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Der frühe Vormittag legte sich sanft über Derry, als ich die Treppe hinunter in den Flur stieg. Leise, um Patrick nicht zu wecken, der auf dem Sofa lag und schnarchte, griff ich nach dem Telefon und wählte die Nummer von Beverly. Es klingelte und klingelte, doch niemand nahm ab. Ich versuchte es weiter bei Eddie, dann Ben, Stan, Bill, Richie und schließlich Mike. Aber jedes Mal wurde ich zur Mailbox weitergeleitet.
Mist!
Ein Gefühl der Beklommenheit stieg in mir auf. Warum war niemand erreichbar? Es musste doch jemanden geben, dem ich von diesem unheimlichen Gedicht erzählen konnte.
Ich seufzte frustriert, als ich erkannte, dass ich meine Freunde vorerst nicht erreichen würde. Also ließ ich den Telefonhörer sanft zurück auf die Gabel gleiten und griff stattdessen nach meiner Jacke. Wenn nicht über's Telefon, dann eben persönlich, dachte ich und schloss leise die Haustür hinter mir.

Der Weg zu Bill's Haus war vertraut, und bald schon stand ich vor seiner Tür. Ich klingelte und wartete, wobei mein Herz schneller schlug.
Von drinnen hörte ich Schritte näher kommen, kurz darauf öffnete Mrs. Denbrough die Tür, ein freundliches Lächeln auf den Lippen. "Allison! Was für eine Überraschung", begrüßte sie mich "Bill ist gerade eben erst aufgewacht. Möchtest du reinkommen und warten?"
Ich nickte und sagte: "Ja, das wäre nett, danke".
Nervös betrat ich das Wohnzimmer und setzte mich auf das Sofa. Einige Minuten später kam Bill die Treppe herunter, sichtlich verschlafen.
"Allie? Was m-machst du hier?", fragte er verwirrt und rieb sich die Augen. Ich stand auf und kam auf ihn zu. "Bill, wir müssen reden!"

×××

Es dauerte nicht lange, bis Bill den gesamten Club der Verlierer kontaktiert hatte. Vielleicht hatte ich es zu früh versucht, und deswegen war keiner an's Telefon gegangen.
Beverly betrat als erste das Wohnzimmer der Denbrough's, gefolgt von den anderen Losern.
Ich zögerte einen Moment, bevor ich in die Mitte des Raumes trat und mein kleines rotes Notizbuch aus der Jackentasche zog.
"Ich habe etwas gefunden", begann ich zögerlich. Richie schob sich seine Brille weiter auf die Nase und fragte: "Aha, und was?"
"In diesem Büchlein schreibe ich hin und wieder kleine Gedichte hinein. Aber gestern ist mir etwas aufgefallen. Ein Gedicht, das ich nicht geschrieben habe. Es ist unheimlich, und die Handschrift ist auch nicht meine. Diese Worte habe ich nie geschrieben. Und ich glaube, es ist eine Drohung von ES".
Gebannt sahen meine Freunde mich an. Ich blätterte durch das Notizbuch, bis ich die Seite fand und begann dann, mit zitternder Stimme vorzulesen: "In der Stille, kalt und schwer, Spür' ich deine Furcht..."

Als ich fertig war, herrschte Stille im Raum. Wir alle schienen das Ausmaß dessen zu begreifen, was dort auf dem Papier geschrieben stand. Mike brach das schweigen. "Das ist... beunruhigend".
Beverly sah besorgt aus, als sie fragte: "Und das hast sicher nicht du geschrieben?" Ich schüttelte den Kopf. "Nein, es war wie gesagt bereits in dem Notizbuch. Ich weiß nicht, was es bedeutet, aber es klingt nach einer Drohung".
"W-wir sollten das ernst nehmen. ES ist im-immer noch da draussen, irgendwo i-in Derry", warf Bill ein.

Ich schaute in die besorgten Gesichter meiner Freunde und zögerte einen Moment, bevor ich aussprach, was in meinem Kopf umherspukte: "Vielleicht... vielleicht können wir Patrick um Hilfe bitten". Ein plötzliches Aufbäumen durchfuhr die Gruppe. Richie sprang auf und sah mich entgeistert an. "Bist du wahnsinnig geworden, Allie?"
Eddie warf mir ebenfalls einen entsetzten Blick zu. "Nach allem, was Hockstetter schon angestellt hat, willst du den in unsere Angelegenheiten einbeziehen?"
"Aber das ist es ja eben", versuchte ich mich zu erklären "Es sind ja eben nicht unsere Angelegenheiten. Das betrifft ganz Derry, nicht nur uns".
Beverly schüttelte den Kopf, ihre Stimme klang eindringlich. "Das ist eine schreckliche Idee, Allie. Wir können ihm nicht trauen".
Ben wirkte ebenfalls aufgebracht, als er entgegnete: "Hast du vergessen, wie er dich behandelt hat? Wie er uns alle behandelt hat?"
Beschwichtigend hob ich die Hände, Tränen der Frustration brannten in meinem Augen. "Ich weiß, ich weiß. Aber hört mir doch bitte zu. Dieses Monster scheint wirklich nicht einfach zu besiegen zu sein. Wir könnten weitere helfende Hände wirklich gebrauchen. Und wer weiß, vielleicht ist Patrick ja die richtige Wahl..."
Sofort bereute ich den letzten Satz. Unauffällig schielte ich hinüber zu Stan und hoffte, er hätte die Worte nicht falsch aufgegriffen. Doch er stand einfach nur da, die Arme verschränkt und starrte in's Leere.
Bill, der uns bisher bloß still beobachtet hatte, sprach ruhig: "Allie, ich v-v-verstehe deine Verzweiflung, a-aber das ist zu riskant. Wir kö-können das alleine schaffen".
Ich fühlte mich überwältigt von der Ablehnung meiner Freunde, doch wusste ich auch, dass ich nicht aufgeben durfte. Ich würde einen Weg finden, sie alle zu überzeugen.

Das Notizbuch fest in der Hand, trat ich einen Schritt vor. "Ich denke wirklich, dass er uns helfen kann".
Bill schüttelte nachdenklich den Kopf. "Wir wissen n-nicht, ob wir ihm trauen kö-können".
"Er ist gefährlich", warf Mike ein, seine Stimme scharf und eindringlich. Ich ließ das Buch sinken und blickte jeden Einzelnen an. "Ich kann eure Bedenken sehr gut nachvollziehen. Aber hört mir zu. Patrick ist kompliziert, ja, und er hat seine dunklen Seiten. Aber genauso wie er uns schaden könnte, könnte er uns auch helfen".
Stan, der bisher schweigend am Rand gestanden hatte, trat vor, seine Miene angespannt. "Und was ist mit uns? Wir sind hier, wir vertrauen uns gegenseitig. Warum sollten wir Hockstetter in unsere Pläne einweihen?" Ich spürte die unterschwellige Eifersucht in Stan's Worten.
"Es geht ja auch nicht darum, ihn in die Gruppe aufzunehmen. Das würde er selber nicht wollen", begann ich zu erklären "Aber ihr müsst doch selbst zugeben, dass er nützlich sein könnte".
Eddie runzelte die Stirn. "Das macht ihn aber nicht vertrauenswürdig". Ich nickte. "Ich sage ja auch nicht, dass wir ihm blind vertrauen sollten. Aber er ist nicht der Feind. ES ist der Feind, und das wissen wir alle".
Ben sah nachdenklich aus. "Was schlägst du vor?"
Tief atmete ich durch. "Ich möchte mit ihm sprechen. Erstmal alleine. Wenn ich ihn einigermaßen überzeugt habe, nochmal mit euch zusammen. Wenn wir dann immernoch denken, dass er eine Gefahr darstellt, können wir entsprechend handeln".
Ein schweres Schweigen lag über uns, doch schließlich nickten meine Freunde langsam. Es war ein Risiko, das wir eingehen mussten, aber ich war bereit, die Verantwortung dafür zu übernehmen.

×××

Gegen Mittag betrat ich wieder mein Zuhause, ein schweres Gefühl der Entschlossenheit in der Brust. Als ich den Flur entlangging, hörte ich schiefes geklimper aus dem Wohnzimmer tönen.
Patrick saß am Klavier neben dem großen Fenster und drückte wahllos die Tasten, sichtlich in Gedanken versunken. Er hörte auf zu 'spielen', hob den Blick, als er mich bemerkte, und ein kurzes Lächeln huschte über sein Gesicht. "Hey, Prinzessin", begrüßte er mich und kam auf mich zu "Na, wo warst du?"
Ich antwortete nicht, sondern sagte bloß: "Patrick, wir müssen reden".
Seine Miene verdunkelte sich sofort und er blieb abrupt stehen. "Was ist los?"

Mit zitternden Händen setzte ich mich auf das Sofa, während Patrick auf dem gegenüberliegenden Sessel Platz nahm. Ich atmete durch und begann zögernd zu sprechen: "Patrick, es gibt etwas, das ich dir erzählen muss... etwas, das mit all den unheimlichen Dingen in Derry zu tun hat". Patrick hob eine Augenbraue, sein Blick fixierte mich intensiv. "Was meinst du?"
Erneut holte ich tief Luft, meine Finger spielten nervös mit einem losen Faden an meinem Kleid. "Es gibt eine Kreatur... wir nennen sie ES. ES ist für all die schrecklichen Dinge verantwortlich, die hier passieren. Die Morde, das Verschwinden von Kindern... alles".
Ein skeptisches Lächeln breitete sich auf Patrick's Gesicht aus. "Eine Kreatur? Und du glaubst wirklich an solche Märchen?" Ich fühlte mich verletzt durch seine Reaktion, aber meine Entschlossenheit blieb erhalten. "Ich- ich habe es selbst erlebt, Patrick! Schon öfters".
Patrick lehnte sich zurück und verschränkte die Hände hinter dem Kopf, seine Augen funkelten leicht. "Und wenn es wirklich war ist? Was dann? Vielleicht ist diese Kreatur ja gar nicht so schlecht. Vielleicht hat ES einfach einen... besonderen Geschmack".
Schockiert sah ich ihn an. "Wie kannst du sowas nur sagen? ES bringt Menschen um!" Er zuckte mit den Schultern, sein Lächeln wurde breiter. "Ich sagte ja nur, vielleicht. Es wäre doch faszinierend, nicht wahr? Eine solche Macht, eine solche Präsenz".
"Ich dachte, dass du mir helfen würdest. Dass du mir glauben würdest", entgegnete ich mit einem Hauch von Entsetzen.
"Ich sage doch gar nicht, dass ich dir nicht helfen werde. Ich sage nur, dass ich es amüsant finde", erwiederte Patrick und lehnte sich wieder vor. Ich stand auf. "Ich weiß doch nicht so recht, ob ich dir vertrauen kann, Patrick".

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I wanna be real || Patrick Hockstetter {ES}Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt