Schach Partie

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Ich sass also immer noch mit diesem unheimlichen Typen in seinem wahrscheinlichen Arbeitszimmer und schaute zum Fenster herüber.

Die letzten zehn Minuten hatte er nichts mehr gesagt, nur noch an seinem Weinglas genippt und in die Ferne gestarrt, als würde er über längst vergangene Momente und Menschen nachdenken.

Als hätte er etwas zu verbergen, dass ich ergründen sollte.

Er hatte gesagt, er brauchte mich für seine Rache. Für was genau, das hatte er verschwiegen, aber ich würde nicht lockerlassen, bis ich es herausgefunden hatte. Ich wollte schliesslich nicht in etwas hineingeraten, das ich nicht verstand. Nicht schon wieder.

„Also," meinte ich, als ich einen kleinen Schluck meines Weins getrunken und das Gesicht vor Ekel verzogen hatte, „welche Rolle spiele ich genau in diesem Plan?"

„Ich werde dich über alles in Kenntnis setzen, wenn die Zeit reif dafür ist...aber zuerst sollten wir etwas essen. Du hast sicher Hunger, oder?"

Der ältere Mann sah zu mir herüber, wie ich unsicher auf meinem Platz hin und her rutschte und liess mich nicht aus den Augen, als ich das Weinglas zur Seite auf einen kleinen Tisch stellte.

Ich hatte tatsächlich Hunger, seit sie mich gestern unsanft hierher gebracht hatten, hatte ich keinen Bissen mehr zu mir genommen. Ich brauchte Nahrung, um klar zu denken und meine Kräfte zu behalten.

Gegen Dimitri konnte ich mich nur verteidigen, wenn ich voll da war und wusste, was ich tat.

„Ich nehme deine Stille als zustimmende Antwort," sagte der Boss meiner Entführer und stand auf, „folge mir."

„Wohin?" fragte ich, weil ich nicht dazu bereit war, ihm blind zu hinterher zu gehen. So viel ich wusste, konnte er mich auch in seine Folterkammer führen. Dieser Typ war gefährlich, ich vertraute ihm kein bisschen.

„Zum Esszimmer, junge Lady, ich lasse meine Gäste nicht gerne hungern." Bei dem Wort Gäste hatte er einen seltsamen Unterton in seiner Stimme, der mich nervös werden liess.

Wir beide wussten, dass ich nicht ganz freiwillig hier war. Aber gehen, das wollte ich auch noch nicht. Ich hatte meine Mission nicht erfüllt.

„Aha," meinte ich und sah an mir herunter, wo ich Flavios Kette an meinem Hals erkannte „und Sie nehmen Ihren Gästen immer ihre Handys weg?" Ich hatte heute Morgen bemerkt, dass mein Telefon nicht mehr dagewesen war.

Was mich nicht sonderlich überraschte. Diese Leute wären bescheuert gewesen, hätten sie mir mein Handy gelassen.

Ich folgte also meinem Entführer etwas schüchtern und mit grösster Vorsicht zurück in den riesigen Flur, den Gang entlang in ein anders Zimmer, das wohl das grösste Esszimmer war, das ich jemals in meinem Leben gesehen hatte.

Das Haus des Drogenbarons wäre ein Witz dagegen gewesen, wenn ich nun diesen Raum betrachtete.

Darin stand in der Mitte ein riesiger, aus Mahagoniholz bestehender Tisch, darum herum mehr als 20 Stühle.

Es gab zwei enorme Kronleuchter, die von der Decke hingen, einen Kamin, in dem ein Feuer vor sich hin loderte und einen kleinen Nebentisch mit einem sehr teuer aussehenden Schachbrett. Die Figuren waren bereits auf dem Feld positioniert, was mich zu dem Entschluss kommen liess, dass hier bereits jemand spielte.

„Setz dich hier hin," befahl mir der Boss, der sich zu mir umdrehte, während ich meine Augen weiterhin durch den Raum schweifen liess. Wow, alles hier sah aus, wie aus einem Museum. Wieviel das alles kostete wollte ich gar nicht wissen.

Ich dankte ihm und tat, was er mir aufgetragen hatte. Er setzte sich zu Oberst an den Tisch, um alles im Blickfeld zu haben, ich war direkt daneben.

Gangs 2 - Lost BoysWo Geschichten leben. Entdecke jetzt