Alte Wunden

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Meine Welt begann sich im Kreis zu drehen, mein Verstand versagte für einige Sekunden und meine Gedanken waren völlig...leer.

 Das war eine Information mit der ich nicht mehr gerechnet hatte, nicht nach der Zeit, die bereits seit diesem grässlichen Zwischenfall verstrichen war. Ashton, der seit über einem Jahr im Koma lag, war aufgewacht.

Er, der immer so unschuldig und zu jung auf mich gewirkt hatte, hatte ein zweites Leben geschenkt bekommen und befand sich wieder unter den Lebenden.

 „W-Was? Wirklich?" fragte ich nach, nur um sicher zu gehen, dass ich meine beste Freundin richtig verstanden hatte. Ich musste es einfach wissen.

„Ja, gestern Abend. Ihr müsst sofort herkommen, ich schick dir die Adresse per SMS. Wie schnell kannst du hier sein?"

„Äh," ich überlegte kurz, was das alles zu bedeuten hatte und was es alles zu tun gab, „in sieben oder acht Stunden, wenn's hoch kommt. Ich-Ich seh dich dann, bis bald."

„Bis später," hörte ich Candice durch den Hörer sagen, „und Cierra, es-es tut echt gut, deine Stimme wieder zu hören. Ich hab dich vermisst."

„Ich dich auch Candice, glaub mir, ich dich auch, jeden Tag," schwor ich ihr leise, weil ich nicht wollte, dass Colin zu viel von diesem Gespräch mitbekam. Es war sehr privat und ich wollte nicht, dass er anfing, unangenehme Fragen zu stellen, die ich ihm nicht beantworten konnte.

Ich legte das Telefon zurück in meine Sporttasche und während meine Hände zitterten wie Espenlaub, sah ich zu dem Typen, der mir gegenüberstand und mich interessiert beobachtete.„Was ist los?" wollte er unsicher wissen und sah mich von oben bis unten an.

Er merkte wohl, dass etwas nicht stimmte – oder wie ich es sagen würde – plötzlich alles stimmte.

Ich entschuldigte mich kurz und zog mich in einer Kabine um, noch viel zu geschockt, um zu antworten.

Vielleicht würde mit Ashtons erwachen alles wieder gut werden, besser, als zuvor. Vielleicht könnte ich nun endlich tatsächlich mit der Vergangenheit abschliessen und sie ruhen lassen. Es war damals meine Schuld gewesen, dass ihm so etwas zugestossen war. Ich hatte meinen Freund in etwas hineingezogen, dass ihm zum Verhängnis geworden war und jetzt – jetzt hatte ich die Chance, meine Fehler gerade zu bügeln.

Ich verliess die Kabine und sah, dass mein Arbeitskollege noch immer da war.

„Ich muss dich um einen Gefallen bitten," sagte ich, anstatt auf seine Frage zu antworten, „kannst du mich nach Hause fahren? Sofort? Elias ist schon ohne mich gegangen und ich muss dringend nach Hause."

„Logo, aber wieso plötzlich so eilig? Hat das was mit dem Anruf zu tun?"

„Ich-ich kann dir das grad nicht erklären, aber ich werde mit den Jungs wohl ein paar Tage aus der Stadt verschwinden...um ein paar alte Freunde zu besuchen."

Ich hoffte, meine Erklärung war gut genug für Colin. Und wenn nicht war es mir zurzeit egal, es gab Wichtigeres, als ihn.

Ich schnappte mir alle meine Sachen und lief hinter meinem Begleiter her, der mich durch das Fitnesscenter, zur Tür hinaus bis auf den Parkplatz brachte, wo sein Auto geparkt war.

Kaum war ich eingestiegen, nahm ich mein Telefon erneut in die Hände und tippte eine Nachricht an die Jungs, die ich über unsere Abreise informieren musste. Sie sollten nur das Nötigste zusammenpacken und dann sofort, gemeinsam mit mir, losfahren.

„Ist wirklich alles in Ordnung? Du scheinst nervös zu sein," hakte Colin nach, als er eine Strasse entlang fuhr und gerade eine Linkskurve machte. Er schaute immer wieder zu mir herüber, als ob er sichergehen wollte, dass ich noch da war.

Gangs 2 - Lost BoysWo Geschichten leben. Entdecke jetzt