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Die nächsten Nächte lag ich wach. Mein Kopf wollte einfach keine Ruhe geben. Andauernd hörte ich Patricks Stimme, wie er diesen beängstigenden Satz immer und immer wieder wiederholte;

Sei dir im klaren, dass du ohne mich nicht überleben kannst!

Mir wollte einfach nicht in den Sinn kommen, warum er das gesagt hatte und was genau er damit meinte. Eins war aber klar; Meine Angst vor ihm war somit weiter angestiegen.
Dieser Satz konnte alles bedeuten. Es könnte eine Drohung sein, eine Warnung oder sogar ein Wunsch...
Das war einfach alles so unfassbar verwirrend.
Die ganze Nacht wälzte ich mich hin und her ohne auch nur einen Hauch von Müdigkeit zu verspüren. Aber irgendwann musste ich wohl doch eingeschlafen sein, denn am nächsten Morgen wachte ich aus einem äußerst unerholsamen Schlaf auf.

"Herein", murmelte ich verschlafen, als es an meiner Tür klopfte und Miss Trunk kam mit einem Frühstückstablett in mein Zimmer.
"Ich habe dir Frühstück gemacht", sagte sie, während sie das Tablett auf meinem Nachttisch abstellte.
Hungrig griff ich nach dem Käsebrötchen und biss hinein. "Danke", schmatzte ich und sah beiläufig zu meinem Wecker; es war Mittwoch und schon fast halb eins.

Miss Trunk schnappte sich meinen Wäschekorb und ging damit in den Flur. Bevor sie die Tür schloss, sagte sie noch: "Heute Morgen standen ein paar Jungs und ein Mädchen vor der Tür. Ich glaube, sie waren insgesamt Sieben" Sie stellte den Wäschekorb auf den Boden, bevor sie weiterredete "Sie haben gefragt, ob du da bist und ich habe ihnen gesagt, dass du noch schläfst, woraufhin das Mädchen meinte, sie würden am Wald sein und auf dich warten"
Ich sprang auf. "Wann war das?"
"Vor etwa einer Stunde. An deiner Stelle würde ich mich beeilen, wenn du deine Freunde nicht noch länger warten lassen möchtest!", entgegnete Miss Trunk, dann Schloss sie die Zimmertür und ich hörte sie davonstapfen. So schnell ich konnte, flocht ich meine Haare in zwei lange Zöpfe, zog mir ein weißes Hemd und einen rosafarbenen Rock über, schlüpfte in meine Schuhe, hetzte zu meinem Fahrrad und radelte los.

Ich brauchte gerade mal drei Minuten, bis ich am Waldrand ankam. Schon von weitem sah ich den Losers-Club warten.
"Es tut mir so leid, dass ihr warten musstet!", keuchte ich und versuchte meine Atmung wieder unter Kontrolle zu bringen.
"Oh sieh an! Dornröschen ist erwacht", scherzte Richie.
"Joh, komm erstmal runter!", meinte Mike zu mir, als ich mich immernoch nach Atem ringend auf die Knie stützte.

"Puh! Ich glaub, es geht wieder", sagte ich und richtete mich wieder auf "Nochmal sorry", wiederholte ich dann.
"Alles gut, wir wissen ja selbst noch nicht, warum wir hier sind", entgegnete Beverly. "Wie?", fragte ich.
"Ja. Ben sagt, er hätte eine tolle Überraschung im Wald", erklärte Stan.
Wir alle sahen nun Ben an, der Stolz lächelte "Wartet nur ab, das ist toll!"
"Wenn ich so drüber nachdenke, will ich glaub ich garnicht wissen, was du da im Wald versteckst", stammelte Eddie skeptisch.
"Ach komm, Eds! Mit so 'ner Mutter wie du sie hast, hätte ich vor nichts mehr Angst", warf Richie ein. Eddie verdrehte nur die Augen "Beep Beep, Richie!"

Ben führte uns recht tief in dem Wald, bis er aufeinmal stehen blieb.
"Tadaa, da sind wir!", präsentierte er mit erhobenen Armen.
"Du willst uns doch verarschen!", schnaubte Eddie empört "Hier ist nicht's". Wütend wühlte er in seiner Bauchtasche herum und zog seinen Asthma-Inhalierer heraus.
"W-wo ist den jetzt die Ü-ü-überaschung?", erkundigte Bill sich.
"Ihr steht drauf", erwiederte Ben. Und Tatsächlich; als wir hinunter zu unseren Füßen sahen, erblickten wir eine hölzerne Falltür unter dem Laub.
"Los, macht sie auf!", forderte uns Ben strahlend auf.

Eine Leiter führte hinunter in eine Art Holzbunker. Von innen war es gemütlich und es sah alles leicht Urig aus. Insgesamt wirkte dieser Raum recht klein, aber dennoch passten wir locker zu Acht hier rein.
In der Mitte, zwischen zwei Holzpfeilern war eine Hängematte gespannt. "Mein Platz!", rief Richie und stürzte sich darauf. "Hä nein! Ich will da auch hin!", protestierte Eddie. Während sich die beiden um die Hängematte kabbelten, fragte ich Ben: "Wann hast du das gebaut?"
"Ich hab das nicht selbst gebaut. Vor ein paar Wochen hab ich das hier gefunden und da es sehr verlassen ausgesehen hat, hab ich es einfach als mein Eigentun abgestempelt und alles ein bisschen 'renoviert' ", antwortete er und kratzte sich am Hinterkopf "Ich dachte, wir könnten Das als eine art Hauptquartier benutzen"
"Kl-lasse", grinste Bill.
"Losers-Club Hauptquartier! Klingt toll!", pflichtete Mike ihm bei.
"Lasst uns das alles hier richtig schön einrichten!", fügte Beverly begeistert ein.
"Du hast hoffentlich nicht vor, hier nh kitschige Mädchenhöhle draus zu machen, wa?", spottete Richie, was ihm einen giftigen Blick von Beverly und mir einbrachte. Inzwischen hatte er den Kampf um die Hängematte verloren und lag nun auf dem Boden, alle viere von sich gestreckt, wärend Eddie von oben mit dem Fuß seinen Kopf auf die alten Holzdielen drückte, weshalb Richies worte eher gedämpft aus seinem Mund drangen.

"Ich finde die Idee eigentlich nicht schlecht!", pflichtete Stan uns Mädchen bei. Ben nickte zustimmend "Hier ist auch ein Stromanschluss. Ich weiß nur nicht, ob der noch funktioniert". Er zeigte auf eine schmutzige Steckdose an der Wand neben einem leeren Regal. Trotz des Staubes, sah die Steckdose so aus, als könnte sie noch ihre Pflicht erfüllen.
"Wir können es ja irgendwann mal mit was ausprobieren, was nicht so Gefährlich sein könnte", überlegte Ben.
"Genau!", kam es wieder gedämpft von Richie "Wie wärs, wenn Eddie nh Gabel reinsteckt?"
"Ich werd da garnichts reinstecken!", protestierte Eddie. Richie lachte "Deiner Mutter hab ich letztens das Gegenteil gesagt!"
"Du mieser -"
"K-kommt schon! Reicht j-j-jetzt!", seufzte Bill. Wiederwillig hörten Eddie und Richie auf, sich zu raufen.
"I-ich würde lieber m-mit euch besprechen, was wi-wir wegen ES untern-neh-nehmen"
Aufeinmal herrschte Totenstille. Da keiner was sagte, brach ich das Schweigen in dem ich fragte: "Was ist ES?"
"ES ist das Böse!", meinte Mike nur.
"Ja, soger schlimmer als Bowers", stimmte Stan ihm zu.
"Schlimmer als Bowers?", wiederholte ich skeptisch. Ein zustimmendes Murmeln ging durch den Raum.

"ES zeigt uns schlimme Dinge. Dinge, vor denen wir Angst haben", erklärte Ben, als niemand anderes es tat "ES ist auch dafür verantwortlich, dass so viele Kinder vermisst werden ... vermuten wir zumindest" fügte er mit einem zaghaften Blick zu Bill hinzu, welcher einen verbitterten Ausdruck in seinem Augen hatte. Er hatte das verschwinden seines kleinen Bruders noch immer nicht verkraftet.
"Was für schlimme Dinge?", fragte ich leise.
"Aus dem Abfluss im Bad kam Blut. So viel Blut!", hauchte Beverly zitternd "Und mein Vater hat es nichtmal gesehen"
"Mir hat ES meine Eltern gezeigt... in dem Moment, als sie hinter dieser Tür verbrannt sind. Sie haben meinen Namen geschrien und nach mir gegriffen.. genau wie in meiner Erinnerung", erzählte Mike. Ich konnte sehen, dass er Tränen in den Augen hatte.
"Ich habe eine kopflose Mumie in der Stadtbibliothek gesehen", meinte Ben.
"Bei mir war ES ein Leprakranker. Und diese wandelnde Infektion hat mich auch noch berührt" Eddie erschauderte am ganzen Körper.
"In der Kirche hängt das Bild einer grausam entstellten Frau", begann Stan "Und aufeinmal stand sie wirklich vor mir". Er schluckte.
Ich sah zu Richie, um sein Erlebnis zu hören, doch er hob nur abwehrend seine Hände "Ich sehe Eddie's Mutter fast täglich, ich bin abgehärtet!"
Dann sahen wir alle zu Bill. Er starrte ins leere, dann schluckte er und sagte: "Ich habe G-georgie gesehen. Im Keller. Er hat ges-s-sagt, e-er hätte Angst und dann h-h-h-hat er aufeinmal angef-fangen, mich dafür zu beschuldigen, für das, w-was passiert ist". Er schniefte, dann sah er zu uns auf "Und d-deswegen will ich ES ein für a-a-alle mal vernichten!"

"Ist dir denn noch nichts merkwürdiges passiert?", fragte mich Beverly nun. Ich schüttelte den Kopf "Nicht's derartiges, nein"
"Was soll das heißten, nichts derartiges?", harkte Richie nach.
"Mir passieren in letzter Zeit schon seltsame Dinge, aber die gehen doch in eine sehr andere Richtung, als die Vorfälle mit ES. Ich bin mir zu einhundert Prozent sicher, dass das nicht's mit ES zu tun hat" Doch ich zögerte. Alles, was meine Freunde aufgezählt hatten, waren Dinge die ihnen am meisten Angst machten. Und meine merkwürdigen Erlebnisse hatten alle mit Patrick Hockstetter zu tun und vor ihm hatte ich nunmal Angst... Aber Nein! Er war nicht meine größte Angst. Ich wüsste auch nicht, wie ES meine größte Angst simulieren könnte. Aber nun, da mir klar war, dass der Vorfall mit Patrick am Samstag tatsächlich echt war, beunruhigte es mich ja doch.

"Was ist denn deine größte Angst?", fragte Stan mich. Auch die anderen sahen mich neugierig an.
Ich seufzte, dann erklärte ich: "Ich habe fast durchgehend das Gefühl, ich würde nicht wirklich existieren". Kurz zögerte ich, bevor ich weitersprach "Ich habe Angst davor, tatsächlich nicht real zu sein"

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I wanna be real || Patrick Hockstetter {ES}Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt