„Und du bist dir sicher, dass dieser Zettel nicht von einem Verehrer geschrieben wurde?" fragte Rafael, alias Ronny, und setzte sich zu uns an den Tisch, nachdem er sich ein neues Glas voller Cola geholt hatte.
Ich warf ihm einen genervten Blick zu und erwiderte: „Ja, da bin ich mir sicher, ausserdem habe ich keine Verehrer, sei nicht albern."
„Die Typen bei der Arbeit mögen dich aber alle," mischte sich Eric ein und ich verdrehte die Augen. Ich hatte mit den Leuten vom Fitnessstudio nicht wirklich viel zu tun, um ehrlich zu sein. Ich wechselte nur wenige Worte mit ihnen, und auch nur, wenn es sein musste. Ich war lieber nur mit meinen Lost Boys zusammen, ihnen konnte ich vertrauen.
„Das ist nicht das Gleiche, und wieso sollten die mir so einen seltsamen Zettel in meine Sporttasche tun, während ich unter der Dusche bin? Das-das ist einfach unheimlich!" Ich rieb mir mit der Hand über den Arm und fasste mir danach an die Stelle, wo einmal meine Schulterverletzung gewesen war. So vieles hatte sich in diesem Jahr geändert, viel zu vieles.
Alles schien anders zu sein, als zuvor und ich war nicht mehr dieselbe.
Aber diese Nachricht hatte mir einen riesigen Schrecken eingejagt, vor allem, weil sie nur mit einem X unterzeichnet worden war.
Wer hatte sie geschrieben? Was sollte das? Und vor allem, was noch viel wichtiger war...hatte man uns vielleicht gefunden?
Hatte Flavio, trotz all meiner Versuche, doch herausgefunden, wo wir waren und wollte sich wieder in mein Leben einmischen, aus dem ich ihn verbannt hatte? Würde er es wirklich wagen, wieder aufzutauchen, nach allem, was er mir angetan hatte?
„Was...was ist, wenn die Nachricht von ihm ist?" stellte ich die Frage, die uns wohl allen im Kopf herum schwirrte, „vielleicht sollten wir wieder verschwinden, an einen anderen Ort."
Alle schauten mich geschockt an, als Miro das Wort ergriff: „Auf keinen Fall Cierra! Nicht nochmal! Das haben wir schon zu viele Male getan, jetzt ist es genug! Ich bin mir sicher, er hat uns nicht gefunden und auch niemand sonst! Wir machen uns hier gerade verrückt wegen etwas, das wahrscheinlich nichts zu bedeuten hat. Wir...wir können nicht schon wieder weg von hier, uns gefällt es."
„Aber es ist gefährlich und eure Sicherheit geht immer vor," warf ich als Gegenargument in die Diskussion mit ein. Ja, ihre Sicherheit lag mir am Herzen, mehr, als alles andere. Ich hatte ihnen ein Leben ohne Gangs versprochen und das würde ich ihnen nun auch bieten.
„Cierra nein," sagte auch Andy, „das machen wir nicht schon wieder. Wenn, und ich sage nicht, dass es so ist, aber wenn sie uns wirklich gefunden haben, dann werden wir sie auf andere Weise wieder loswerden, ok? Wenn es hart auf hart kommt, werden wir uns ihnen stellen."
„Aber dann wäre alles umsonst gewesen, dieses ganze Versteckspiel hätte dann keinen Sinn gehabt," fügte ich traurig hinzu und fuhr mir mit der Hand durch die Haare. Ich griff nach meiner Kaffeetasse und gönnte mir einen Schluck des heissen Getränks, was mich beruhigte.
Wir waren fast die ganze Nacht auf gewesen und waren alle möglichen Szenarien durchgegangen. Ich hätte sowieso nicht schlafen können, nachdem ich diese Nachricht gefunden hatte.
„Nein, das wäre es nicht," versprach mir Tristan und ergriff meine Hand, „siehst du es denn nicht, Cierra? Du hast uns allen in diesem Jahr gezeigt, dass wir mehr verdient haben, als bloss Kriminelle zu sein. Du hast uns gezeigt, dass es auch noch ein anderes Leben für uns gibt, ein besseres. Und das kann und niemals jemand mehr wegnehmen, dieser Gedanke und dieses Wissen gehört für immer uns und kein Gang Boss wird das jemals mehr ändern können."
Ich lächelte schwach, sah zu Tristan und danach zu allen anderen Lost Boys, die mein Lächeln erwiderten und sagte: „Danke Jungs, das beruhigt mich, dass ihr so darüber denkt. Ich mach mir wahrscheinlich wirklich zu viele Gedanken darüber, es hat sicher nichts zu bedeuten."
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Gangs 2 - Lost Boys
JugendliteraturCierra Foster hat vieles hinter sich, das sie lieber vergessen möchte. Aber selbst mit neuem Namen und neuem Wohnort muss sie lernen, dass man seiner Vergangenheit nicht so einfach aus dem Weg gehen kann...