Der letzte Streich

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Ich hatte keine Ahnung, ob mein Plan funktionieren oder in die Hosen gehen würde, aber ganz ehrlich – hatte ich denn eine andere Wahl, als es zu probieren?

Nein, die hatte ich nicht. Ich musste schliesslich dafür sorgen, dass Candice nicht eine alleinerziehende Mutter werden und mein Patenkind ohne Vater aufwachsen würde.

Das war zurzeit gerade das Wichtigste, alles andere war zweitrangig.

Auch Flavio, von dessen Brutalität ich noch immer geschockt war. Ich konnte meine Gefühle ihm gegenüber kaum in Worte fassen. Er machte mir Angst, so ausser Kontrolle wie er geraten war. Ich wusste nicht, ob er je wieder so werden würde, wie früher.

„Kann ich dich hier wirklich alleine lassen?" fragte Eric, der neben mir in einem Café am Ende der Stadt sass. Ich hatte eine grosse Tasse Kaffee vor mir, er bloss eine Cola.

„Ich bin ja nicht alleine," argumentierte ich, „na los, verschwinde schon endlich, bevor der Cop hier auftaucht."

Ich versuchte zu lächeln, um Eric nicht noch mehr Sorgen zu machen, doch er kaufte mir mein Schauspiel nicht ab. Er kannte mich schon zu gut.

„Cierra...geht's dir gut? Du weisst, dass du das nicht alleine wieder hinbiegen musst, oder? Wir können dir alle helfen, aber irgendwie scheinst du gerade auf einer Ein-Mann-Mission zu sein."

„Ein-Frau-Mission," korrigierte ich ihn, „wenn man's genau nimmt. Aber jetzt ehrlich Eric, ich krieg das schon hin, keine Angst. Ich bin ein grosses Mädchen."

„Ich will nur nicht, dass dir was passiert, das könnte ich mir nie verzeihen."

„Es wird mir nichts passieren, versprochen. Ich sitze in einem Café, er kann mich höchstens verhaften," scherzte ich, doch mein Gegenüber fand es nicht lustig.

„Und dann landest du auch noch im Gefängnis, genauso wie Xavier, wir können es uns nicht leisten, dich auch noch zu verlieren." Eric ergriff meine Hand und drückte sie, als ob er mich überreden wollte, doch wieder mit ihm zu gehen.

Aber ich hatte meinen Entscheid bereits gestern Abend gefällt.

„Woher kennst du den Typen überhaupt?" fragte Eric nochmals, als ob er es nicht schon längst wüsste.

„Hab ich doch schon gesagt," meinte ich, „vom Krankenhaus. Er dachte, dass ihr mich alle schlägt. Er hat mir gesagt, wenn ich Hilfe brauche, soll ich ihn anrufen. Und das hab ich jetzt getan."

„Und du vertraust ihm? Einem Cop? Wirklich Cierra, hältst du das für klug?" Eric schien gar nicht überzeugt zu sein, kein Wunder, er war immer misstrauisch.

„Hab ich eine andere Wahl? Nein, die hab ich nicht. Er ist das Beste, was ich noch aus meinem Hut zaubern konnte und ich werde alles tun, um Xavier wieder nach Hause zu bringen, koste es, was es wolle." Ich wusste genau, wie mein Plan aussah. Jetzt musste er nur noch aufgehen.

Eric sass auf seinem Platz und machte keine Anstalten, zu verschwinden, bis ich ihn regelrecht nach Draussen verscheuchte, um endlich alleine zu sein. Der Cop würde bald eintreffen und für das musste ich alleine sein.

Es ging tatsächlich nicht lange, denn kaum war Eric in seinem Wagen verschwunden, fuhr ein neues Auto auf den Parkplatz, es war kein Polizeiauto, aber da ich durch die Windschutzscheibe Officer Matthews erkennen konnte, wusste ich, dass ich jetzt mein Pokerface aufsetzen musste.

Es war Showtime.

Der Polizeibeamte betrat das Lokal, sah sich kurz um und erspähte mich, wie ich ganz hinten in einer Ecke sass und an meinem kalt werdenden Kaffee nippte.

Gangs 2 - Lost BoysWo Geschichten leben. Entdecke jetzt