Montag.
Die zweite Ferienwoche hatte begonnen. Aber auf keinen Fall so, wie ich es mir am Beginn der Sommerferien erhofft hatte.
Ein schlafender Patrick Hockstetter lag, alle viere von sich gestreckt, auf meinem Boden und schnarchte. Dazu hätte ich schwören können, dass er sabberte. Wie hatte ich letzte Nacht auch nur annährend denken können, er sei attraktiv?
Doch bei dem Gedanken daran, wie geradezu perfekt er da gelegen hatte, viel es mir wieder ein.
Aber nun...
Mit verzogenen Mundwinkeln sah ich hinunter zu Patrick, der gerade einen nahezu ohrenbetäubenden Schnarcher von sich gab und ich fragte mich, wie ich bei dem Lärm bloß hatte schlafen können.Müde trottete ich hinunter in die Küche, um mir etwas zu Trinken zu holen. Gerade wollte ich Miss Trunk begrüßen, als mir auffiel, dass sie ja garnicht da war. Seit gestern hatte sie Urlaub und da meine Mutter ja auch nicht da war, realisierte ich, dass ich wohl oder übel für unabsehbare Zeit alleine mit Patrick in diesem Haus war. Keine sonderlich angenehme Vorstellung.
×××
Ich war gerade dabei, die Orangensaft-Flasche zurück in den Kühlschrank zu stellen, da hörte ich Schritte die Treppe hinab kommen. Wie es aussah, war Patrick auch aufgewacht.
Verschlafen rieb er sich das Gesicht, hielt aber inne, als er mich erblickte und lächelte.
"Guten Morgen, Allie", sagte er, während er zu mir in die Küche kam und gähnte.
"Morgen", gab ich knapp zurück "Und nenn mich nicht Allie!"
"Die Loser nennen dich auch so", entgegnete Patrick. Ich schnaubte: "Ich möchte aber nicht, dass du mich so nennst, Patrick!"
Irgendwie merkte ich, dass ich nur noch wenig Angst vor ihm hatte, doch ich wusste nicht warum. Vielleicht war es ja, weil ich letzte Nacht gesehen hatte, dass auch er hilflos sein konnte. Oder weil.. weil..."Mist!", fluchte ich, da ich nicht aufgepasst hatte und den Orangensaft über meinen Verband verschüttete. Nun war er klitschnass und fühlte sich äußerst unangenehm auf der Haut an. Es brannte.
Immernoch fluchend, wickelte ich den Verband von meiner Hand ab. Dabei bemerkte ich, wie Patrick mir aufmerksam dabei zusah.
Mit Unschuldsmiene fragte er: "Sollte Das nicht eh langsam verheilt sein?"
Ich warf ihm einen giftigen Blick zu. Er redete darüber, als hätte er nicht's damit zutun gehabt.Nachdem das letzte bisschen Verband entfehrnt war, blickte ich auf meinen Handrücken. Das große X war natürlich immernoch da. Doch wie Patrick es gesagt hatte, war es verheilt. Zumindest etwas. Es war nicht mehr rot und blutig, sondern nur noch leicht verkrustet. An einigen Stellen erkannte man jedoch schon, dass es zu einer Narbe werden würde.
Verbittert seufzte ich und schmiss den mit Orangensaft vollgesogenen Verband in den Mülleimer unter dem Spülbecken."Darf ich mal sehen?", kam es von Patrick, der erwartungsvoll in meine Richtung sah.
"Was?"
"Darf ich deinen Handrücken mal sehen?", wiederholte er und streckte mir seine Hand entgegen. Ich zögerte.
Die Wahrscheinlichkeit, dass er ein Messer bei sich hatte, um erneut meine Hand aufzuschlitzen, war gering. Also hob ich vorsichtig die verletzte Hand und legte sie in die Seine. Sanft wurde sie von seinen langen Fingern umklammert. Seine Hand war warm und mir viel auf, dass er silberne Ringe trug.Er schmunzelte und zog mich an meinem Arm näher zu sich. Der geruch von Feuer und weißer Schokolade stieg mir in die Nase, als ich ihm näher kam. Aus einem mir unerfindlichen Grund, fing mein Herz an schneller zu pochen.
"Deine Haut ist sehr kalt", meinte er, während er mir in die Augen sah.
"Und deine ist sehr warm", entgegnete ich. Eigentlich sollte es sich nach 'Na und?' anhören, doch meine Stimme versagte, weshalb sie diesen Effekt nicht erfüllte.
Patrick gab ein leises Lachen von sich, als sich seine Finger noch fester um meine Hand schlangen. "Es gefällt mir, wie perfekt deine Hand in Meine passt"
Hitze stieg mir in's Gesicht und ich betete, dass ich dieser Situation bald entfliehen könnte.Es Klingelte.
Froh über den Vorwandt, entzog ich mich Patricks Griff und ging zur Haustür. Da es draussen sehr zu Regnen schien, fragte ich mich, wer das sein könnte.
"Hey..", begrüßte mich Stan mit einem schüchternen Lächeln, nachdem ich die Tür geöffnet hatte. Er zitterte vor kälte und seine Finger klammerten sich verkrampft um den Griff seines Regenschirmes.
"Hi", antwortete ich resigniert "Was machst du hier, bei dem Wetter?"
"Darf ich vielleicht kurz reinkommen?", erkundigte er sich und trat ein, nachdem ich zustimmend genickt hatte.
"Ich will dich nicht lange stören. Ich wollte nur eben was vorbeibringen, was du am Donnerstag bei mir vergessen hast", erklärte Stan und umarmte mich zur Begrüßung.
"Außerdem, müsste ich dringend mal dein Bad benutzen", fügte er hinzu.
"Natürlich. Hier den Flur rechts direkt geradeaus die weiße Tür", entgegnete ich und nahm ihm seinen Regenschrim ab, um ihn an die Garderobe zu hängen.×××
Im Wohnzimmer wartete ich darauf, dass Stan aus dem Bad kam. Patrick war noch immer in der Küche und bediente sich ungefragt am Vorratsschrank und ich hoffte, dass das erstmal auch so bleiben würde, da ich nicht wissen wollte, wie er und Stan aufeinander reagieren würden.
Endlich kam Stan aus dem Badezimmer wieder und setzte sich neben mich auf das große, cremefarbene Sofa."Hier". Er hielt mir seine geschlossene Faust entgegen. Ich hielt meine Hände darunter auf und er ließ etwas silbriges hinein fallen.
"Meine Kette! Danke Stan", bedankte ich mich und lächelte ihn an. Er lächelte zurück. Schnell entwickelte sich daraus ein unangenehmes Schweigen. Wir beide dachten wohl gerade an das Gleiche; Der Wangenkuss am Donnerstag."Es tut mir leid", sagte Stan aufeinmal.
Verwirrt sah ich ihn an "Was? Warum?"
"Wegen der Sache am Donnerstag. Ich hätte dich fragen sollen!" Traurig sah er zu Boden und schien die Kacheln zu mustern.
Ich wusste nicht, was ich sagen sollte, da ich selbst noch etwas hin und her gerissen von der Sache war.
"Es ist schon okey!", erwiederte ich dann. Schließlich war es ja wirklich in Ordnung gewesen. Nur die Gefühle, die das ganze in mir auslöste, waren verwirrend.
"Ich hab' aber eine Frage bezüglich... deswegen". Verlegen blickte ich auf meine Hände und sah das X auf meinem Handrücken. Ich schluckte.
Dann fuhr ich fort: "War äh.. war dieser... Naja dieser Kuss, war der freundschaftlich gemeint oder -" Ich brach ab. Das konnte ich nicht fragen! Mir sollte doch klar sein, dass das ein rein freundschaftlicher Kuss gewesen war. Denn nunmal waren Stan und ich bloß Das; Freunde!
Es war lächerlich, irgendwas anderes zu denken. Auch, wenn es etwas weh tat. Denn irgendwie fand ich ihn wirklich süß..."Was meinst du?", fragte Stan und sah mich mit seinen haselnussfarbenen Augen eindringlich an "Freundschaftlich oder... was?"
"Ist Egal!", haspelte ich überstürzt und setzte mich gezwungen gerade hin.
Wenn er Das schon fragen musste, war es sicher kein romantischer Kuss gewesen. Ich war ein so hoffnungsloser Fall, dass ich lachen musste. Fragend sah Stan mich an, doch ich schüttelte bloß den Kopf.Plötzlich nahm er meine Hand und hielt sie fest. Seine Hände waren kleiner als die von Patrick und auch nicht so warm und weich. Doch es fühlte sich angenehm an.
Mit geröteten Wangen blickte ich zu ihm auf.
"Du wolltest fragen, ob der Kuss romantisch gemeint war, oder?", erkundigte sich Stan mit leiser Stimme. Ich nickte bloß.
Während er mich weiterhin ansah, rückte er auf dem Sofa näher zu mir.
"Allie..", begann er "Ich -ich mag dich!"
Und wieder! Das war eine Aussage, die wieder beides bedeuten konnte, doch Stan sprach weiter: "Ich mag dich wirklich, wirklich gerne und ich hoffe, dass das, was ich am Donnerstag gemacht habe, unsere Freundschaft nicht zerstört hat!"
Also doch.. Er sah mich tatsächlich bloß als Freundin.
Ich seufzte.Stan räusperte sich erneut, dann fragte er: "Kann ich etwas ausprobieren? Ohne, dass du unsere Freundschaft beendest?"
Nervosität stieg in mir auf, was er zu bemerken schien, denn er drückte meine Hand etwas fester und sagte: "Keine Sorge! Ich habe nicht vor, dir weh zu tun!"
Erst zögerte ich, dann stimmte ich zu.
"Okey.. schließ kurz deine Augen!", bat er mich.
"Warum?"
"Vertrau mir!"
Und das tat ich, also schloss ich meine Augen und wartete. Mein Herz hämmerte wie wild gegen meine Brust, als wolle es jeden Moment herausspringen.
Das Polster des Sofas bewegte sich und ich merkte, wie Stan näher kam. Ich konnte seinen Atem auf meiner Lippe spüren und ahnte, was nun geschehen würde.
Sein Atem ging sehr schnell und auch meine Lungen bewegten sich unkontrolliert. Wir waren uns so nahe, dass sich unsere Lippen fast berührten bis.."Hey!"
Stan und ich schreckten blitzschnell auseinander. Nachdem ich realisiert hatte, was passiert war, überkam mich eine Welle von Wut und Enttäuschung.
Mit verschränkten Armen und zornigem Gesichtsausdruck, lehnte Patrick am Türrahmen und starrte hasserfüllt hinunter zu Stan...🎈
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I wanna be real || Patrick Hockstetter {ES}
Fanfiction𝙷𝚎 𝚜𝚎𝚝 𝚏𝚒𝚛𝚎 𝚝𝚘 𝚝𝚑𝚎 𝚠𝚘𝚛𝚕𝚍 𝚊𝚛𝚘𝚞𝚗𝚍 𝚑𝚒𝚖 𝚋𝚞𝚝 𝚗𝚎𝚟𝚎𝚛 𝚕𝚎𝚝 𝚊 𝚏𝚕𝚊𝚖𝚎 𝚝𝚘𝚞𝚌𝚑 𝚑𝚎𝚛. Angst. Jedes Mal, wenn er sie berührte, ihr an den Haaren zog, ihr hinterherlief. Angst, wenn er sie auch nur ansah und grinste...