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Endlich hatte ich mich von meinem Hustenanfall erholt. Meine Augen jedoch tränten noch immer und mein Hals kratzte noch ein wenig.
"Geht's wieder?", erkundigte Beverly sich besorgt und hörte auf, mir auf den Rücken zu klopfen.
"Nein! Was zur hölle machst du noch hier?", fragte ich an Patrick gerichtet. Dieser kam nun einige Schritte auf mich zu, jedoch stoppte er, als ich meine Arme schützend vor mir ausstreckte. Ich wollte nicht, dass er mir zu nahe kommen würde.

"Gehst du kurz raus?", bat Patrick Beverly. Dabei klang es mehr nach einem Befehl, als nach einer Bitte.
"Bitte bleib hier!", flehte Ich sie an. Niemals wieder wollte ich alleine mit diesem Jungen sein!
Unentschlossen blickte Beverly zwischen Patrick und mir hin und her. Patrick sah sie starr an und wartete darauf, dass sie den Raum verlassen würde.
Schließlich sah sie mit leicht gequältem Gesichtsausdruck zu mir und meinte: "Wenn was ist, dann schrei! Ich bin im Flur und warte"
"Bev..!" Fassungslos sah ich meiner Freundin hinterher, wie sie sich an Patrick vorbei drückte und im Flur verschwand.

"Was machst du noch hier?", wiederholte ich und versuchte dabei, nicht allzu ängstlich zu klingen. Ich scheiterte jedoch kläglich.
"Ehrlich gesagt, bin ich wieder hier", erwiederte Patrick "Ich war kurz weg und hab das hier besorgt".
Skeptisch blickte ich auf das Etwas, was er in den Händen hielt; Es war eine einzelne, recht in Mitleidenschaft gezogene, weiße Rose.
Er hielt sie mir entgegen. Immer wieder sah ich von der Rose zu Patrick und wieder zurück. Ich war äußerst verwirrt.
"Was soll ich damit?", fragte ich, ohne anstalten zu machen, die Blume anzunehmen.
"Als-", er zögerte "Als Entschuldigung".

Als Entschuldigung für was?
Das jahrelange Mobbing?
Die Angstzustände?
Die Aufgeschlitzte Hand?
Die Drohungen?
Die Alpträume?
Die Übergriffe?
All die Verwirrung?

Ich hätte eine ganze Liste anfertigen können, wofür er sich alles hätte entschuldigen müssen. Und all dies wollte er mit einer einzelnen, ranzigen Rose wieder gut machen?
Zugegeben, weiße Rosen mochte ich am liebsten, doch das hatte hiermit nichts zu tun.

Noch immer hielt Patrick mir die Rose entgegen und sah mich erwartungsvoll an.
"Nein!", sagte ich nur.
"Allison ich-", versuchte es Patrick weiter, doch ich stand auf und entfernte mich von ihm, indem ich mich an das große Fenster stellte. Es hatte aufgehört zu regnen, doch die Glasscheiben waren noch nass. Kleine Regentröpfchen hingen an der Scheibe und glitzerten im Licht der Sonne, die langsam hinter den dicken, grauen Wolken hervor kam.
Darauf achtete ich jedoch nicht. Mein Blick war auf die Spiegelung des Glases gerichtet, durch die ich Patrick sehen konnte, wie er mir fassungslos an den Hinterkopf starrte.

"Lass mich doch erklären!", bat er mich und kam erneut näher.
"Ich denke, es gibt nicht's zu erklären", entgegnete ich, als Patrick weniger als einen halben Meter entfernt von mir stand. Wieder stieg mir der Duft von weißer Schokolade und Feuer in die Nase, diesmal aber vermischt mit dem Geruch von Regen.
Ich holte einmal tief Luft, dann redete ich weiter: "Ich habe langsam verstanden, dass es dir Spaß macht, mit mir zu Spielen und mein Leben zur Hölle zu machen. Das tust du schon seit Jahren. Und jetzt kommst du mit einem weiteren Versuch an, dein Spiel mit mir aufrecht zu erhalten. Du nutzt es aus, dass ich so gutgläubig bin. Du weißt, dass alles was ich will, ein Happy End ist. Deswegen tust du jetzt so, als wäre das hier eins, aber ich habe genug. Bring die Rose dorthin zurück, wo du sie geklaut hast und lass mich endlich in Ruhe!"

Fassungslos blickte Patrick zu mir hinab. Er sah aus, als wolle er etwas erwiedern, doch hatte ich kein Interesse daran, ihm zuzuhören. Was er zu bemerken schien, denn er ließ es sein.
Langsam zog er seine Hand aus seiner Hosentasche, um sich durch das dunkle Haar zu streichen. Dabei fiel ein zusammengefalter Zettel zu Boden. Hastig versuchte er ihn aufzuheben, aber ich war schneller.
"Bitte gib es zurück!", sagte Patrick schon fast flehend, doch ich dachte nicht dran. Jetzt erst recht nicht, da er ja offensichtlich nicht wollte, dass ich es hatte. Also begann ich, es auseinander zu falten.
"Bitte nicht-", versuchte er erneut mich aufzuhalten, doch ich drehte mich weg, als er versuchte mir das Papier zu entwenden.

Verwirrt starrte ich auf den entfalteten Papierschnipsel. Es war ein Stück aus der Seite seines Jahrbuches, auf der ich gezwungen gewesen war, zu unterschreiben. Aber nur ein kleiner Teil dieser Seite. Nur der Teil, auf dem in unordentlicher Schrift, mein Name stand.

Allison McKober

Warum trug er Das mit sich herum? Was hatte das zu bedeuten?
Ich hörte, wie Patrick gequält aufstöhnte. Jedoch starrte ich weiterhin auf den Zettel in meiner Hand.
War das der Grund gewesen, warum mich die Bowers-Gang am letzten Schultag abgefangen hatte? Damit Patrick diesen Papierschnipsel mit sich herumtragen konnte? Aber was hatte das alles für einen Sinn?

"Bitte gib mir jetzt den Zettel wieder!", bat Patrick erneut, was ich gekonnt überhörte. Behutsam wandt ich mich zu ihm und sah ihn fragend an: "Warum trägst du meine Unterschrift mit dir herum?"
"Ich bin dir keine Erklärung schuldig! Jetzt nimm die Rose und gib mir den verdammten Zettel wieder!" Wieder versuchte er, mir das Papier wegzunehmen. Doch wieder zog ich es aus seiner Reichweite. Nie im Leben würde ich jetzt locker lassen. Ich wollte Antworten haben!
"Du bekommst es wieder, wenn du mir sagst, warum du Das mit dir herumträgst!", sagte ich mit fester Stimme und meinte, einen klitzekleinen Hauch von Panik in seinen Augen zu erkennen, was einen Funken Triumph in mir entfachte.
"Ich kann- ich möchte das nicht erklären müssen!"

×××

Schließlich hatte ich doch nachgegeben. Ich war zwar immernoch sehr neugierig, was all Das zu bedeuten hatte, doch Patrick war stur und ich zu nachgiebig.
Nun saßen wir beide am großen Esstisch und schwiegen uns an. Beverly war vor einigen Minuten gegangen. Ihr Vater hatte sie hier abgeholt und dagegen hatten wir nicht groß was tun können. Also waren Patrick und ich wieder zu zweit und wieder kroch dieses unwohlige Gefühl in mir auf. Seit Beverly gegangen war, hatten wir kein Wort miteinander geredet. Doch gehen wollte er auch nicht. Mal wieder.

Die Rose stand nun auf dem Tisch in einer mit Wasser befüllten, kristallenen Vase und wurde von der Nachmittagssonne, die durch das große Fenster schien, beleuchtet.
"Ist es okey, wenn ich diese Nacht nochmal hier bleibe?", erkundigte sich Patrick schon fast kleinlaut. So kannte ich ihn gar nicht. Vielleicht war ihm die Situation eben doch etwas peinlich gewesen. Oder es war einfach wieder einer seiner fiesen, manipulativen Tricks um zu bekommen, was er wollte. Und leider funktionierte es. Zwar sah ich nicht auf, doch nickte ich.
"Danke", sagte er und ich konnte hören, wie er leicht lächelte.

"D-diesmal aber auf dem Sofa im Wohnzimmer, klar?", stammelte ich schnell. Auf keinen Fall wollte ich nochmal so etwas wie letzte Nacht. Wenn er nicht in meinem Zimmer war, konnte ich ihn auch nicht ausversehen beim Schlafen begutachten.
Eine Gänsehaut überkam mich und Hitze stieg mir ins Gesicht, als ich daran denken musste, wie er letzte Nacht so dagelegen hatte..

"Und das ist auch wirklich das letzte mal!", fügte ich hinzu, immernoch ohne ihn anzusehen. Diesmal aber, um mein gerötetes Gesicht zu verstecken.
"Meine Mutter könnte in den nächsten Tagen wiederkommen und wenn sie herausfindet, dass ein Junge hier übernachtet hat, dann.. dann-", weiter kam ich nicht.
Patrick hatte angefangen, mit einer meiner langen Haarsträhnen zu spielen und aus dem Augenwinkel sah ich, wie er mich verspielt angrinste. "Sie wird schon nicht schimpfen. Schließlich machen wir ja keine unanständigen Dinge"
Empört schlug ich seine Hand weg. Wenn er so weiter machte, verlor ich bald noch meinen Verstand. Wieso musste er so mit mir spielen?

×××

Es war Nacht.
Ich jedoch war hellwach. Auf dem Rücken liegend, starrte ich an die Decke und versuchte, dieses wieder so realitätsferne Schwummern in meinem Kopf zu ignorieren. Außerdem hatte ich Angst. Patrick lag zwar diese Nacht nicht neben meinem Bett auf dem Teppich, aber im Haus war er dennoch. Was ihn anging, war ich eindeutig zu gutherzig. Es hätte mir eigentlich egal sein können, was mit ihm passieren würde, wenn er sich bei seinem 'Alten' blicken ließ. Ich hatte schließlich nichts mit dieser 'Kühlschrank'-Sache zu tun. Auch wenn ich gern wissen wollte, was es Damit auf sich hatte. Genauso wie mit dem Papierfetzen in seiner Hosentasche..

Erneut drehte ich mich in meinem Bett um. Langsam hatte ich genug, von dieser Schlaflosigkeit. Also schaltete ich meine Nachttischlampe ein und sah auf die Uhr; 00:03 Uhr. Sonderlich spät war es nicht, aber trotzdem hielt ich es nicht aus und stand auf.
Ich hatte absolut keine Ahnung, warum ich das tat, doch stieg ich die Treppen hinab und steuerte auf das Wohnzimmer zu...

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I wanna be real || Patrick Hockstetter {ES}Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt