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Mitten in der Nacht wurde ich von einem sich ständig wiederholendem Geräusch geweckt. Es klang, als würde jemand kleine Steine gegen das Glas meines Fensters werfen.
Immer wieder; Tock Tock Tock...
Müde und verwirrt knipste ich meine Nachttischlampe an und schlurfte zum Fenster.
Und wirklich. Immer und immer wieder flogen kleine Kieselsteinchen gegen die Balkontür.
Wer auch immer mich um diese Zeit geweckt haben mag, sollte froh sein, dass ich zu müde war um höhere Gewalt anzuwenden. Es war Sonntag um ein Uhr morgens und ich hoffte für die Person dort unten, dass sie oder er einen guten Grund für diese Nachtruhestörung hatte.

Genervt seufzend öffnete ich die Glastür und trat hinaus in die wolkenlose Nacht. Ich lehnte mich weit über das Geländer um zu sehen, wer es wagte mich um diese Zeit zu wecken.
"Endlich bist du wach!", kam es von unten. Fast hätte ich geschrien, konnte mich aber noch zurück halten.
"Mir sind die Kieselsteine schon langsam ausgegangen. Seit fast zwanzig Minuten steh' ich hier und warte, dass du endlich aufstehst!", rief Patrick nach oben. Auf dem Absatz wandt ich mich um und wollte wieder rein gehen, doch Patrick rief: "WARTE! Bitte..!"
Ich zögerte, dann drehte ich mich wieder um, um ihn anzuhören, wenn auch skeptisch.
"Kann ich reinkommen? Es ist arschkalt hier draussen", fragte er flehend. Leider erkannte ich nicht, ob er bloß schauspielerte oder es wirklich dringend war.
"Nenn mir einen Grund, warum ich das tun sollte!", entgegnete ich schnippisch. Von unten kam nichts. Dachte ich mir.

"Weil du ein guter Mensch bist!", sagte Patrick plötzlich. Verwundert blickte ich wieder hinunter zu ihm und sah, wie er da auf der Veranda stand und bittend zu mir aufsah.
"M-meine Mutter würde das nicht erlauben!", versuchte ich mich stammelnd herauszuwinden, doch Patrick antwortete stumpf: "Die ist doch gar nicht da"
"Woher- " begann ich, brach aber ab, da ich merkte, dass das Auto meiner Mutter ja überhaupt nicht in der Ausfahrt stand.
Mist!
"Bitte!", wiederholte Patrick. Irgendwie glaubte ich, dass es ihm wirklich wichtig war, hereingelassen zu werden.
"Ich tu dir schon nicht's, versprochen!", drängte er weiter. Ich wusste nicht warum, doch ich glaubte ihm.

Noch immer unsicher, ob ich ihm wirklich vertrauen konnte, schlich ich vorsichtig und auf Zehenspitzen die Treppe herunter zur Eingangstür.
Langsam und mit der Sicherheitskette eingeharkt, öffnete ich die Tür einen winzigen Spalt breit und musterte den großen Jungen, der dort vor mir Stand.
"Wirklich versprochen, dass du mir nicht wehtun wirst?!", flüsterte ich skeptisch durch den Schlitz hindurch. Abwehrend hob Patrick seine Hände und flüsterte zurück: "Ich schwöre es, nur bitte lass mich rein!" Mit einem Blick voller Unbehagen, sah er hinter sich auf die Straße, als würde er verfolgt werden.
Immernoch skeptisch, öffnete ich die Tür nun richtig und Patrick stürmte schon fast in den Flur.
Ich fragte mich, vor wem oder was er weglief. Und ich fragte mich, warum ich so gutgläubig war. Klar, er hatte versprochen, mir nichts anzutun. Aber er war ein hinterhältiges Miststück, dem man eigentlich nicht vertrauen sollte.
Aber jetzt war es zu spät. Er war im Haus und mein Gefühl sagte mir, dass ich ihn so schnell nicht loswerden würde.

Im Schein einer kleinen Lampe auf einer Kommode, sah ich Patricks Gesicht. Ich erschrak leicht als ich sah, dass seine Nase blutete und er einen großen blauen Fleck unter seinem rechten Auge hatte.
"Was ist passiert?", fragte ich, ohne so recht zu wissen, warum es mich überhaupt interessierte.
"Ist egal!", entgegnete Patrick bloß und sah sich in der Eingangshalle um.
Der war ja ganz schön frech! Weckte mich zu so einer späten Stunde auf, damit ich ihn reinließ, sah aus wie ein arrogantes stück Hackfleisch und wollte mir nichtmal erklären, warum das alles..

×××

Wir waren nun oben in meinem Zimmer. Ich hatte die Deckenlampe eingeschaltet und konnte so Patricks Wunden noch besser erkennen. Er hatte sich auf den großen Sessel vor der Balkontür gesetzt und sah schon fast paranoid aus dem Fenster. Seine Nase blutete noch immer und tröpfelte ihm auf sein Shirt.
Kurz verschwand ich im Bad und zurück kam ich mit einem nassen Tuch, welches ich ihm hinhielt, da ich nicht wollte, dass er auch noch meinen Teppich vollblutete. Einen Moment lang sah er immer abwechselnd mich und dann wieder das Tuch an, welches ich ihm mit spitzen Fingern hin hielt. Dann endlich nahm er es und hielt es sich an die Nase.
Ich schnappte mir einen gepolsterten Hocker und setzte mich, mit gewissem Abstand, vor Patrick hin und sah ihn erwartungsvoll an, da es mich noch immer interessierte, warum er hier war.

"Was ist?", zischte er mich an, nachdem ich ihn eine Weile lang einfach nur angesehen hatte.
"Ich denke, ich habe ein Recht darauf zu erfahren, warum du hier bist", erklärte ich. Nun, da wir hier bei mir Zuhause waren und dies ein vertrauter Ort für mich war, fühlte ich mich etwas mutiger als sonst.
Patrick grinste.
"Glaub mir, das willst du nicht wissen", meinte er. "Doch", entgegnete ich und sah ihn weiterhin an "Wer verfolgt dich?"
Schnaubend legte er das Tuch beiseite. Seine Nase hatte inzwischen aufgehört zu bluten. Dann beugte er sich vor und stützte sich mit den Ellenbogen auf seine Oberschenkel. Eindringlich sah er mich an.

"Es geht dich eigentlich nichts an", begann er "Aber von mir aus; Ich wurde von meinem Alten verdroschen"
"Dein.. Alter?", fragte ich. Er verdrehte die Augen "Mein Vater! Mein Vater hat mich verdroschen. So verständlicher?"
Ich nickte.
"Aber wieso?", fragte ich weiter.
"Wenn ich dir das erzähle, wirst du mich nicht die Nacht hierbehalten wollen", erklärte er.
Wollte ich sowieso nicht, aber eine Wahl hatte ich ja nicht. Das schien er zu bemerken, also fuhr er fort: "Er war betrunken und hat von.. vom Kühlschrank auf dem Schrottplatz erfahren. Da wurde er sauer und hat auf mich eingeschlagen"
"Vom Kühlschrank?", wiederholte ich.
"Musst du denn alles wissen?", seufzte er.
Wieder nickte ich, ohne ihn aus den Augen zu lassen.
"Oh glaub mir Prinzessin, wenn ich weiter rede, wird sich dein kleiner Kopf schreckliche Dinge vorstellen müssen", sagte er leise, wieder mit einem psychotischen Grinsen im Gesicht.

"Jedenfalls", erzählte Patrick weiter "Bin ich dann abgehauen und mein Alter verfolgt mich glaub ich seit dem"
"Warum bist du dann zu mir und nicht zu Bowers oder so gegangen?", erkundigte ich mich und versuchte dabei nicht allzu vorwurfsvoll zu klingen.
"Weil Henry's Alter meinem Alten vom.. naja von der Sache mit dem Kühlschrank erzählt hat. Ich wäre in noch größeren Schwierigkeiten, wenn ich bei dem aufgetaucht wäre", erwiderte er.
Ich wollte wirklich wissen, was es mit diesem Kühlschrank auf sich hatte, dennoch beschloss ich vorerst nicht weiter nachzufragen, da ich ja sowieso keine Antwort darauf bekommen würde. Und was bitte konnte man so schlimmes mit einem gottverdammtem Kühlschrank anstellen..?

×××

Inzwischen war es halb drei in der Nacht. Ich konnte nicht schlafen und das zu Recht. Wer hätte denn auch ruhig schlafen können im Wissen, dass ein Psychopath auf seinem Boden lag und schlief. Ich hätte mich nicht weigern können, ihn hier schlafen zu lassen, er wäre ja doch nicht gegangen. Also hatte ich ihm eine dünne Decke und ein Kopfkissen geliehen und nun lag er da auf meinem Teppich und schlief.

Das Licht der Straßenlaterne vor meinem Fenster, warf seinen Schein durch die Vorhänge und erleichterte mir die Sicht auf den schlafenden Patrick. Er lag nicht unter, sondern auf der Decke und nutzte sie als eine art Matratze. Seine linke Hand lag unter seinem Hinterkopf und sein Gesicht zeigte leicht schräg in meine Richtung. Das Licht viel im perfekten Winkel auf sein entspanntes Gesicht und beleuchtete seine hohen Wangenknochen, seine leicht rosigen Lippen, sein dunkles Haar und ... Stopp! Ich musste aufhören zu Starren. Doch das war leichter gesagt als getan. Im schlafenden Zustand sah er so friedlich aus und auf irgendeine Art und Weise auch wunderschön...

Leicht bewegte er sich und gab ein verschlafenes, murrendes Geräusch von sich. Die Bewegung zog ein wenig von seinem Shirt nach oben und entblößte somit ein Teil seines Bauches. Niemals hätte ich gedacht, wie muskulös und attraktiv er unter seinem Oberteil war, auch wenn sich seine Muskeln nur schwach abzeichneten. Ich ertappte mich selbst dabei, wie ich mit offenem Mund starrte und drehte mich schnell um und tat so, als würde ich schlafen, als Patrick sich aufeinmal aufrichtete.

"Du brauchst nicht so zu tun, als würdest du schlafen!", sagte er leise "Ich hab das schon gesehen".
Hitze schoss in mein Gesicht.
"Weißt du, es ist nicht sehr höflich zu starren", erklärte er mit einem hungrigen Ausdruck in der Stimme und ich konnte hören, wie er grinste.
Dieser Junge! Wollte er mir doch tatsächlich beibringen, was höflichkeit ist. Ich schnaubte, drehte mich aber nicht um.
"Nun, wie du willst, Prinzessin. Dann bin ich jetzt dran".
Erst wusste ich nicht, was er meinte, doch ich spürte seine Blicke auf meinem Rücken und verstand.
Jetzt richtete ich mich doch auf und wandt mich wieder in seine Richtung.
Und da saß er. Mit zerzausten Haaren und einem leichten Lächeln blickte er mir direkt in die Augen und sah nicht weg.

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I wanna be real || Patrick Hockstetter {ES}Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt