Kamikaze

3.1K 243 4
                                    

„Wir-wir sollten hier nicht gleich das Schlimmste annehmen," versuchte ich uns alle, vor allem auch mich selbst, zu beruhigen. Eine Leiche wurde aus einem Fluss gefischt, was hiess das schon? Es könnte auch jemand gewesen sein, der Suizid begangen hatte. Es musste nicht Candice sein.

Aber die Möglichkeit bestand und das beunruhigte mich gewaltig.

„Und was sollen wir tun?" fragte Matt, der zum ersten Mal, seit Ashton ins Koma gefallen war, wieder richtig hilflos aussah. Sonst wer er immer der starke, furchtlose Anführer, aber selbst er war gerade überfordert.

„Ok, ihr beide versucht rauszufinden, was das für eine Leiche war. Vielleicht sagen die im Radio was, oder im Fernsehen, keine Ahnung. Ich und Jari versuchen weiter rauszufinden, wo Candice ist. Und vergesst die Waffen nicht, wenn die anderen hier sind, will ich, das jeder ne Knarre bekommt."

„Ok," meinte Xavier und schniefte, bevor er versuchte, sich zusammen zu reissen, „ich habs verstanden. Aber Cierra..."

„Ja?" fragte ich, als er mich aus flehenden Augen heraus ansah, was mein Herz in tausend Stücke zerbrechen liess.

„Finde sie, bitte finde sie. Ich brauche sie."

„Ich weiss Xavier, ich schwöre dir, ich tu alles in meiner Macht stehende um sie zu finden und sicher zu dir zurück zu bringen, das kannst du mir glauben." Ich ergriff seine Hand, um ihm zu beweisen, wie ernst ich es meinte, bevor er nickte und die Küche verliess.

Ich und Jari waren nun wieder alleine und die Stille, die uns umgab, lastete unweigerlich auf mir. Die angespannte Stimmung wog schwer.

„Cierra," hörte ich Jari neben mir sagen und mich anschauen, „woher kennst du Candice?"

„Ich hab sie kennen gelernt, als ich zu den Red Moons gebracht wurde," erzählte ich und überlegte weiterhin fieberhaft, was der Zettel zu bedeuten hatte oder wie wir meine beste Freundin finden konnten.

Sie durfte nicht sterben, das würde ich nicht verkraften.

„Und wieso wurdest du zu den Red Moons gebracht?" wollte er noch wissen. Er war viel zu neugierig, genauso wie ich immer. Aber er mischte sich in Dinge ein, die gefährlich werden konnten.

„Es-das...das ist eine ewig lange Geschichte, wirklich. Wir haben Wichtigeres zu tun, also würdest du dich bitte konzentrieren?" Ich sah ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an. Wenn er nicht helfen wollte, dann konnte er auch einfach gehen. Aber er sollte mich ganz sicher nicht von meiner eigenen Arbeit ablenken.

„Ok, ok, ich mach ja schon. Du kannst ganz schön den Boss raushängen lassen." Jari tippte etwas auf seinem Handy herum, er bekam somit nicht mit, wie ich ihm einen wütenden Blick zuwarf. Der hatte ja Nerven.

Wir arbeiteten einige Minuten in Stille nebeneinander, beide mit unseren eigenen Gedanken und Aufgaben beschäftigt, als mir die wohl einzige, sinnvolle Lösung in den Sinn kam.

Uns lief die Zeit davon. Wir würden mit allerhöchster Wahrscheinlichkeit den Inhalt des Schliessfachs nicht rechtzeitig finden, um Candice zu retten. Ich musste uns also mehr Zeit verschaffen.

Ich würde mich gegen Candice austauschen lassen. Bei der Übergabe würde ich ohne den Inhalt aufkreuzen, die Freilassung meiner besten Freundin im Gegenzug zu meiner Gefangenschaft verlangen und ihr somit das Leben retten.

Es gab keinen anderen Weg, jedenfalls keinen, der mir einfiel.

Jetzt musste ich nur noch herausfinden, wer der Entführer war und wo ich ihn finden konnte, was leichter gesagt, als getan war. Aber da hatte ich wohl nicht mit Jari gerechnet, der wohl doch noch für etwas gut zu sein schien. Er räusperte sich nämlich in diesem Moment neben mir und streckte mir sein Handy vor die Nase.

Gangs 2 - Lost BoysWo Geschichten leben. Entdecke jetzt