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Kaum hatte ich die Haustür hinter mir geschlossen, klingelte das Telefon neben der Wohnzimmertür. Ich eilte dort hin und nahm den Hörer ab.
"Hallo?", fragte ich zaghaft.
"Allison, Schätzchen! Du wirst es kaum glauben, ich habe großartige Neuigkeiten", drang die aufgeregte Stimme meiner Mutter aus dem Hörer. "Ich habe die feste Stelle bei der NewYork-Times bekommen".
"Das ist... toll", entgegnete ich mit aufgesetzter Fröhlichkeit, doch meine Hand schloss sich voller Frustration fester um den Hörer, meine Fingerknöchel hoben sich weiß hervor.
"Ich werde in den nächsten Tagen nachhause fahren, damit wir alles Nähere dann besprechen können. Außerdem kannst du dann meinen neuen Freund kennenlernen", sprach meine Mutter weiter.
"Deinen neuen Freund?", wiederholte ich seufzend. Nicht schon wieder! Das hält doch niemals..
"Ja", bestätigte sie. "Derrick und ich haben beschlossen uns zusammen in New York eine Wohnung zu suchen, und du wirst mitkommen".
Ich sträubte mich gegen diese große Veränderung, also versuchte ich vorsichtig meine Sichtweise zu äußern. "Mama, ich freue mich für dich, wirklich... Aber ich möchte nicht umziehen. Das geht mir wirklich alles zu schnell". Ich atmete tief durch, dann fuhr ich fort: "Das hier ist das Haus von deiner Mutter, das willst du doch nicht so einfach hergeben, oder? Außerdem habe ich hier Freunde".
Mit einer gewissen Bestimmtheit antwortete meine Mutter: "Liebes, du wirst verstehen, dass New York sehr viele Möglichkeiten bietet. Ich habe auch mit Miss Trunk gesprochen, und sie hat Verständnis für die Situation".
"Ich weiß", sagte ich verbittert. "Sie ist seit gestern weg".

"Wirklich, ein Tapetenwechsel wird dir guttun", meinte meine Mutter weiter. Ich spürte, wie Verzweiflung in mir aufstieg. "Aber Mama, ich will nicht weg von hier. Ich habe hier meine Wurzeln und hier fühle ich mich mit Papa verbunden".
Ohne viel Raum für Einwände zu lassen, antwortete meine Mutter: "Allison, das ist eine Chance für uns beide. Du wirst neue Freunde finden. Es wird eine aufregende Veränderung sein. Und manchmal müssen wir eben loslassen, um voranzukommen".
Ich wollte hier nicht weg. Niemals! Hier war mein Zuhause. Seit ich denken konnte, lebte ich in diesem Haus, welches meine Großmutter uns nach ihrem Tod hinterlassen hatte. Und hier war das Grab meines Vaters. Wenn ich nach New York ziehen würde, könnte ich ihn und auch Percy nie wieder besuchen kommen. Und meine Freunde waren hier. Beverly, Bill, Mike, Ben, Richie, Eddie... und Stan. Außerdem musste ich noch herausfinden, was mit mir und Patrick war. Diese Frage konnte ich nicht einfach im Raum stehen lassen.

Ich hatte kaum hingehört, als meine Mutter weiter von New York und von Derrick, ihrem neuen Freund, schwärmte. Mit einem Kloß im Hals versuchte ich, meine Gefühle in Worte zu fassen. "Ich weiß, dass es dir wichtig ist, Mama. Aber ich habe schon so viel verloren. Ich kann nicht noch mehr hinter mir lassen. Zudem finde ich es echt nicht fair, dass du so eine große Entscheidung einfach über meinen Kopf hinweg triffst".
Meine Mutter räusperte sich und war bemüht, ihre Entscheidung zu rechtfertigen. "Liebes, das Leben ist voller Veränderungen. Wir müssen vorwärts gehen und neue Chancen ergreifen. Ich verspreche dir, es wird gut gehen". Sie schien noch etwas hinzufügen zu wollen, doch im Hintergrund hörte ich eine raue Männerstimme rufen: "Komm, Angelina, war doch jetzt lang genug!"
"Ich lege jetzt auf. Denk nochmal darüber nach, was ich gesagt habe!", sagte meine Mutter und verabschiedete sich. Aus dem Hörer kam nun nur noch ein Piepsen und ich hing das Telefon zurück an seinen Platz.
Dieser Derrick war ja wirklich ein sympathischer Kerl, dachte ich sarkastisch. Wird bestimmt spaßig, mit dem zusammen zu leben.

×××

Lustlos suchte ich den Griff zur Falltür unter dem vielen Laub. Ich erwartete nicht, dass jemand im Clubhaus sein würde, erst recht nicht nach dem Vorfall mit Bowers vor ein paar Wochen, doch wollte ich im Augenblick einfach nur irgendwo sein, wo ich mich nicht so hilflos fühlte. Vorsichtig stieg ich die wackelige Leiter hinab. Einhändig, da ich mit der rechten Hand die Tasche mit den Lichterketten hielt, die ich im Keller gefunden hatte. Kaum hatte ich den erdigen Boden berührt, hörte ich einen kleinen Aufschrei aus der Richtung der Hängematte tönen. Abrupt wandte ich mich um und sah, wie Richie Eddie von sich runter stieß, der anscheinend noch vor wenigen Sekunden auf seiner Brust gelegen hatte. Ich musste schmunzeln.
"Es ist nicht, wonach es aussieht!", versuchte Richie sich hilflos herauszuwinden. Eddie stand mit rotem Kopf daneben und blickte zu Boden.
"Natürlich nicht", entgegnete ich und zwinkerte. Richie stand nun auch von der Hängematte auf und kam auf mich zu. "Machen wir einen Deal", meinte er und streckte mir seine Hand entgegen. "Du hast nicht's gesehen und wir leben alle friedlich unser Leben weiter". Erwartungsvoll sah er mich an.
"Ein ziemlich schwacher Deal, aber von mir aus", entgegnete ich und schlug ein. Dabei sah ich, wie Eddie erleichtert aufatmete.

"Was hast du da?", fragte mich Eddie, als ich anfing, in der Tasche herumzukramen.
"Lichterketten. Wir hatten doch gesagt, dass wir das Clubhaus ein bisschen aufpeppen", antwortete ich und holte eine blaue, verknotete Lichterkette aus der Tasche.
Richie kniff die Augen zusammen, als würde er große Schmerzen erleiden. "Och ne, dann wird das ja wirklich nh Mädchenhöhle".
"Hm ja, dir wär's wahrscheinlich lieber, wenn wir hier überall kleine Regenbogen-Flaggen hinhängen", konterte ich und warf ihm die verknotete Lichterkette hin, damit er mir half, sie zu entwirren.
"Shhht, nicht so laut", mahnte er mich mit Panik in den, von seinen Brillengläsern übermäßig großen Augen. Wir hörten Schritte über uns und instinktiv blickten wir alle zur Falltür, die nun langsam geöffnet wurde. Erleichtert stellten wir fest, dass es bloß Mike und Bill waren, die dort die Leiter hinab stiegen.

"Oh, doch schon so voll", bemerkte Mike, der als erster die Leiter herunter gekommen war.
"W-was macht ihr alle hier?", fragte Bill direkt.
"Keine Ahnung, was die hier machen", antwortete ich unschuldig und deutete auf Richie und Eddie, die nervös in der Gegend herum standen. "Ich bin bloß hier, um das aufzuhängen". Mit einem Schulterzucken hob ich leicht die Tasche mit den Lichterketten an.
"Zeig mal her", sagte Mike und nahm mir die Tasche ab. "Hübsch, aber die hier muss nicht sein, oder?" Er wühlte eine rosafarbene Girlande mit herzförmigen Lichtern heraus. Kichernd schüttelte ich den Kopf. "Nicht's, was ihr auf keinen Fall wollt. Wir sollen uns ja schließlich alle hier wohl fühlen können".

"Denkt ihr, B-beverly, Ben und Stan kommen auch noch", fragte Bill und setzte sich auf eine Holzkiste neben der Leiter. Richie zuckte mit den Achseln. "Ich denke schon, dass Beverly und Ben noch kommen. Ben ist halt fast jeden Tag hier und Beverly ist sowieso fast überall wo der ist".
"Und Stan?", fragte ich nach.
"Ne", antwortete Eddie. "Der muss lernen, wie man dieses große staubige Buch von seinem Vater liest".
"Meinst du die Tora?", erwiderte ich. Er nickte. "Irgendwie sowas, ja".
"Oha, eine Clubversammlung", kam es plötzlich aus der Richtung der Leiter. Dort stand Beverly und sah mit einem schiefen Lächeln in die Runde. "Hab ich was verpasst?"
"Bev!" Strahlend kam ich auf meine Freundin zu und umarmte sie. Der Geruch von Rauch umgab sie und ich sah eine offene Zigarettenschachtel aus ihrer Hosentasche rausgucken. Sie Rauchte also immernoch... Leider.
Nun kam auch Ben die Leiter herunter gestiegen und begrüßte uns.

"Jetzt sind wir fast komplett!", bemerkte Richie und klatschte sich in die Hände. "Wir können also anfangen. Was ist das Thema für heute?"
"Kommt Stan nicht?", unterbrach Ben ihn. Ein paar von uns schüttelten den Kopf und er schien zu verstehen.
"Also?", harkte Richie weiter nach.
"Du hälst erstmal dein Maul und entknotest die Lichterketten, Trashmouth!", meinte Mike mit einem lachen. Richie schnitt ihm eine Grimasse, gehorchte aber, wenn auch widerwillig. Dann wandte Bill sich an mich: "D-du wolltest Hockstetter doch um Hilfe bi-bitten. Jetzt d-da er wieder offiziell da ist, dürfte das doch k-kein Problem mehr sein".
"Ja... und nein", entgegnete ich. "Zwar hat er sich dazu bereit erklärt, uns zu helfen. Naja so halb, jedenfalls. Aber irgendwie war seine Reaktion gruselig, als ich ihm von der Kreatur erzählt habe. Er schien... Irgendwie fasziniert davon zu sein".
"Ich sag doch, der hat ne Macke!", rief Richie aus. Giftig sah Mike zu ihm und fuhr ihn an: "Jetzt halt' doch die Fresse!"
Ich ignorierte dies und fuhr fort: "Außerdem hat er momentan Hausarrest. Also selbst wenn er uns helfen würde, wäre das zumindest in nächster Zeit nicht möglich".
Langsam kam Eddie aus seiner Ecke und lehnte sich an einen Pfosten, den Blick ernst auf mich gerichtet. "Mir ist das ganze sowieso nicht geheuer. Schlimm genug, dass wir gegen dieses Monster kämpfen müssen". Sein Blick wanderte für einen kurzen Moment hinüber zu Bill, wandt sich aber schnell wieder an mich. "Es wäre doch ein doppeltes Risiko, so einen Psycho auch noch auf unserer Seite zu haben".
"Vielleicht... aber er könnte mich sicher prima ersetzen, wenn ich nicht mehr da bin", versuchte ich weiterhin, meinen Standpunkt zu verteidigen.
"Was soll das heißen... 'wenn du nicht mehr da bist'?", wiederholte Ben und hielt für einen Moment inne, eine gelbe Lichterkette mit Sternchen zu entwirren. Ich seufzte. "Ich habe heute Morgen mit meiner Mutter telefoniert, und sie will mit mir nach New York ziehen. Das hatte sie schon länger geplant aber jetzt scheint sie es wirklich ernst zu meinen".

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I wanna be real || Patrick Hockstetter {ES}Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt