meine blonden Haare in alle Richtungen. Auf meiner Nase sitzt eine große Sonnenbrille mit ziemlich dunklen Gläsern. Ich trage ein gelbes Sommerkleid mit einer kleinen Schleife vorne an der Brust und darunter trage ich einen weißen Bikini. Für mein Alter habe ich bereits große Brüste, jedenfalls größere, als Paige und meine anderen Freundinnen. Eine Zeit lang habe ich mich für die Größe geschämt, da ich noch so jung war. Aber inzwischen liebe ich sie und versuche sie nicht mehr zu verstecken.

»Ist Regina eigentlich noch mit Brandon zusammen? Ich war letztens auf ihren Account und habe gesehen sie hat alle Bilder mit ihm rausgemacht.« Ich drehe die Musik etwas leiser und beobachte, wie die Straßen an uns vorbeiziehen. Wir befahren den Cabrillo Highway, für einen Freitagnachmittag ist ziemlich wenig los. Es ist verflucht heiß, meine Schenkel kleben an den Sitzen fest.

»Sie haben sich vor den Sommerferien getrennt. Aber Chiara hat die beiden wohl vor zwei Wochen hinter Jody's Bude rumknutschen gesehen.« Paige zuckt mit den Schultern, als sei es normal.

Regina und Brandon sind schon seit der neunten Klasse ein Paar, oder jedenfalls waren sie eins. Regina ist die Anführerin der Cheerleader Gruppe, in dem Jahr, bevor ich nach Montesano gezogen bin, gehörte die Stelle mir. Da ich als Kind immer Tanzunterricht und Turnen hatte, überschrieb mir Mrs McKellar sofort die Verantwortung für das Team. Unsere Sportlehrerin teilte den ganzen Jahrgang während unserer ersten Woche an der Highschool ein. Entweder man wurde Teil der Cheerleader Gruppe, Teil der Footballmannschaft oder gar nichts. Die letzte Möglichkeit schloss die meisten ein. Nur wenige hatten Glück ernannt zu werden und schon nach dem ersten Training nannte mich Mrs McKellar zur Gruppenleitung. Regina brannte für diesen Job, ich denke sie konnte nie verkraften, dass ich dafür ausgewählt wurde.

Aus diesem Grund kann ich mir meinen alten Platz schon abschminken, denn ich glaube kaum, dass mir Regina meinen Platz ohne Krieg zurück gibt.

Außer natürlich ich möchte mir die Hände schmutzig machen.

»Die beiden können sich niemals endgültig trennen. Zumindest nicht, solange wir zur Schule gehen.« Räuspernd überschlage ich mein eines Bein über das andere, damit wenigstens eins von beiden nicht am Sitz kleben bleibt.

»Das hätte ich auch gesagt, aber seit Tyler an der Schule ist und ziemlich stark mit Brandon konkurriert, hat sie auch Augen für ihn. Du musst sie mal im Unterricht sehen, Sava. Sie schmachtet erst Brandon an, dann Tyler. Echt ätzend, wenn du mich fragst.« Paige lenkt von dem Highway ab und nimmt die Ausfahrt Richtung Casmalia. Wir sind in wenigen Minuten da.

»Und Tyler ist der Neue? Er spielt auch in der Footballmannschaft?«, frage ich überrascht nach. Ich weiß noch, wie schwer es damals für die Jungs war in die Mannschaft zu kommen. Wenn du nicht in der neunten Klasse ausgewählt wurdest, war es verdammt schwer hinterher reinzukommen, da sie mit der Grundausbildung begonnen haben. Die ersten Spiele fangen bei unserer Schule nämlich erst in der elften Klasse an. Davor spielen nur die höheren Klassen.

»Ja, genau. Tyler Whitehole. Er war erst einer der Wide Receiver, aber Coach Fields hat ihn dann als Running Back eingesetzt. Brandon kann ihn nicht leiden.«

Ich schnaube verächtlich. »Das kann ich auch verstehen. Ich meine, seit wann ist dieser Typ an unserer Schule? Gefühlt seit drei Tagen und schon hat er eine wichtige Position im Team bekommen? Wie ist das überhaupt möglich?«

Paige wirft mir einen abschätzenden Blick zu, ihre Augenbrauen sind beide oben. »Er ist ein Jahr an der Schule, Sava. Du warst ein Jahr nicht da und hast es nur nicht mitbekommen. Und er ist echt gut, seine Taktiken sind grandios. Anscheinend hat er an seiner alten Schule bereits Football gespielt. Ein Anfänger ist es jedenfalls nicht.« Augenrollend stemme ich meine Arme vor die Brust und schaue gelangweilt aus dem Fenster. Ich kenne Brandon schon ewig, seit der ersten Klasse und ich mag ihn. Er hat sich den Arsch aufgerissen um vom Coach als Teamcaptain ernannt zu werden.

»Und von welcher Schule kommt dieser Wunderknabe?«, frage ich gähnend, weil mich die Gespräche über diesen Neuling langweilen.

»Frag ihn das gleich selbst.« Paige grinst mich von der Seite aus an. In meiner Lunge sammelt sich viel Luft an, die ich gepresst wieder entweichen lasse.

Fünfzehn Minuten später parken wir oben auf dem Hang, wo sich bereits die Autos der anderen befinden. Da ich die Zeit verpasst habe, in der alle ihre Führerscheine gemacht haben, erklärt mir Paige zügig welches Auto zu wem gehört. Ganz am Rande der Autos steht noch ein schwarzes Bike, doch ich erspare mir zu fragen, wem diese Maschine gehört. Ich kenne niemanden aus der Schule, der so lebensmüde ist und sich direkt am Anfang so ein gefährliches Ding kauft.

»Die anderen sind schon unten.« Aus dem Kofferraum holen wir unser Zeug heraus. Ich habe meine Sachen in eine Korbtasche gepackt, die an der Seite rosa Blümchen hat. Außerdem haben wir bei mir noch eine Kühltasche mit dem ganzen Süßkram, was noch übrig war, befüllt.

»Ist es normal, dass ich nervös bin? Immerhin kenne ich die Leute doch.« Während wir den Sandweg bis zu den Holztreppen laufen, bemerke ich wie mein Herzklopfen schneller wird.

Ich habe meine Freunde aus der Highschool ein Jahr lang nicht gesehen, außer an den Feiertagen. Paige ist die einzige, mit der ich jeden Tag in Kontakt stand. Mit den anderen chattete ich hin und wieder, gratulierte zu Geburtstagen und zu Feiertagen. Da ich viel mit der Schule zu tun hatte, hatte ich gar nicht viel Zeit am Handy. In Montesano waren sie mit den Themen weiter als wir, ich verbrachte jeden Nachmittag stunden damit, alles nachzuholen. Ich kann nur hoffen, dass wir an meiner alten Schule nun die gleichen Themen machen, somit habe ich einen großen Vorsprung.

Natürlich hatte ich in Montesano Anschluss gefunden und Freunde gehabt, an die ich mich wenden konnte. Aber mir war immer bewusst gewesen, dass ich nach einem Jahr wegziehen würde. Deswegen habe ich eine gewisse Distanz gewahrt, damit mir keiner zu sehr ans Herz wachsen kann.

»Du hast sie alle lange nicht mehr gesehen, also ja. Es ist normal, dass du nervös bist. Aber wenn du sie gesehen hast, wird es dir gleich wieder besser gehen. Sie haben sich nicht verändert.« Ich achte auf meine Füße, damit ich nicht stolpere und folge Paige die vielen Holzstufen nach unten.

Der Point Sal State Beach ist nie sonderlich befüllt und wenn, dann an den Wochenenden. Die meisten fahren an den Strand weiter nördlich, da es dort auch eine Promenade gibt und an den meisten Wochenenden einen Bademeister. Der Ort hier ist abgelegen, der nächste Ort ist zwanzig Meilen entfernt. Hier draußen kommen viele zum Surfen hin. Und wir. Zumindest, wenn wir abends chillen wollen. Zum Schwimmen eignet sich der andere Strand eher.

Es ist bereits nach fünf Uhr, nachdem wir die Stufen passiert haben und nun im puren Sand stehen. Grinsend ziehe ich mir meine Sandalen aus, stopfe sie in meinen Korb und genieße die sandigen Körner zwischen meinen Zehen. Ich habe es vermisst, alles daran. Den weichen Sand, der wegen der Sonne so verflucht heiß ist, das weite Meer mit den hohen Wellen, die am Strand aufschlagen und die Meersalzbriese, die einen frei atmen lässt.

In Montesano war das Meer ebenfalls nicht weit entfernt, dennoch war ich höchstens fünf Mal in einem gesamten Jahr dort. Es hat einfach nicht gepasst und so wuchs die Sehnsucht nach Santa Maria und den Stränden mehr. Wie sagt man so schön? Vorfreude ist die beste Freude.

»Man, ich habe das so vermisst!« Ich gehe schnelle Schritte, drehe mich einmal im Kreis und grinse dann Paige an, die mit der Situation überfordert zu sein scheint.

»Was genau? Den nervigen Sand, der sich nach einem Strandausflug in jeder Region deines Körpers befindet, oder wie schnell die Haut austrocknet?«

»Du kannst auch in jeder Sache etwas Negatives sehen.« Ich lächle weiter, obwohl Paige schon mehrmals die Augen verdreht hat.

A sweet taste of loveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt