So schnell wir konnten radelten wir Bill hinterher, der mit einem gewaltigen Tempo die Straßen hinab sauste. Es war absolut hirnrissig, was er da versuchte. Niemals würde er es schaffen, seinen Bruder aus den Fängen dieses Monsters zu retten. Jedenfalls nicht unbewaffnet und erst recht nicht alleine.
Gerade fuhren wir am Stadtpark vorbei, als ich etwas sah, was mich sehr verwirrte. Mit einer Vollbremsung, die mich beinahe vorn über fallen ließ, blieb ich abrupt stehen und starrte hinüber zu einer großen Eiche, an der ein 'Vermisst'-Plakat hing.
Aus dem Augenwinkel sah ich, dass meine Freunde weitergefahren waren, um Bill aufzuhalten. Sie hatten wohl nicht bemerkt, dass ich stehen geblieben war, doch das kümmerte mich nicht. Viel mehr interessierte mich, was da auf diesem Plakat stand.
Gemächlich schob ich das Fahrad über die Wiese hinüber zu der Eiche mit der Vermisstenanzeige.
Auf dem weg dort hin, wummerte es in meinem Ohren und die Luft um mich herum fühlte sich erneut so weich an, als wäre ich ein eine flauschige Decke gehüllt. Immer näher kam ich dem Plakat, bis ich es genau erkannte; Es war das gleiche, wie Patrick es mir heute Morgen gezeigt hatte. Doch jemand hatte mit roter, schleimig aussehender Farbe darüber geschrieben.'Deine Illusion wird bröckeln'
Ich hatte keine Ahnung, was das zu bedeuten hatte, jedoch wusste ich, dass es nicht's gutes hieß. Nicht, wenn diese rätselhaften Wörter mit Blut geschrieben worden waren. Denn das waren sie. Nun, da ich direkt davor stand, konnte ich es riechen. Stolpernd wich ich zurück, denn dieser Gestank löste Übelkeit in mir aus.
Wie in Trance stand ich einige Sekunden einfach nur da und blickte auf die Worte, die dort standen. Dann plötzlich viel mir ein, dass ich eigentlich Bill hinterher fahren sollte. Ich hoffte, er hatte noch nicht's dummes getan.
Also schwang ich mich auf den Fahrradsattel und trat fest in die Pedale.×××
"Wo sind Bill, Richie und Eddie?", fragte ich Beverly ausser Atem und ließ das Fahrrad neben dem alten rostigen Gartentor von Neiboltstr. 29 fallen.
Gerade wollte Beverly antworten, als aus dem Inneren des alten Hauses ein Schrei kam. So schrill und plötzlich, dass wir alle, die noch draussen waren, vor Schreck zusammenfuhren.
"Eddie!", bemerkte ich schockiert.
Beverly hatte sich einen alten Zaunpfahl vom Boden geschnappt, der aussah wie ein rostiger Speer und stapfte damit entschlossen in das morsche Haus, aus dem Eddie's Schrei geklungen war.
Ben, Mike, Stan und ich folgten ihr, wenn auch unsicher.Sobald wir drinnen waren, erkannten wir die Ursache von Eddie's Angstschrei; Er lag hilflos auf einem zerbrochenen Tisch, ES über ihn gebeugt. Bill und Richie standen daneben, ratlos darüber, was sie tun sollten.
Nun schrie Beverly. Jedoch nicht aus Angst. Es musste ein Angriffsschrei sein, denn sie rannte mit erhobenen Speer auf ES zu und rammte dem Clown den Metallspieß direkt durch den Kopf.
Wir alle sahen geschockt zu, wie dunkles Blut aus dem Auge an die Decke schwebte. Und diesmal war es Stan, der nach meiner Hand griff.Für einen kurzen Moment schien es so, als sei das Monster besiegt. Aber leider irrten wir uns...
ES knurrte aufeinmal und drehte sich langsam wieder zu uns um. Seine hässliche Fratze war nun noch entstellter, so sehr, dass ich nicht in das Clownsgesicht blicken konnte. Die Hände des Monsters fingen an zu wachsen und verwandelten sich auf groteske Weise in lange Klauen. ES lachte hysterisch auf, holte aus und erwischte Ben dabei volle Kanne am Bauch. Eine klaffende Wunde erschien dort und blutete alles voll, als Ben nach hinten stolperte und von Mike aufgefangen wurde, bevor er mit dem Kopf gegen den Türrahmen geknallt wäre.
Immernoch knurrend, wich der Clown taumelnd vor uns zurück, zu einer Tür auf der anderen Seite der modrigen Küche, die in einen dunklen Korridor führte.
"Bill! Tu das nicht!", schrie Beverly dem Jungen panisch hinterher, als dieser dem Clown folgen wollte. Doch er hörte nicht auf sie und stieg trotz unserer Schreie den dunklen Gang hinab.×××
Wir alle standen nun draussen vor dem alten Haus. Eddie's Arm war gebrochen, weshalb er schnell in's Krankenhaus gebracht werden musste. Wir wollten gerade losfahren, als ein mir nur zu bekanntes, weißes Auto, langsam an uns vorbei fuhr, anhielt, rückwärts zurück fuhr und auf unserer höhe erneut halt machte. Gebannt beobachteten wir, wie die verspiegelten Scheiben heruntergekurbelt wurden.
Erst als das Fenster komplett unten war, erkannte ich... meine Mutter."Kind, was machst du denn hier?", fragte sie mich schnippisch und warf ihren noch glühenden Zigarrettenstummel in hohem Bogen aus dem Fenster. Bevor ich antworten konnte, sprach sie weiter: "Ist das mein Fahrrad? Und wie siehst du überhaupt aus? Alles voller Staub... Komm, Liebes! Pack das Fahrrad in den Kofferraum und steig ein!"
Seufzend hob ich das Fahrrad vom trockenen Rasen auf und ging auf das Auto meiner Mutter zu. Dann blickte ich nocheinmal zurück und sah meinen Freunde entschuldigend in die Augen.
Als ich das Fahrrad eingepackt hatte und eingestiegen war, schob meine Mutter ihre Sonnenbrille weiter auf die Nase und sah zu meinen Freunden. Besonders Ben musterte sie skeptisch. Der Arme blutete noch immer aus seiner klaffenden Wunde, die ES ihm zugefügt hatte.
"Das solltest du desinfizieren, mein Lieber! Sonst entzündet es sich noch", meinte sie bloß und fuhr dann davon. Ich schnaubte verächtlich. Es war doch relativ klar, dass das behandelt werden musste. Doch ich sagte nichts.×××
Die Fahrt nachhause dauerte nicht lange. Nach weniger als fünf Minuten parkten wir vor der Einfahrt unserer Garage und stiegen aus. Dabei hoffte ich sehr, Patrick hätte das Auto vorfahren gehört und versteckte sich irgendwo. Nicht, dass das erste, was meine Mutter sehen würde, wenn sie das Haus betrat, ein ihr wildfremder Junge war, der zu allem Überfluss auch noch als Vermisst galt.
Als wir auf die Veranda stiegen um zur Tür zu kommen, sah ich hinauf zu meinem Balkon. Am Fenster dahinter, huschte jemand von den Vorhängen weg und ich atmete erleichtert auf.Nachdem meine Mutter die Haustür aufgeschlossen hatte, sprintete ich sofort die Treppe hinauf in mein Zimmer zu Patrick.
Er saß auf dem großen Sessel neben dem Fenster und fummelte gelangweilt an den verknickten Ecken seiner Vermisstenanzeige herum. Ich schloss die Zimmertür hinter mir und kam langsam auf ihn zu.
"Du musst wirklich aufpassen!", sagte ich. Zu meiner Verwunderung klang dieser Satz sehr besorgt. Aber warum sollte ich mir Sorgen um ihn machen? Das war ja lächerlich. Ich räusperte und fuhr fort: "Jetzt, da meine Mutter wieder im Haus ist-" "Komm mal her!", unterbrach Patrick mich.
"Wa- wieso?", stotterte ich verwirrt.
"Komm einfach her!", wiederholte er und stand vom Sessel auf. Das Plakat legte er beseite und sah mich erwartungsvoll an.
Zwar wusste ich nicht, was er vorhatte, doch spürte ich keine Gefahr von ihm ausgehen. Also gehorchte ich und kam auf ihn zu.
Was er dann tat, warf mich vollkommen aus der Bahn; Er kam auch auf mich zu und breitete seine Arme aus. Als ich nah genug war, fasste er mich an den Schultern und blickte mir direkt in meine Augen. Mit einem Ausdruck, den ich noch nie bei ihm gesehen hatte, doch identifizieren konnte ich es auch nicht. Er lächelte nicht, doch aus einem mir unbekannten Grund, breitete sich Wärme in mir aus. Dann plötzlich, zog er mich an sich ran und schlang seine Arme um mich. Ich konnte nicht mehr denken. Er war so nah und mein Herz raste schon wieder so sehr, als wäre ich soeben einen Marathon gelaufen. Ich hatte Angst. Aber irgenwie fühlte ich mich auch sicher in dieser Umarmung. Es waren zwei völlig gegensätzliche Gefühle, aber trotzdem ergab es Sinn für mich.
Seine großen Hände lagen wärmend auf meinem Rücken. Ich konnte jede Faser seines gelben Shirts erkennen, so nahe war ich ihm. Und erneut kam mir dieser Duft entgegen; Feuer und weiße Schokolade. Ich hatte nie mitbekommen, dass er weiße Schokolade aß, doch irgendwie musste dieser Geruch ja zustande kommen. Für mich roch es jedenfalls sehr angenehm.
Und trotzdem war ich äußerst überfordert.
Warum umarmte er mich einfach? Wieso war er so... so verwirrend? Ich traute mich nicht, die Umarmung zu erwiedern, dennoch legte ich meinen Kopf auf seine Brust. Sein Herz klopfte genauso schnell wie Meines."Verstehst du jetzt, was ich meine?", flüsterte Patrick zu mir herunter. Ich brauchte nicht darüber nachzudenken, über was er sprach. Ich wusste es.
Die Augen entspannt geschlossen und den Kopf noch immer auf dem Brustkorb des großen, schlanken Jungen gelegt, nickte ich langsam.
"Ja", hauchte ich leise. Eine einzelne Träne kullerte mir die Wange hinab. Ich hatte es verstanden...🎈
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I wanna be real || Patrick Hockstetter {ES}
Fanfiction𝙷𝚎 𝚜𝚎𝚝 𝚏𝚒𝚛𝚎 𝚝𝚘 𝚝𝚑𝚎 𝚠𝚘𝚛𝚕𝚍 𝚊𝚛𝚘𝚞𝚗𝚍 𝚑𝚒𝚖 𝚋𝚞𝚝 𝚗𝚎𝚟𝚎𝚛 𝚕𝚎𝚝 𝚊 𝚏𝚕𝚊𝚖𝚎 𝚝𝚘𝚞𝚌𝚑 𝚑𝚎𝚛. Angst. Jedes Mal, wenn er sie berührte, ihr an den Haaren zog, ihr hinterherlief. Angst, wenn er sie auch nur ansah und grinste...