Rache und Vergeltung

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„Papi, Papi, was machst du? Du hast gesagt, du gehst mit mir nach Draussen!" rief ich durchs Haus, auf der Suche nach meinem Vater, auf den ich schon über eine halbe Stunde ungeduldig gewartet hatte.

Es war Nachmittag, die Sonne schien hell und klar und zum ersten Mal dieses Jahr waren die Temperaturen über die 20 Grad Marke geklettert.

Meine Mutter war Einkaufen gegangen und mein Vater hatte sich irgendwo versteckt, ich musste ihn nur finden.

Und das tat ich auch. Im Schlafzimmer meiner Eltern lag er auf dem Bett, ein Buch in seiner Hand.

Er schien zu lesen, auch wenn ich mir nicht sicher war, wie das Ganze funktionierte. Wie konnte man aus komischen Linien etwas erkennen?

„Papi," schrie ich vor Freude, als ich ihn sah, „da bist du ja! Komm, komm, komm!" Ich zog verzweifelt an dem Ärmel seiner Jacke, um ihn zum Aufstehen zu bewegen, doch er blieb still liegen, seine Augen auf das Buch gerichtet.

„Warte Prinzessin," grummelte er und blätterte eine Seite weiter, „ich muss nur noch dieses Kapitel fertig lesen, dann gehöre ich ganz dir."

„Aber P-A-P-I!!!" sagte ich, quengelnd, wie ich war und verzog mein Gesicht zu einer Schnute, während ich meine Augen zu kleinen Schlitzen formte und versuchte, wütend auszusehen.

Aber Dank meinem jungen Alter schien das nicht zu wirken, ich war viel zu klein dafür, bedrohlich auszusehen.

Ich verschränkte die Arme vor meiner Brust und meinte: „Papi, jetzt komm endlich! Biiiiitteeee!"

„Gleich Prinzessin, nur noch ein paar Minuten," antwortete mein Vater und fing an zu Grinsen, als er bemerkte, dass ich aufs Bett kletterte und auf seinen Beinen Platz nahm. Es störte ihn nicht weiter.

„Das Ding da," sagte ich und zeigte auf das Buch, „das ist nicht interessant, oder geht es um Prinzessinnen? Wenn keine Prinzessinnen vorkommen, ist es doof. Hörst du, doof."

„Nein, mein Schatz, eine Prinzessin gibt es in der Geschichte nicht," erklärte mein Vater mit einem Lächeln im Gesicht, während er mir mit einer Hand über meine braunen Locken fuhr, „aber dafür um andere interessante Dinge."

„Um was? Um Hexen? Ich mag Hexen, aber ich hab auch Angst vor ihnen. Sie sind gemein."

„Nein, auch keine Hexen," erwiderte mein liebster Mensch auf Erden, abgesehen von meiner Mutter natürlich, „es geht um Rache."

„Drachen?!" quietschte ich aufgeregt, „wow, ich mag Drachen. Jetzt musst du es mir vorlesen!"

Ich machte es mir schon neben ihm auf dem Bett bequem, als mein Vater zu lachen begann und liebevoll einen Arm um mich legte, um mich näher an ihn heran zu ziehen.

„Nein Prinzessin, kein Drache - sondern Rache. Das ist was anderes."

„Und was? Hab ich noch nie gehört, klingt langweilig," murmelte ich, als meine Freude langsam zu Neige ging. Wenn es keine Drachen gab, war die Story nicht gut. Ich wollte doch etwas über Drachen hören, und Prinzen, und Magier.

Wie im Märchen. Diese Geschichten mochte ich.

„Rache...ist etwas sehr spezielles," meinte mein Vater und küsste mich auf die Stirn, „ich weiss nicht, ob du das schon verstehen kannst."

„Du musst es mir eben erklären, ich bin schlau, ich versteh das schon," sagte ich selbstsicher und lächelte. Ich war ein schlaues Mädchen, das hatte mir meine Mutter erst gerade heute Morgen gesagt. Ich verstand schon vieles für mein Alter.

Gangs 2 - Lost BoysWo Geschichten leben. Entdecke jetzt