Der Weg dorthin, wo ich wollte, war schneller vorbei, als ich gehofft hatte. Mir war gar keine Zeit geblieben, mich mental und seelisch darauf vorzubereiten, was mir nun bevorstand.
Ich wusste nicht, ob ich das schaffen würde, aber es blieb mir keine andere Wahl.
Als Jari einen Parkplatz gefunden hatte, schaltete er den Motor des Wagens ab und drehte sich in meine Richtung, während ich wie fanatisch auf meine Fingernägel starrte.
„Was...was genau machen wir hier?" wollte er wissen, „hier gibt es keine Wohnhäuser, ich dachte wir besuchen einen alten Freund von dir?"
„Ja, ja das stimmt schon," gab ich leise von mir und fuhr mir mit der Hand durch das braune Haar. Ich sah danach zum Fenster hinaus, betrachtete die Menschen, die auf dem Gehsteig vorbeiliefen und beobachtete die Autos, die mit einer schnellen Geschwindigkeit fuhren, wo auch immer ihr Ziel war.
Nach einigen Sekunden war ich endlich bereit dazu, Jari eine Antwort zu liefern und sagte mit klarer Stimme: „Es...siehst du das grosse Gebäude da? Das ist eine Klinik."
„Und du kennst einen Patienten, oder wie? Willst du deiner Grossmutter jetzt noch Blumen vorbeibringen?" Er verstand den ernste der Lage wohl nicht, er machte noch Witze darüber. Aber ich war zu müde und zu erschöpft, um noch darauf zu reagieren.
Ich schüttelte den Kopf. „Nein, ein Freund von mir ist dort, sein Name ist Ashton. Er erholt sich gerade von einem einjährigen Koma."
„Aber das ergibt immer noch keinen Sinn...wieso besuchst du ihn jetzt? Du hast Wichtigeres zu tun! Du musst diesen Richard finden, bevor die anderen es tun! Sonst kommen die deinem Plan nur in die Quere! Du darfst nicht bis zur Übergabe warten, du musst vorher mit ihm Kontakt aufnehmen, sonst mischt sich die ganze Gang ein."
„Ich weiss," meinte ich dazu, „aber das hier ist auch wichtig, sogar sehr. Das was ich heute vorhabe...das kann sehr böse ausgehen Jari. Ich weiss, was für ein Risiko ich eingehe. Vielleicht bin ich morgen bereits tot. Deswegen muss ich mein Gewissen erleichtern und mich entschuldigen." Meine Augen füllten sich mit Tränen, doch ich versuchte, sie zurück zu halten. Mein Gegenüber hielt mich wahrscheinlich sowieso schon für schwach, da musste ich ihm nicht noch einen weiteren Grund dafür liefern.
Ich atmete tief durch und griff nach meiner Tasche, während Jari über meine Worte nachdachte und längere Zeit nichts mehr sagte. Er schien völlig in einer anderen Welt versunken zu sein.
„Wieso-Wieso ist dieser Ashton ins Koma gefallen? Was ist passiert?" Logisch wollte er das nun wissen, was auch sonst.
„Er wollte mir helfen, ich hab ihn in Gefahr gebracht und wegen mir wurde er angeschossen. Es ist meine Schuld gewesen, dass er fast gestorben wäre. Ich habe ihn seit diesem Zwischenfall nicht mehr gesehen, jedenfalls nicht wach. Ich-Ich habe etwas Angst davor, ihm gegenüber zu treten. Aber heute ist vielleicht die letzte Gelegenheit für mich, das ins Reine zu bringen, also muss ich es tun."
Meine Stimme war nicht mehr so stark, wie zuvor, sie wurde zu Ende meiner Aussage immer leiser und brüchiger. Ich stand kurz davor, in Tränen auszubrechen.
Und das war mir und Jari klar.
Er schien mit der Situation etwas überfordert zu sein, schaute ständig zwischen mir und seinem eigenen Fenster hin und her und wollte dann zu sprechen beginnen, doch ich kam ihm zuvor: „Es-Schon ok. Ich geh jetzt rein. Warte hier und finde raus, ob ich Richard irgendwie telefonisch erreichen kann."
Ich öffnete die Autotür und trat ins Freie, um mich kurz umzusehen und in Richtung des Gebäudes zu laufen. Es war ein riesiger Komplex, ganz anders, als das Krankenhaus, in dem Ashton vorher gewesen war. Hier waren Patienten untergebracht, die für eine lange Zeit Betreuung brauchten.
DU LIEST GERADE
Gangs 2 - Lost Boys
Teen FictionCierra Foster hat vieles hinter sich, das sie lieber vergessen möchte. Aber selbst mit neuem Namen und neuem Wohnort muss sie lernen, dass man seiner Vergangenheit nicht so einfach aus dem Weg gehen kann...